Neuzelle: Von der Idee zum Kloster
Diese Geschichte beginnt im Frühjahr 2014 in Heiligenkreuz. Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt weilt zu dieser Zeit in der österreichischen Zisterzienserabtei, um Abt Maximilian Heim von einer Idee zu überzeugen. Der Idee, das vor fast 200 Jahren geschlossene Kloster im brandenburgischen Neuzelle mit Mönchen aus Heiligenkreuz neu zu gründen. Immerhin verzeichnet die österreichische Abtei seit einigen Jahren einen deutlichen Zuwachs an neuen Mönchen; die Gründung eines Tochterklosters scheint also nicht abwegig zu sein. Doch Abt Heim lehnt das Ansinnen seines ostdeutschen Gastes trotzdem ab.
Diese Geschichte könnte damit schon wieder zu Ende sein – hätte Ipolt nicht eineinhalb Jahre später einen neuen Versuch unternommen, für seine Idee einer Klosterneugründung an der deutsch-polnischen Grenze zu werben. Ende Juli 2015 erneuert der Görlitzer Oberhirte in Heiligenkreuz seine Anfrage nach einer Wiederbesiedelung von Neuzelle – und diesmal sagt Abt Heim zumindest eine Prüfung der Idee zu.
Hartnäckiges Werben des Görlitzer Bischofs
Das hartnäckige Werben des Görlitzer Bischofs – es steht am Anfang einer Geschichte, die in wenigen Tagen ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen wird. Am 2. September, rund viereinhalb Jahre nach den ersten Gesprächen in Heiligenkreuz, werden sechs Mönche aus Österreich im Rahmen der Görlitzer Bistumswallfahrt das Zisterzienserkloster in Neuzelle offiziell wiedergründen, als Tochterkloster (Priorat) der Heiligenkreuzer Mutter.
In Zeiten, in denen viele Klöster in Deutschland ihre Pforten wegen gravierender Nachwuchsprobleme für immer schließen müssen, ist Neuzelle damit ein positiver Kontrapunkt. Dass es tatsächlich so weit kam, war zunächst aber kaum abzusehen.
Nachdem Abt Heim 2015 die Prüfung von Ipolts Idee zugesagt hatte, kommt es Ende März 2016 in Heiligenkreuz zu einem weiteren Treffen. Dabei besprechen Ipolt, der Görlitzer Generalvikar Alfred Hoffmann und Pastoralamtsleiter Markus Kurzweil mit den Verantwortlichen der Abtei das weitere Vorgehen auf dem Weg zu einer möglichen Neugründung. Dabei wird zum einen vereinbart, einige Heiligenkreuzer Mönche für den Sommer 2016 zu einem "Probekonvent" nach Neuzelle einzuladen. Außerdem beschließen die Gesprächspartner, das Kapitel von Heiligenkreuz – die Versammlung aller Mönche der Gemeinschaft – wenige Monate später über die Frage der Wiederbesiedelung von Neuzelle abstimmen zu lassen.
Zwei Wochen "Probekonvent" in Neuzelle
Wenige Wochen später, im Juli 2016, kommen vier Mönche aus Heiligenkreuz nach Neuzelle – und die Idee der Wiederbesiedelung wird erstmals öffentlich bekannt. Als Gäste des Neuzeller Pfarrers Ansgar Florian machen sich die Zisterzienser zwei Wochen lang mit der Klosteranlage und der örtlichen Bevölkerung vertraut. Bei Gesprächen mit Vertretern des Bistums Görlitz, der staatlichen Stiftung Stift Neuzelle, der die Klosteranlage gehört, und der örtlichen Gemeinde loten die Ordensleute Perspektiven aus. Trotz noch vieler ungeklärter Fragen: Nach 14 Tagen bleibt bei den Mönchen ein klar positiver Eindruck von Neuzelle.
