Oberin: Ordensfrauen bei Missbrauch durch Kleriker teils mitschuldig
Die Generalsekretärin der polnischen Ordensoberinnenkonferenz, Mutter Jolanta Olech, hat in einem Interview über den sexuellen Missbrauch von Ordensfrauen durch Kleriker den Frauen eine Mitschuld gegeben. "Man muss auch sagen, dass die Schuld nicht immer nur auf einer Seite liegt. Es geht um gegenseitige Beziehungen", sagte sie am Donnerstag der katholischen Nachrichtenagentur KAI. "Es kommt vor, dass das Verhalten einiger Ordensfrauen, die weibliche Koketterie – obwohl nicht immer bewusst – Versuchungen erzeugt, eine Reaktion des anderen Geschlechts hervorruft."
Die Ursulinen-Schwester bestätigte, dass es das Problem des sexuellen Missbrauchs von Ordensfrauen durch Priester "bereits sehr lange" auch in Polen gebe. Sie danke dem Papst dafür, dass er das Thema jüngst ansprach. Es seien sehr schmerzhafte Fälle, sagte Olech. Es seien zwar keine Daten erhoben worden, aber sie habe in zwölf Jahren als Generaloberin mit einigen Vorfällen zu tun gehabt. Diese seien zwar den Vorgesetzten der Priester und Ordensmänner gemeldet worden, sie wisse jedoch nicht, mit welchem Ergebnis. Die Fälle seien nie öffentlich gemacht worden.
Olech berichtete über eine junge Ordensfrau, die schwanger wurde und den Orden verlassen musste. "Der Vater des Kindes ist jedoch immer noch Priester und hat sicherlich keine ernsthaften Konsequenzen für sein Verhalten erlebt", so die Ursulinen-Schwester, die von 1995 bis 2007 Generaloberin des Ordens war.
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Papst Franziskus hat eingeräumt, dass es sexuellen Missbrauch von Ordensfrauen durch Priester und Bischöfe gibt. Bei der Pressekonferenz auf dem Rückflug aus Abu Dhabi äußerte er sich weiter auch zum Dialog mit dem Islam und zur Krise in Venezuela. (Artikel vom 5. Februar 2019)Ihrer Meinung nach könnte das Problem des sexuellen Missbrauchs der Schwestern durch Kleriker damit zusammenhängen, dass Ordensfrauen relativ leicht benutzt werden könnten. "Wo sollte die Arme denn hingehen? Sie schämte sich meistens und wandte sich erst als letzten Ausweg an ihre Vorgesetzte, als die Situation bereits dramatisch war", sagte die Generalsekretärin.
Sie und auch die Generation von Ordensfrauen nach ihr seien keine Frauen, die sich an Aktionen wie #MeToo beteiligen würden. "Es waren so schmerzhafte Erfahrungen und es gab keine große Hoffnung, dass das Opfer außerhalb der eigenen Gemeinschaft Hilfe erhalten würde." Heute seien die Zeiten anders und vielleicht werde eine neue Generation von Ordensfrauen diese Angelegenheit anders angehen.
Das Problem des Missbrauchs habe sicherlich einen breiteren Hintergrund und sei mit einer generellen Haltung gegenüber Frauen in der Gesellschaft sowie mit dem Ausmaß von Belästigung in Polen verbunden. Auch kirchliche Umgebungen gehörten zur Gesellschaft und würden von ihr geprägt. Priester, Mönche, Nonnen seien "Kinder unserer Zeit".
In Polen gibt es derzeit nach Angaben des "Catholic News Service" 17.000 Ordensfrauen in 105 Gemeinschaften. Die Zahl der Frauen, die neu in einen Orden eintreten, sank allerdings von 566 im Jahr 2000 auf 177 im Jahr 2017. (luk)