Veranstalter ziehen positives Fazit des Christentreffens in Dortmund

Kirchentag beendet: "Den Spaltern und Hetzern entgegenstellen"

Veröffentlicht am 23.06.2019 um 11:30 Uhr – Lesedauer: 

Dortmund ‐ Der 37. Evangelische Kirchentag in Dortmund ist beendet. Die Veranstalter ziehen eine positive Bilanz - und rufen die Zehntausenden Teilnehmer der Abschlussgottesdienste zur Zivilcourage auf: "Nur zusammen und mit Gottvertrauen können wir eintreten für Menschenwürde."

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Zehntausende Menschen haben den Abschluss des 37. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Dortmund gefeiert. Sie kamen am Sonntagvormittag bei strahlendem Sonnenschein zu zwei großen Gottesdiensten im Fußballstadion von Borussia Dortmund und im Westfalenpark zusammen. Der Präsident des Kirchentages, Hans Leyendecker, rief die Teilnehmer zu Zivilcourage auf. "Wir müssen handeln! Haltung zeigen!" Es gehe darum, sich "den Spaltern und Hetzern in unserer Gesellschaft entgegenzustellen".

"Nur zusammen und mit Gottvertrauen können wir eintreten für Menschenwürde", fügte der Journalist hinzu. Pilatus habe sich vor der Hinrichtung Jesu die Hände in Unschuld gewaschen. "Europäische Politikerinnen und Politiker waschen sie in dem Wasser, in dem Flüchtlinge ertrinken." Es gebe aber auch viele gute Beispiele für ziviles Engagement. Es gebe viele Menschen, die sich "kümmern, umeinander, füreinander. Die einstehen für mehr Gemeinschaft". Diese zeigten, dass man keine Angst haben müsse. Man dürfe den öffentlichen Raum nicht Leuten überlassen, die das Gemeinwesen zerstören wollen.

"Gottes geliebte Gurkentruppe"

Predigerin war Pastorin Sandra Bils aus Hannover. Die Volkskirche bröckele, sagte sie. Dennoch werde "Gottes geliebte Gurkentruppe" mehr denn je gebraucht. Die Kirche gehöre zu Jesus, "der sich mit Prostituierten, Steuerbetrügern und Aussätzigen umgab". Lebenretten sei "kein Verbrechen, sondern Christenpflicht. Man lässt keine Menschen ertrinken! Punkt!", sagte sie unter großem Applaus. Dem Kirchentag gehe es auch "nicht nur um den Sonntag, sondern auch um den Freitag: Friday for Future."

Der Kirchentag stand unter dem Motto "Was für ein Vertrauen". Die Veranstalter zogen insgesamt eine positive Bilanz des seit Mittwoch andauernden Christentreffens. Die 2.400 Einzelveranstaltungen wurden demnach von 80.000 Dauerteilnehmern sowie weiteren 41.000 Tagesteilnehmern besucht. Leyendecker hob hervor, es sei ein politischer Kirchentag gewesen, der das Engagement für die Weltgemeinschaft betont habe. Es sei klar geworden, dass der Kampf gegen den Klimawandel keinen Aufschub mehr dulde. Zugleich sei es ein großes Glaubensfest mit mehr als 600 geistlichen Veranstaltungen geworden.

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Am Samstag hatten die Themen internationale Zusammenarbeit, Frieden und gesellschaftlicher Zusammenhalt im Mittelpunkt der politischen Veranstaltungen des Kirchentags gestanden. Zu den Höhepunkten zählte ein Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor rund 10.000 Besuchern in der Westfalenhalle. Sie betonte, "dass kein Land alleine die globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen kann". Zugleich bedauerte sie, dass derzeit das Vertrauen in internationale Beziehungen, Verträge und Organisationen infrage gestellt werde. Merkel und Liberias Ex-Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf sprachen über das Thema "Vertrauen als Grundlage internationaler Politik?". Die Friedensnobelpreisträgerin von 2011 bezeichnete die Kanzlerin als "Vorreiterin für multilaterale Zusammenarbeit".

Solidaritätsbekundung für im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge

Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff würdigte die Rolle der Religionen für den Zusammenhalt der Gesellschaft. "Die Gesellschaft der Zukunft muss eine des Miteinanders und der Vielfalt sein", sagte er bei einer Podiumsdiskussion zur Frage "Nicht nur der Islam gehört zu Deutschland - Wie viel Religion verträgt unsere Gesellschaft?" Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bekräftigte seine Abgrenzung von rechtspopulistischen Positionen der AfD. "Konservativ sein bedeutet für mich, das Gute und Traditionelle zu bewahren", so Söder. Es gehe auch darum, "eine vernünftige Politik mit Maß und Mitte" voranzubringen.

Bei einer Solidaritätsbekundung für im Mittelmeer ertrunkenen Bootsflüchtlinge sagte die Präses der gastgebenden westfälischen Landeskirche, Annette Kuschus: "Über 18.000 Personen sind in den zurückliegenden fünf Jahren zwischen Afrika und Europa bei ihrer Flucht ums Leben gekommen." 500 Tote seien es bereits in diesem Jahr. "Das ist ein Skandal." Sie sprach von einer gescheiterten Flüchtlingspolitik, "die eine Schande für Europa ist". Die Unterstützerverbände hätten deshalb die auch von den Kirchen mitgetragene Aktion "Jeder Mensch hat einen Namen" ins Leben gerufen. Dabei schrieben die Besucher der Protestantentreffens zwei Tage lang die Namen der bekannten Ertrunkenen auf riesige orangefarbene Transparente.

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Der Migrationsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Rekowski, sagte, das fortgesetzte Sterben auf hoher See "macht uns Christen sprachlos". Er hoffe, dass von der Unterstützungsaktion auf dem Kirchentag für die Seenotrettung "ein klarer Akzent ausgeht, dass jeder Tote einer zu viel ist", erklärte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Auf den Transparenten blieben auch viele Leerstellen für jene Opfer, deren Schicksale namenlos geblieben sind.

Für Diskussionen im Vorfeld hatte vor allem die Nicht-Einladung der AfD zum Kirchentag geführt. Deren religionspolitischer Sprecher Volker Münz hatte gesagt, dass der Kirchentag der "gebetsmühlenartig" Offenheit fordere, sich dann aber selbst dem Dialog verweigere. Kuschus dagegen verteidigte am Samstag noch einmal die Entscheidung, keine AfD-Vertreter einzuladen. "Auf dem Kirchentag ist kein Platz für rechte Parolen, für die Diffamierung von Menschen und für menschenverachtende Hetze". Dortmund sei "zu einem Statement für Respekt und Toleranz, für Integration und Verständigung geworden". (bod/epd/KNA)