Priester und Autor Christian Hennecke über das Besondere am Katholizismus

Katholisch mit Leib und Seele

Veröffentlicht am 15.03.2017 um 13:30 Uhr – Lesedauer: 
Glaube

Hildesheim ‐ Die katholische Kirche ist eine eigene Welt, sagt Priester und Autor Christian Hennecke. Und dazu gehört auch die Gottesmutter Maria - obwohl er lange gebraucht hat, einen Zugang zu ihr zu finden.

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Frage: Herr Hennecke, was ist für Sie das Besondere an der katholischen Kirche?

Hennecke: Das Zweite Vatikanische Konzil beschreibt die Kirche als "Volk Gottes auf dem Weg". Eine starke Aussage. Denn sie besagt, dass wir als katholische Kirche keine Trutzburg sind, sondern ständig neu aufbrechen und uns verwandeln. Volk Gottes auf dem Weg zu sein, um das Evangelium allen zu bezeugen - das ist der Auftrag der Kirche. Gott liebt uns Menschen leidenschaftlich. Er möchte alle sammeln und unter seinem Segen verbinden. Gemeint damit ist nichts anderes als die alles umfassende - vom griechischen katholon - Sammlungsbewegung Gottes.

Frage: Was ist für Sie typisch katholisch?

Hennecke: Vor allem Eucharistie und Messe. Sie sind innerste Mitte des katholischen Lebens. In dieser Feier verdichtet sich alles, was wir Katholiken leben und glauben. Und das tun wir auf diese für uns typisch sinnliche, ganzheitliche Art. Zum Katholisch-sein gehören aber auch Maria, die Heiligen und der Papst, die Sakramente, die Ordensgemeinschaften, die Volksfrömmigkeit und die Wallfahrten. Römisch-katholisch - eine eigene Welt. Mein Zugang zu dieser orientiert sich an Erfahrungen, die mich immer schon fasziniert haben. Ein Beispiel: die Messe. Wenn das ganze Volk mitfeiert, singt und betet und an verschiedenen Diensten teilhat, dann zeigt sich eine dichte Erfahrung der Gegenwart des Auferstandenen, aus der diese Feier lebt. Dann wird auch klar, warum diese Feier in der katholischen Kirche nicht zuerst "Abendmahl" oder "Gottesdienst" genannt wird, sondern "Eucharistiefeier". Wir kommen zusammen, um Danke zu sagen und werden zugleich neu beschenkt.

Frage: Viele Menschen tun sich schwer mit der Wandlung. Wie würden Sie diesen schwierigen Begriff erklären?

Hennecke: Nicht nur Brot und Wein, sondern auch wir sollen verwandelt werden. Darum bitten wir im Hochgebet. Im Empfang von Leib und Blut Christi werden wir Kirche, seine Gemeinschaft oder "Communio". Es geht dabei aber nicht nur um die Gemeinde vor Ort, sondern um die ganze heilige Kirche, das Volk Gottes durch alle Zeiten. Wir wissen uns verbunden mit dem Papst, dem jeweiligen Ortsbischof, mit den Verstorbenen und den Heiligen aller Zeiten. Mich berührt, dass diese Gemeinschaft nicht einzugrenzen ist. Sie umfasst auch Menschen, die Gott suchen und alle Verstorbenen, deren Glauben niemand beurteilen kann außer Gott.

Bild: ©Bischöfliche Pressestelle Hildesheim

Christian Hennecke ist katholischer Priester, Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Hildesheim und Autor des Buches "Konfession: katholisch. Eine Liebeserklärung".

Frage: Das Brot, das Jesus Christus mit seinen Jüngern teilte, hat kaum etwas mit der kleinen Hostie zu tun, die wir bei der Kommunion empfangen. Könnte und sollte sich hier etwas ändern?

Hennecke: Leider kommt das Brotbrechen häufig zu kurz. In den Pfarreien, in denen ich Pfarrer sein durfte, haben wir das jedoch immer eingeführt. Wir benutzten große Hostienbrote, die man in viele Teile zerbrechen konnte. Und so wurde allen deutlich, dass sie Anteil erhalten "an dem einen Brot und dem einen Kelch und so ein Leib werden in Christus", wie ein Hochgebet sagt. Diese Zeichenhandlung, die in frühen Zeiten auch der ganzen Feier ihren Namen gab, nämlich "Das Brotbrechen", macht deutlich, worum es geht: Christus hat sich "brechen lassen" für uns und sich uns geschenkt, damit wir verwandelt werden - eine Gemeinschaft, in der alle zueinander gehören. Der Empfang des gebrochenen Brotes, das Trinken aus dem Kelch - beides gehört, auch wenn nicht immer so praktiziert, zur großen katholischen Tradition.

