Nach Schuldspruch gegen Pell: Vatikan will auf Berufung warten

Nach dem Schuldspruch gegen den australischen Kardinal George Pell wegen sexuellen Missbrauchs hat der Vatikan auf sofortige Konsequenzen verzichtet und will stattdessen auf ein Urteil im Berufungsverfahren warten. Auch wenn der Vatikan das australische Gericht achte, habe Pell "das Recht, sich bis in die letzte Instanz zu verteidigen", erklärte der kommissarische Vatikan-Sprecher Alessandro Gisotti am Dienstag in Rom und erinnerte daran, dass Pell seine Unschuld beteuert habe. Gisotti sprach dennoch von einer "schmerzhaften Nachricht".
Gleichzeitig betonte der Vatikan-Sprecher, dass dem australischen Kardinal auf Anweisung des Papstes "die öffentliche Ausübung des Priesteramtes und der Kontakt zu Minderjährigen verboten" ist. Diese "Vorsichtsmaßnahme" gelte, "bis die Fakten definitiv geklärt sind", so Gisotti. Ohne dem abschließenden Urteil vorgreifen zu wollen, bete man "zusammen mit den australischen Bischöfen für alle Opfer von Missbrauch".
Pell war von einem Gericht in Melbourne für schuldig befunden worden, sich in den 1990er Jahren an zwei 13-jährigen Jungen vergangen zu haben. Damals war er Erzbischof der australischen Metropole. Die Höhe der Strafe muss noch festgelegt werden. Dem 77-Jährigen drohen insgesamt bis zu 50 Jahre Haft. Über seine Anwälte wies er am Dienstag nochmals alle Vorwürfe zurück.
Entscheidung des Gerichts bereits im Dezember
Die Entscheidung des Gerichts gegen den Kurienkardinal erging bereits im Dezember, wurde bislang aber unter Verschluss gehalten. Wegen einer Anordnung des Gerichts durfte darüber nicht berichtet werden. Am Dienstag hob die Justiz diese Nachrichtensperre auf. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft darauf verzichtet, in einem weiteren Prozess andere Vorwürfe zu verfolgen, die noch weiter zurückliegen.
Pell war seit 2014 vatikanischer Finanzchef, war aber wegen der Missbrauchsvorwürfe seit Sommer 2017 freigestellt. Seine Amtszeit endete am 24. Februar. Gisotti äußerte sich dazu am Dienstag nicht.
Damit ist Pell der höchstrangige Geistliche in der Geschichte der katholischen Kirche, der jemals wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden ist. Pell gehörte als Mitglied des Kardinalrats zu den engsten Beratern von Papst Franziskus. Aus diesem Gremium war er allerdings schon im Dezember ausgeschieden – "aus Altersgründen", wie der Vatikan damals erklärte. Missbrauchsopfer kritisieren seit langem, dass der Vatikan und der Papst so lange an Pell festgehalten haben. (mal/bod/dpa)