Gruppe aus Lourdes will Reliquien der Heiligen zurück

Kampf um Bernadette

Veröffentlicht am 30.04.2015 um 00:00 Uhr – Von Alexander Brüggemann (KNA) – Lesedauer: 
Frankreich

Bonn/Paris ‐ Die heilige Bernadette, "Seherin von Lourdes", gehört zu den Ikonen der katholischen Kirche. Nun ist ein Streit um ihre Reliquien entbrannt. Sie sollen von Nevers zurück nach Lourdes gebracht werden.

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Nun kündigt sich auch noch ein unschönes Zerren um ihre sterblichen Überreste an. Die Vereinigung "Zur Rückkehr von Bernadette Soubirous nach Lourdes" will genau das: die größte Tochter der Stadt aus ihrem Sterbeort Nevers zurück ans Ufer des Flüsschens Gave holen. Der Vorsitzende der Gruppierung, Jose Marthe, stützt sich laut Presseberichten mit seinem Anliegen auf die Nachkommen der Familien Soubirous väterlicher- und Casterot mütterlicherseits. Ein kommerzielles Interesse weist Marthe zurück. Das Anliegen sei "ganz rein".

In Nevers im Westen Burgunds kümmern sich die drei verbliebenen Ordensschwestern um die Kapelle mit den sterblichen Überresten der Heiligen. Der Orden könne sein großes Klosterareal nur aufgrund der Anwesenheit der Reliquien aufrechterhalten, hieß es. Das Tourismusamt von Nevers beziffert die Einnahmen in Zusammenhang mit der Seherin von Lourdes auf rund 2,5 Millionen Euro jährlich.

Bernadette (eigentlich Maria Bernarda Soubirous, 1844-1879)
Bild: ©dpa - Bildarchiv

Eine zeitgenössische Aufnahme von Bernadette Soubirous (späterer Ordensname Maria Bernarda, 1844-1879) in jungen Jahren. 1858 hatte die damals 14-Jährige in der Grotte von Lourdes mehrere Marienerscheinungen.

Bernadettes Orden verweist auf ihren Letzten Willen, an ihrem Sterbeort, bei ihrem Orden beigesetzt zu werden. So argumentiert auch die offizielle Verwaltung des Heiligtumsbezirks von Lourdes. Sie bezeichnet das Projekt einer Rückführung als von vornherein vergeblich. Dagegen Jose Marthe: "Das ist doch alles Hörensagen. Es gibt kein einziges entsprechendes Dokument aus der Hand von Bernadette."

Eine gebrochene Lebensgeschichte

Die Lebensgeschichte der Heiligen jedenfalls ist eine gebrochene, sowohl in ihrer Heimat als auch in ihrem Orden: ein Mädchen aus bettelarmem Elternhaus, Jahrgang 1844, kränklich, lernschwach und ob ihrer materiellen und körperlichen Mängel verachtet, erfährt mit 14 Jahren beim Schafehüten das Schlüsselerlebnis ihres kurzen Lebens: Zwischen dem 11. Februar und dem 16. Juli 1858 erscheint ihr nach eigener Schilderung in der Grotte von Massabielle bei Lourdes 18 Mal eine schöne Dame, die sich als die "Unbefleckte Empfängnis" zu erkennen gibt. Die Gottesmutter selbst habe sie beauftragt, eine Kapelle zu errichten und Wallfahrten abhalten zu lassen, berichtet Bernadette.

Nirgends zählt ein Prophet so wenig wie in seiner Vaterstadt - das Bibelwort gilt zunächst auch in dem verschlafenen Ort am Fuß der Pyrenäen. Pilgerströme und Journalisten fallen ein in das Provinzidyll; erste Berichte über unerklärliche Heilungen. Doch zu Hause wird Bernadette von ihrer Mutter der Lüge bezichtigt für ihren "Faschingsrummel".

Der Ortspfarrer und der Bischof unterziehen sie strengen Verhören. Und der Bürgermeister, dem die Behörden schon drohen, man werde die geplante Zugtrasse an Lourdes vorbeilegen, wenn der Ort nicht bald zur Besinnung komme, klagt: "Sie werden sehen, diese kleine Landplage hat uns die Eisenbahn vermasselt."

Statue der Bernadette
Bild: ©KNA

Eine Statue der heiligen Bernadette Soubirous, der Seherin von Lourdes.

Der "Fall Soubirous" verselbstständigt sich: 1862 werden die Erscheinungen vom Ortsbischof, 1891 von Papst Leo XIII. kirchlich anerkannt. 1925 wird Bernadette selig-, 1933 heiliggesprochen. Ihr irdisches Leben endet unspektakulär: Die einstige Hilfsschülerin, selbst immer wieder schwer krank, tritt in den Krankenpflegeorden der "Dames de Nevers" ein. Dort stirbt sie 1879 mit nur 35 Jahren - von der ein oder anderen Mitschwester um ihre Erscheinungen beneidet.

Zwischen Marien-Marketing und anerkannten Wundern

Als Lourdes längst einer der berühmtesten Wallfahrtsorte der Welt ist, verfasst Emile Zola mit dem ersten Roman seiner Trilogie "Les trois villes" 1894 eine Polemik gegen die "kollektive Illusion" von Wunderheilungen und den florierenden Kommerz. Das Ergebnis ist eine nie dagewesene Flut von Veröffentlichungen über die Wundergrotte.

Diese Ambivalenz hat sich bis heute erhalten. Lourdes zieht Jahr für Jahr Hunderttausende Kranke und Behinderte an. Zwar lässt sich trefflich spotten über Marien-Marketing und angeblichen Aberglauben. Doch seit 1858 sind mehr als 30.000 unerklärliche Heilungen gemeldet, von denen die Kirche 67 offiziell als Wunder anerkannt hat - und das auch ohne den Leichnam der Seherin.

Von Alexander Brüggemann (KNA)