Frage: Was fasziniert Sie an der Gottesmutter Maria?

Hennecke: Ich habe lange gebraucht, um einen persönlichen Zugang zur Gottesmutter zu finden. Doch dann sah ich im Petersdom die Pietà des Michelangelo. Ich befand mich gerade in einer Phase voller Selbstzweifel. Da kam mir diese Skulptur vor Augen, und ich dachte: So wie du, Maria, den toten Jesus hältst, so wirst du vielleicht auch mich in einer Lebenskrise halten. Das war eine tiefe Erfahrung. Die Skulptur hat mich ermutigt, nicht wegzulaufen, sondern die Auferstehung zu erhoffen. Das hat mich innerlich tief berührt und mir Kraft geschenkt.

Frage: Welchen besonderen Stellenwert hat Maria in der katholischen Kirche?

Hennecke: Sie ist die "voll der Gnade". Und in ihr zeigt sich damit auch, wer wir als Menschen von Gott her eigentlich sind und sein können. Das zeigen auch alle Glaubensaussagen unserer Kirche, die einerseits die Einzigartigkeit von Gottes Handeln an Maria bezeugen - und andererseits aber auch verstehen lassen, welche tiefe Berufung wir Christen haben: mehr noch als in der Dogmatik ist Maria aber gerade in der Spiritualität der Christen zu finden - in der Volksfrömmigkeit. Und hier ist Maria immer wieder wie eine Tür für die unterschiedlichsten Kulturen und Völker. Durch sie finden viele Christen den Zugang zum Geheimnis Gottes. Mich hat sehr beeindruckt, wie etwa in Mexiko gerade die indigenen Völker durch die Begegnung mit Maria das Christentum finden konnten.

Buchtipp

Christian Hennecke, der viele Jahre Priester ausgebildet hat, beschreibt in seinem Buch "Konfession: katholisch. Eine Liebeserklärung" (208 Seiten, 16,99 Euro, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2016), was "katholisch sein" ausmacht. Er erzählt von seinem persönlichen Weg und gibt einen facettenreichen und spannenden Einblick in die Traditionen und Gebräuche der Katholiken. Der Autor nimmt seine Leser mit auf eine Reise in eine lebendige, bunte und erfahrungsreiche Gemeinschaft.

Frage: Gilt diese Sichtweise auch für Heilige, um deren Beistand Katholiken bitten?

Hennecke: Ja, die Perspektive einer Gemeinschaft der Heiligen und Fürsprecher betont die gemeinschaftliche Dimension des christlichen Weges. Dabei geht es nicht nur darum, dass wir nie alleine Christen sein können, sondern immer auch die Gemeinschaft der Brüder und Schwestern brauchen, um wachsen zu können. Und diese Gemeinschaft ist lebendig auch durch die Zeiten.

Frage: Viele katholische Traditionen sind bis heute wichtig geblieben, etwa in der Fastenzeit. Welche Bedeutung hat diese Zeit heute?

Hennecke: In der österlichen Fasten- und Bußzeit geht es immer wieder um das Neufinden der Beziehung mit Jesus Christus und Gott, dem Vater. Und das ist ja aktuell: Wie finden wir die Nähe Gottes, seine Gnade, seine Liebe, die uns gilt? Fasten ist der leibliche Ausdruck einer Spiritualität, die tiefer zu Gott führen will. Ich verzichte nicht um des Verzichtens willen, sondern um wirklich zu hören, wahrzunehmen und zu spüren, wer Gott für mich ist.

Frage: Weihwasser und Weihrauch: Der Katholizismus hatte immer schon etwas Sinnliches. Was bringen wir heute noch mit solchen äußeren Zeichen zum Ausdruck?

Hennecke: Katholisch ist in der Tat sinnlich - ein ganzer Kosmos, den man entdecken und in den man sich verlieben kann. Und es ist ja klar: Es braucht sinnliche Zeichen und Haltungen für die Begegnung mit dem großen Gott, der Liebe ist - der aber nicht "sichtbar" ist. Das bedarf äußerer Zeichen. Der Weihrauch verweist auf die Gegenwart des Geistes Gottes. Er ist ein Symbol für die Verbindung unserer Gebete zum Himmel, die wie Weihrauch zu Gott aufsteigen. Das Weihwasser erinnert uns an die eigene Taufe. Das Knien in den intensiven Momenten der Liturgie ist Zeichen der Verehrung Gottes. Im Stehen machen wir deutlich, dass wir in der Gegenwart Gottes versammelt sind. Katholisch sein heißt also immer auch, mit dem Leib zum Ausdruck zu bringen, was doch unsichtbar ist: Gott und unsere Beziehung zu ihm.

Von Margret Nußbaum