Kardinal Marx kritisiert Begriff "christliches Abendland"
Kardinal Reinhard Marx hat sich gegen die Rede vom "christlichen Abendland" gewandt. "Davon halte ich nicht viel, weil der Begriff vor allem ausgrenzend ist", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstagabend in Berlin. Dies verkenne die "große Herausforderung, in Europa dafür zu sorgen, dass verschiedene Religionen mit jeweils eigenen Wahrheitsansprüchen friedlich zusammenleben", so Marx bei einer Diskussion mit dem Publizisten Michel Friedman im Theater "Berliner Ensemble". Er betonte: "Ein friedliches Europa ist kein Selbstläufer."
Marx kritisierte zugleich eine weltweite "Instrumentalisierung" der Religion. "Das beunruhigt mich sehr", sagte der Erzbischof von München und Freising. Er äußerte die Hoffnung, dass Juden, Christen und Muslime so stark seien, dass sie ihren Glauben an einen Gott nicht missbrauchen lassen. Jede Religionsgemeinschaft müsse bereit sein, sich kritisieren zu lassen, sofern dies "auf einem vernünftigen Niveau" geschehe. "Sonst führt der Glaube in Fundamentalismus, Dogmatismus und Enge."
Der Kardinal räumte ein, auch die katholische Kirche brauche eine "stärkere Machtkontrolle". Für ein "faszinierendes, aber auch schwieriges Gebilde wie die Weltkirche" sei dies aber nicht einfach. Die gegenwärtigen Spannungen in der Kirche seien in dieser Frage "wie Gärungsprozesse", die Weichen für die kommenden Jahrhunderte stellten. Sie seien zugleich aber auch "große Chancen". (KNA)