Notre-Dame – Wiederaufbau mit Hindernissen
Im Herzen von Paris machen Händler und Cafebesitzer lange Gesichter. Einen Monat, nachdem die Kathedrale Notre-Dame in Flammen aufging, sind die Besucherzahlen auf der Ile da la Cite teilweise um 80 Prozent eingebrochen, wie die Zeitung "La Croix" berichtet. Das Gelände rund um die Kathedrale erinnert eher an eine Großbaustelle, denn an eine der bekanntesten touristischen Attraktionen in der Hauptstadt Frankreichs. Ihre Versicherungen, so klagen die Gewerbetreibenden, nutzten ihnen wenig: Die Behörden hätten das Viertel offiziell nicht zum Notstandsgebiet erklärt.
Nur eine kleine Geschichte - die aber illustriert, wie es um das große Ganze steht. In fünf Jahren soll der Wiederaufbau des weltberühmten Gotteshauses abgeschlossen sein. So hatte es der französische Präsident unmittelbar nach dem Brand verkündet, der in der Nacht vom 15. auf den 16. April die Menschen in Atem hielt. Inzwischen scheint die Fraktion derer Recht zu erhalten, die vor falschem Ehrgeiz warnen. Immer noch laufen Sicherungsarbeiten und Bestandsaufnahmen - und das werde voraussichtlich noch "mehrere Wochen" dauern, sagte Kulturminister Franck Riester.
Erzbischof Aupetit tritt auf Bremse
Auf die Bremse tritt auch der Erzbischof von Paris, Michel Aupetit. Noch lasse sich das erforderliche Budget für den Wiederaufbau nicht seriös abschätzen. Hinzu komme, dass von den in Aussicht gestellten Spenden erst eine geringe Summe tatsächlich geflossen sei. Als Grund verwies der Erzbischof auf laufende Debatten über die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Spenden getätigt werden können. Mehr Klarheit soll ein Gesetz schaffen, dass die Nationalversammlung am vergangenen Wochenende verabschiedete.
Laut offiziellen Angaben wurden bislang rund 850 Millionen Euro Spenden zugesagt. Wie "La Croix" berichtete, sind davon circa 38 Millionen Euro bei den vier vom Staat damit betrauten Organisationen eingegangen. Diese vier Organisationen sind die drei Stiftungen Fondation du Patrimoine, Fondation de France, Fondation Notre-Dame und das dem Kulturministerium unterstehende Centre des monuments nationaux. Kompetenzgerangel scheint da fast schon vorprogrammiert - die Fondation Notre Dame will Mitte Juni bekanntgeben, wie sie die bei ihr eingegangenen Gelder einsetzen will.
Unterdessen untersuchen die Experten vor allem die vom Feuer besonders in Mitleidenschaft gezogenen Teile des Gewölbes. Allein rund 60 Spezialisten arbeiten unter Ägide der Vereinigung der leitenden Architekten für die historisch und kulturell besonders bedeutsamen Bauwerke (Compagnie des Architectes en Chef des Monuments Historiques; ACMH), darunter vier Chefarchitekten, wie die ACMH-Vorsitzende Charlotte Hubert erläuterte.
Domdekan Patrick Chauvet spricht von insgesamt derzeit 150 Arbeitern auf der Baustelle, deren Zahl nach und nach auf 500 steigen werde. Seine Erfahrungen und Erlebnisse in Notre-Dame bringt der Geistliche in der kommenden Woche in Form eines Buches auf den Markt. Die letzten Zeilen waren gerade geschrieben, als das Feuer ausbrach, Jetzt, so sagt er, fühle er sich wie enteignet. Aber: "Die Kathedrale steht immer noch aufrecht da!"
"Nichts ist unmöglich für einen französischen General"
Zeitweilig abgetaucht zu sein schien dagegen Jean-Louis Georgelin. Macron hatte den Ex-General zu seinem "Monsieur Wiederaufbau" gemacht. Der revanchierte sich mit markigen Parolen. Er habe nicht vor, seine Zeit mit kunsthistorischen Symposien zu verlieren. Jetzt sorgte der resolute 70-Jährige laut Medienberichten für Irritationen bei Kulturminister Riester, weil er unabgesprochen ein Fernsehteam des US-amerikanischen Senders ABC News in das Innere von Notre-Dame führte.
"Nothing is impossible for a French General" ("Nichts ist unmöglich für einen französischen General"), kommentierte Georgelin vor laufenden Kameras die Aktion. Selbstbewusstsein ist offenbar vorhanden. Aber nicht nur die Souvenirhändler auf der Ile de la Cite werden aufmerksam beobachten, welche konkreten Fortschritte die Arbeiten an der "berühmtesten Kathedrale der Welt" in der kommenden Zeit machen.