Katholiken und der Erste Weltkrieg
Die Rolle der Kirche während des Krieges
In wenigen Tagen, am 28. Juni, jährt sich zum 100. Mal das Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo, das dann Anlass, nicht der Grund des Ersten Weltkriegs wurde. Dieser Krieg war für das Deutsche Reich kein Verteidigungskrieg, sondern der Versuch, mit den damaligen Weltmächten militärisch und politisch auf gleicher Ebene zu stehen und eine geopolitische Rolle einzunehmen. Er wurde mit rücksichtslosem Einsatz von Menschen und Material und mit den ersten Massenvernichtungswaffen geführt. Seine verheerenden Folgen waren 17 Millionen Tote, ungezählte verkrüppelte und traumatisierte Menschen, zerstörte Landschaften und Gesellschaften. Die politischen Ergebnisse der "Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts (vgl. George Kennan) brachten keinen dauerhaften Frieden, bildeten ganz im Gegenteil auch die Voraussetzungen für den Zweiten Weltkrieg.
Keine Rechtfertigung
Im August 1914 zogen die deutschen Truppen unter dem Jubel der Bevölkerung und dem Läuten der Glocken zum Kampf aus. Dieser Weg in den Krieg wurde in Deutschland von kirchlicher Seite unterstützt, mitunter von offener Begeisterung begleitet. Obwohl die katholische Kirche wegen ihres universalen Charakters stets Distanz zum Nationalismus des 19. Jahrhunderts gehalten hatte, traten besonders am Anfang des Weltkrieges Bischöfe, Priester und Gläubige in großer Zahl an die Seite derer, die den Krieg als moralische und geistige Erneuerung begrüßten. Wir wissen heute, dass die Kirche damit Schuld auf sich geladen hat.
Zudem versuchte die Moraltheologie, die Vorstellung von soldatischem Gehorsam, Opferbereitschaft und Pflichterfüllung bis in den Tod klar zu umreißen und in den Menschen fest zu verankern. Diese Auffassungen wurden auch durch die grausamen Erfahrungen des Krieges später zunächst nicht in Frage gestellt.
Im Unterschied zum nationalen Denken und Empfinden war Papst Benedikt XV. ein unermüdlicher Mahner gegen den Krieg. Er verzichtete auf Schuldzuweisungen, nannte den Krieg eine "grauenhaft nutzlose Schlächterei". Schon in seiner Antrittsenzyklika im November 1914 rief er die Regierenden zu einem Verhandlungsfrieden auf. Die päpstlichen Bemühungen blieben jedoch erfolglos, auch sein letzter Appell vom 1. August 1917, in dem der Papst alle Krieg führenden Mächte zu Friedensverhandlungen aufrief und sich als neutraler Vermittler anbot.
Wir müssen aus heutiger Sicht erkennen, dass erst die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und damit zusammenhängend auch des Zweiten ein stärkeres Engagement der Kirche für den Frieden und eine Abkehr von der Rechtfertigung von Kriegen begründete.
Nie wieder "Schlafwandeln"
Im Wort "Gerechter Friede" aus dem Jahr 2000 schrieben wir katholischen deutschen Bischöfe: "Die schrecklichen Erfahrungen der beiden Weltkriege haben in unserer Gesellschaft ein geschärftes sittliches, besonders auch friedensethisches Bewusstsein wachsen lassen, das wir als wertvolles Erbe auf Dauer bewahren wollen." Im Hinblick auf diese Einsicht ist heute zu erkennen und zu bekennen, dass sich damals Bischöfe in ihrer Verkündigung und theologischen Billigung des Krieges geirrt und verirrt haben.
Für pax christi als internationaler katholischer Friedensbewegung sind diese Erfahrungen eine bleibende Herausforderung, sich kriegerischer Politik zu widersetzen und immer wieder Schritte der Versöhnung zu versuchen.
In der Rückschau auf den Ersten Weltkrieg gibt es eine wesentliche Lehre: Wir wollen nie wieder "wie Schlafwandler" (vgl. Christopher Clark) in eine solche Katastrophe hineinrutschen. Um das mit aller Macht zu vermeiden, bedarf es Menschen, die sich keinerlei Gleichgültigkeit und Feigheit erlauben, vielmehr im Sinne des Evangeliums Lüge und Obrigkeitsdenken demaskieren und selbst Schritte des Friedens tun.