Themenseite: Neugründung von Kloster Neuzelle
Seit August 2017 leben nach 200 Jahren Unterbrechung wieder Mönche in Neuzelle. Im September wird das Kloster neu gegründet. Die Themenseite fasst die bisherige Berichterstattung zu Neuzelle zusammen.Sicher auch aufgrund dieser Erfahrung stimmt wenige Monate später, am 10. November 2016, das Kapitel des Stifts Heiligenkreuz nach ausführlicher Debatte mit großer Mehrheit dafür, die Einladung von Bischof Ipolt anzunehmen und eine Wiederbesiedelung von Kloster Neuzelle zu prüfen. Damit ist eine der wichtigsten Hürden auf dem Weg zu einem Neuanfang in Neuzelle übersprungen.
Wo können die Mönche auf Dauer wohnen?
Fast gleichzeitig baut sich jedoch eine neue Hürde auf. Da das gesamte Klostergelände in Neuzelle seit der Auflösung des Klosters im Jahr 1817 im Besitz des Staates ist, kann die Kirche nicht über die Gebäude auf dem Gelände verfügen. Unter anderem stellt sich Ende 2016 die Frage, wo die Mönche – sollten sie tatsächlich wieder dauerhaft in Neuzelle heimisch – wohnen könnten. Die Suche nach einer Lösung gestaltet sich in den folgenden Monaten als schwierig; lange Zeit ist die ungeklärte Wohnfrage die größte Gefahr für den Neustart des Klosters.
Trotzdem ist der Weg zur Neugründung spätestens seit dem positiven Votum des Heiligenkreuzer Kapitels insgesamt auf einem guten Weg. In den folgenden Monaten werden zahlreiche weitere Gespräche geführt, außerdem konstituiert sich ein "Verein der Freunde und Förderer des Zisterzienserklosters Neuzelle e. V.". Am 7. Juni 2017 ist schließlich klar: Die Mönche kommen tatsächlich – zunächst aber nur auf Probe und mit dem Auftrag, eine dauerhafte Wiederbesiedelung des Neuzeller Klosters ein Jahr lang unter realistischen Alltagsbedingungen zu prüfen.
Unter vollem Geläut erreichen die ersten vier Mönche am 27. August 2017 Neuzelle. Dort werden sie von Bischof Ipolt, dem Neuzeller Bürgermeister und rund 150 Gläubigen vor dem katholischen Pfarrhaus, in dem sie zunächst übergangsweise wohnen werden, empfangen. Bei der gemeinsam gebeteten Vesper in der Stiftskirche betont Ipolt, dass die Mönche dazu da sind, die Menschen an Gott zu erinnern. Bei der Görlitzer Bistumswallfahrt wenige Tage später, an der rund 1.600 Pilger teilnehmen, sind die Mönche die Stars und werden von den Gläubigen mit viel Applaus bedacht.
Aus der Idee des Bischofs ist Wirklichkeit geworden
Und auch in der Frage der Unterkunft der Mönche gibt es schließlich Bewegung. Das liegt vor allem an Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD), die sich auf politischer Ebene für eine Lösung im Sinne der Mönche starkmacht. Anfang Januar dieses Jahres gibt sie beim Neujahrsempfang des Bistums Görlitz bekannt, dass die Stiftung den Mönchen das Kanzleigebäude für die Klosteransiedelung zur Verfügung stellen will. Damit wird den Zisterziensern ein Gebäude zur Verfügung gestellt, das genug Platz und Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft bietet.
Der Gründung des Priorats steht nach dieser Entscheidung nichts mehr im Weg. Am 24. April geben das Bistum Görlitz und das Stift Heiligenkreuz schließlich gemeinsam bekannt, dass das Priorat Neuzelle am 2. September – wiederum bei der Bistumswallfahrt – mit zunächst sechs Mönchen kanonisch errichtet wird. Aus der Idee von Bischof Ipolt ist tatsächlich Wirklichkeit geworden.