Kasper will kirchliche Verwaltungsgerichte gegen Missbrauch
Als Konsequenz aus dem kirchlichen Missbrauchsskandal fordert der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper die Einführung innerkirchlicher Verwaltungsgerichte als Beschwerde-Instanzen. Kasper widersprach damit in einem Interview mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Mittwoch seinem Mitbruder, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, der es für unmöglich hält, dass in Verwaltungsgerichten Laien über Bischöfe zu Gericht sitzen könnten. "Das sehe ich anders. Es geht ja nicht um ein Urteil über Personen, sondern über deren Entscheidungen", sagte Kasper. "Von einem Bischof zu verlangen, dass er seine eigenen Gesetze oder die Gesetze Roms einhält, ist weder unbillig noch schränkt es den Bischof ungebührlich ein. Es würde seiner Autorität im theologischen Sinne nichts nehmen, sondern im Gegenteil seine Autorität stärken, zu mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit beitragen."
Die Kirche könne von der Demokratie lernen, betonte Kasper. "Wenn wir zu Recht über arroganten, selbstverliebten Klerikalismus und Machtmissbrauch in der Kirche klagen, dann müssen wir doch auch sehen, welche Formen von Machtbegrenzung und Machtkontrolle sich anderswo bewährt haben, etwa in demokratischen Gemeinwesen."
Kasper für neue Formen der Gemeindeleitung
Der Kardinal hält zudem neue Formen von Gemeindeleitung angesichts der sinkenden Zahl von Priestern für unerlässlich. Im Sinne einer Moderation des Gemeindelebens gebe es keine grundsätzlichen Hindernisse für eine Leitung durch Laien. "Ich bin ein entschiedener Gegner dieser am Schreibtisch entwickelten bürokratischen Monster von Großpfarreien, die jetzt allerorten gegründet werden, nur weil wir nicht mehr genügend Priester haben. Als könnte man so die Kirche retten", sagte Kasper.
Im Streit über die tieferen Ursachen des Missbrauchsskandals widersprach Kasper dem emeritierten Papst Benedikt XVI., der die 68er und die Theologengeneration nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) für einen Niedergang der Moral auch in der Kirche verantwortlich gemacht hatte. "Solche Schuldzuweisungen helfen nicht weiter", sagte Kasper und erinnerte daran, dass Benedikt als Joseph Ratzinger selbst ein Theologe des Konzils gewesen sei. "Dass im Zuge von 68 manches zusammengebrochen ist an Normen und Strukturen, das stimmt schon. Aber nicht allem muss man nachtrauern, und es ist ja auch viel Neues, Gutes aufgebrochen. Benedikts Sicht auf die 68er "rührt - soweit ich sehe - von eigenen schlechten Erfahrungen in jener Zeit her", so Kasper. (rom/KNA)