Metropolit Epiphanius zum ersten Oberhaupt gewählt

"Ohne Putin": Ukraine gründet neue orthodoxe Kirche

Veröffentlicht am 15.12.2018 um 18:01 Uhr – Lesedauer: 

Rund 100 orthodoxe Christen waren an diesem Samstag in Kiew zusammengekommen, um eine eigenständige ukrainische Kirche zu gründen. Ein denkwürdiges Treffen, bei dem auch Staatspräsident Poroschenko denkwürdige Worte sprach.

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Die Ukraine will sich mit der Gründung einer eigenen orthodoxen Landeskirche nun auch im religiösen Bereich stärker von Russland abgrenzen. In der Kiewer Sophienkathedrale versammelten sich am Samstag mehr als 100 Bischöfe, Priester und Laien zu einem Konzil, um die Kirchenverfassung zu beschließen und das Oberhaupt der neuen Kirchen zu wählen. Als Gast nahm auch Staatspräsident Petro Poroschenko teil.

In einer Ansprache vor dem Konzil betonte er, die kirchliche Unabhängigkeit sei wichtig für die "nationale Sicherheit". "Wir durchschneiden die Ketten, die uns an das Reich banden", sagte Poroschenko nach Angaben der Präsidentenkanzlei mit Blick auf Russland. Am Abend sagte er vor Tausenden Menschen vor der Sophienkathedrale: "Die (neue) vereinte und unabhängige ukrainisch-orthodoxe Kirche ist eine Kirche ohne Putin, eine Kirche ohne (den Moskauer Patriarchen) Kyrill." In der Vergangenheit hatte Poroschenko der mit Moskau verbundenen ukrainisch-orthodoxen Kirche Gebete für Kreml-Chef Wladimir Putin und russische Soldaten vorgeworfen, die Ukrainer töteten.

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Der Streit über die Zukunft der orthodoxen Kirche in der Ukraine kocht nach wie vor. Nun droht die nächste Eskalationsstufe: Der Patriarch von Konstantinopel will die Eigenständigkeit des Kiewer Patriarchats demnächst bestätigen.

Die Gründung der Kirche gilt sowohl als bedeutender Schritt für die Unabhängigkeit des Landes als auch für die Vereinigung der bestehenden drei großen orthodoxen Kirchen in der Ukraine. Bislang unterstehen mehr als 12.000 ukrainische Pfarreien und rund 200 Klöster dem orthodoxen Moskauer Patriarchat. Dessen Hoheit über die Ukraine soll die neue Kirche beenden, wodurch Moskau ein Drittel seiner Pfarreien verlieren würde.

Als Ehrenoberhaupt aller orthodoxen Christen hatte der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., die Bischöfe aller drei bisherigen ukrainischen Kirchen zu dem Konzil eingeladen. Zudem bat er sie, je einen Priester und einen Laien mitzunehmen, die ebenfalls Stimmrecht bekommen sollen. Mit der Leitung der Versammlung beauftragte Bartholomaios I. den Pariser Metropoliten Emmanuel. Neben ihm am Podium nahmen zu seiner Rechten Poroschenko und zu seiner Linken der Kiewer Patriarch Filaret Platz, wie ein von seiner Kirche veröffentlichtes Foto zeigt.

Bild: ©KNA

Soll seine kirchliche Oberhoheit über die Ukraine nach dem Willen der neuen orthodoxen Kirche in dem Land verlieren: Russlands Patriarch Kyrill I.

Journalisten ist der Zutritt zu dem Konzil verwehrt. Überschattet wird die Versammlung vom Fernbleiben fast aller über 90 Bischöfe der ukrainischen Kirche. Nur zwei Bischöfe nehmen laut örtlichen Medienberichten an der Gründungsversammlung teil. Die Kirche des Moskauer Patriarchats hatte ihre Bischöfe zum Boykott des Konzils aufgerufen.

Bisher konkurrierten drei orthodoxe Kirchen in dem 45-Millionen-Einwohner-Land miteinander. Eine untersteht dem Moskauer Patriarchat, die anderen beiden spalteten sich 1921 beziehungsweise 1992 ab. Theologisch sind sie sich einig, nur die Haltung zu Moskau unterscheidet sie fundamental. Laut Umfragen bekennen sich die meisten orthodoxen Ukrainer zur 1992 gegründeten Kirche des Kiewer Patriarchats. Ihre rund 40 Bischöfe sowie etwa ein Dutzend Bischöfe der dritten Kirche nehmen an dem Konzil teil.

Moskauer Patriarchat pocht auf kirchliche Oberhoheit

Als Favorit bei der Wahl des Kirchenoberhaupts galt der zum Kiewer Patriarchat gehörende Metropolit Epiphanius. Tatsächlich wurde der 39-Jährige, der als rechte Hand des Kiewer Patriarchen Filaret (89) gilt, am Samstagabend gewählt. Das Kirchenoberhaupt wird im Entwurf des Kirchenstatuts als Metropolit bezeichnet, nicht jedoch als Patriarch. Bartholomaios I. will Epiphanius am 6. Januar in Istanbul die Bulle (Tomos) über die Verleihung der kirchlichen Eigenständigkeit übergeben. Der promovierte Theologe trägt laut Medienberichten nun den Titel "Metropolit von Kiew und der ganzen Ukraine".

Das Moskauer Patriarchat pocht auf seine kirchliche Oberhoheit über die Ukraine. Aus Protest gegen die Gründung der eigenständigen ukrainischen Landeskirche brach es bereits seine Kontakte zum Ökumenischen Patriarchat vom Konstantinopel ab. Zudem verbot die russisch-orthodoxe Kirche ihren Gläubigen die Teilnahme an Gottesdiensten in dessen Kirchen.

Von Oliver Hinz (KNA)