Kirche in Hongkong: Brücke zu verfolgten Christen
Als Hongkong vor 20 Jahren von den britischen Kolonialmächten an China zurückgegeben wurde, geschah das mit dem Prinzip "ein Land, zwei Systeme". Mit diesem Prinzip ist die Diözese Hongkong anders als die Kirche auf dem Festland frei, Beziehungen zu Rom zu halten und Bischöfe zu ernennen. Nun hat Hongkong mit Michael Yeung Ming-cheung einen neuen Bischof – und mit Carrie Lam eine neue Regierungschefin und Wunschkandidatin Pekings. Ein Gespräch mit Katharina Wenzel-Teuber, Mitarbeiterin des China-Zentrums in Sankt Augustin und Chefredakteurin der Zeitschrift "China heute" über die Situation der Katholiken in der Metropole und ihr Verhältnis zu China.
Frage: Frau Wenzel-Teuber, die jüngst gewählte Regierungschefin Hongkongs, Carrie Lam, hat eine Art Religionsbüro oder -behörde angekündigt. Wie haben die Katholiken der Diözese darauf reagiert?
Katharina Wenzel-Teuber: Hongkongs neue Regierungschefin, die am 1. Juli eingeführt wurde, ist auch praktizierende Katholikin. Allerdings war sie auch die Wunschkandidatin der chinesischen Regierung und hat in ihrem Wahlprogramm eine Behörde für religiöse Angelegenheiten vorgeschlagen, wie es sie auch in Festlandchina gibt – als Oberaufsicht über die Religionen. Daraufhin hat die Diözese Hongkong mit einem offenen Brief protestiert, woraufhin Carrie Lam den Vorschlag im Wahlkampf zurückgezogen hat. Das ist jetzt also vorerst vom Tisch. Ansonsten werden die Prognosen der Zusammenarbeit zwischen der Diözese und der neuen Regierungschefin als gut angesehen. Es heißt auch, dass der neue Bischof Yeung sie ganz gut kenne.
Frage: Hongkongs neuer Bischof hat angekündigt, Brücken bauen zu wollen zu Festlandchina. Wie steht es um das Verhältnis von Hongkongs Kirche und der chinesischen Regierung?
Wenzel-Teuber: Das Verhältnis zwischen der Regierung in Peking und der katholischen Kirche Hongkongs ist sicherlich schwieriger. Denn Teile der katholischen Kirche in Hongkong haben auch immer explizit Demonstrationen für mehr Demokratie oder das Gedenken an den 4. Juni 1989, das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens, unterstützt. Einige Katholiken haben sich auch sehr deutlich zu Menschenrechten in Festlandchina geäußert. Zum Beispiel hat es für den kürzlich verstorbenen Dissidenten und Nobelpreisträger Liu Xiaobo ein Requiem in einer katholischen Kirche gegeben – geleitet vom früheren Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen.
Es gibt aber auch Gruppen in der Diözese Hongkong, die stärker auf Dialog setzen und es gab auch immer kirchliche Verbindungen zum Festland – nicht zuletzt durch Caritas Hongkong, die auch immer Projekte der Kirche auf dem Festland unterstützt hat. Und da kommt der neue Bischof Yeung ins Spiel: Er war ja sehr lange Vorsitzender der Caritas Hongkong und hat sicherlich – wie schon seine beiden Vorgänger – eine sehr gute Kenntnis über die Situation auf dem Festland Chinas.
Frage: Bischof Yeung war bislang ja Koadjutor von Kardinal John Tong, der Anfang des Monats seinen Ruhestand antrat. Tong unterstützte ebenfalls den Dialog mit Festlandchina – besonders die Verhandlungen um die Bischofsernennungen. Da sprach er zuletzt noch von einer vorläufigen Einigung. Wie ist in diesen Verhandlungen der Stand der Dinge?
Wenzel-Teuber: Ende Juni gab es wohl eine neue Verhandlungsrunde in Rom und diese soll Medienberichten zufolge weniger glatt gelaufen sein. Die Verhandlungen fielen in eine Zeit des medialen Schlagabtauschs zwischen China und dem Vatikan. Hintergrund war das Verschwinden des Untergrundbischofs Shao Zhumin von Wenzhou. Vatikansprecher Burke brachte die Sorge des Heiligen Stuhls um den verschleppten Untergrundbischof zum Ausdruck, woraufhin der Sprecher des chinesischen Außenministeriums betonte, China verbitte sich jegliche Einmischung anderer Staaten in innere Angelegenheiten. Daraus lässt sich schließen, dass es wohl keine großen Fortschritte in der Verhandlungsrunde gegeben hat. Aber öffentliche Äußerungen von den beiden Verhandlungspartnern gibt es dazu nicht.
Manche Beobachter bestätigen aber zum Teil das, was Kardinal John Tong sagte, dass man in der Frage der künftigen Bischofsernennungen einer Einigung nahe sei. Allerdings sei dadurch noch nicht geklärt, wie mit bereits bestehenden Bischöfen umgegangen werde – also mit den sieben Bischöfen der offiziellen Bischofskonferenz Chinas, die wiederum von Rom nicht anerkannt sind, und den 30 bis 40 Untergrundbischöfen. Einer davon ist der verschwundene Bischof Shao. Da sind noch viele Fragen zu klären.
Frage: Die Kirche Chinas ist grob in zwei Gruppen geteilt: Die offiziell anerkannte Patriotische Vereinigung und die Untergrundkirche. Zu welcher der beiden Gruppen tendieren die Katholiken Hongkongs?
Wenzel-Teuber: Ich denke, die Katholiken in Hongkong sehen die Kirche in China als Einheit, wie es auch der Papst tut. Auch wenn diese Spaltungen in verschiedene Gruppen bestehen, haben die Katholiken Hongkongs meines Wissens Kontakte zu beiden Seiten in Festlandchina. Zwar ist die Möglichkeit der Begegnung nicht so einfach – Kardinal Zen durfte (mit einer Ausnahme) nicht mehr nach China reisen, Kardinal Tong ist dann auch kaum mehr nach China gereist. Und für chinesische Bischöfe ist es schwer, ins Ausland oder auch nach Hongkong zu reisen. Aber es kommen ja immer wieder Priester und Laien vom Festland nach Hongkong. Und die treffen dann natürlich auch kirchliche Stellen dort, sowohl Vertreter der Diözese als auch des Vatikans, denn der Vertreter des Vatikans für Festlandchina sitzt ja auch in Hongkong.
Frage: Das könnte doch Hongkong auch zu einem wichtigen Vermittler in den Vatikanverhandlungen mit China machen ...
Wenzel-Teuber: ... da wissen wir natürlich zu wenig über die Verhandlungen. Aber ich glaube nicht, dass die Kirche in Hongkong direkt an den Verhandlungen beteiligt ist. Man könnte sich vorstellen, dass dort bestimmte Meinungen eingeholt werden, aber die Verhandlungen werden von vatikanischen Stellen, also Staatssekretariat und Kongregation für die Evangelisierung der Völker mit den Stellen der chinesischen Regierung geleitet. Man weiß nicht, wie intensiv die Ortskirchen da mit einbezogen werden. Vielleicht ist die Rolle Hongkongs dahingehend eher beratend.
Frage: Wie ist insgesamt die Situation der Katholiken Hongkongs in Bezug auf Taufen und Priesternachwuchs?
Wenzel-Teuber: Hongkong ist auf jeden Fall eine Diözese mit sehr engagierten Laien. Es gibt viele, die sich nach der Arbeit noch intensiv für die Gemeinde einsetzen, etwa als Katecheten für die Taufbewerber. Manche lassen sich sogar frühpensionieren, um mehr für die Gemeinde tun zu können. Das finde ich schon sehr beeindruckend. Und jedes Jahr an Ostern gibt es etwa 3.000 Erwachsenentaufen, das ist eine enorme Menge – ich wüsste nicht, welche Diözese in Europa eine solche Menge an Taufen aufweisen kann. Ein Problem ist hingegen, dass es wenige Priesterberufungen gibt und für die wachsende Zahl der Katholiken damit wenige Seelsorger gibt. Im Gegensatz zu Festlandchina hat man hier aber das Ständige Diakonat eingeführt, sodass es da etwas Entlastung gibt. Auch arbeiten viele ausländische Ordensleute in Hongkong. Aber insgesamt bräuchte man mehr Seelsorger.
Frage: Wie erklären Sie sich die vielen Neutaufen?
Wenzel-Teuber: Ich denke, es hängt damit zusammen, dass es engagierte Laien und Gemeinden gibt. In Vorbereitung auf die Rückgabe Hongkongs an China gab es ja viele Befürchtungen auch in Bezug auf die künftige Religionsfreiheit. In der Diözese Hongkong hat man überlegt, wie man sich vorbereiten könnte und hat dann beschlossen, mehr auf Basisgemeinden zu setzen und Laien zu stärken. Ich könnte mir vorstellen, dass die heutige Situation auch auf diese Bemühungen zurückgeht.
Frage: Der Auftrag des Papstes an die Diözese Hongkong ist es ja, als Brückenkirche zu Festlandchina zu fungieren. Wie optimistisch sind Sie denn, dass Hongkong auch in Zukunft eine Brücke sein kann?
Wenzel-Teuber: Ich weiß nicht, ob Hongkong unmittelbar für die Verhandlungen zwischen Vatikan und China eine große Rolle spielen wird, aber ich denke, es spielt nach wie vor eine große Rolle für die lebendigen Kontakte auf verschiedenen Ebenen zur Kirche in China. Da gibt es viele Beziehungen auf Gemeindeebene, Theologen oder was die Arbeit der Caritas angeht. Das wird nach wie vor wichtig bleiben.