Russland befürchtet orthodoxes Schisma

Orthodoxe Bischöfe planen vereinte ukrainisch-orthodoxe Kirche

Veröffentlicht am 12.10.2018 um 16:59 Uhr – Lesedauer: 

Kiew/Moskau ‐ Für die Ukraine ist es ein denkwürdiges Ereignis: Zwei orthodoxe Kirchen des Landes wollen eine vereinte Kirche gründen. Hilfe erhalten sie dabei vom Konstantinopler Patriarchen Bartholomaios I. Doch Russland will die Gründung verhindern.

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Mit Unterstützung des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel wollen orthodoxe Bischöfe in der Ukraine eine vereinte ukrainisch-orthodoxe Kirche gründen. Das orthodoxe Kiewer Patriarchat bereite ein Vereinigungskonzil von Bischöfen aller bestehenden drei orthodoxen Kirchen vor, teilte ein Patriarchatssprecher am Freitag mit. Die Bischofsversammlung solle das Oberhaupt der neuen autokephalen (eigenständigen) ukrainisch-orthodoxen Landeskirche wählen, das dann von Konstantinopel den "Tomos", die Bulle, über die Verleihung der Autokephalie bekommen solle.

Die mit Moskau verbundene ukrainisch-orthodoxe Kirche lehnt das Vereinigungskonzil ab. Man wolle nicht mit Vertretern des Kiewer Patriarchats, die "verschiedene Verbrechen" begangen hätten, eine gemeinsame Kirche gründen, sagte ein Kirchensprecher der Nachrichtenagentur Interfax.

Kreml setzt auf Politik und Diplomatie

Kremlsprecher Dmitri Peskow kündigte unterdessen an, die russische Regierung werde auf politischem und diplomatischem Wege die Interessen der orthodoxen Christen in der Ukraine verteidigen, "so wie Russland die Interessen der Russen und Russisch sprechenden Menschen überall verteidigt". Moskau sei sehr besorgt über geplante Schritte, "die zum Schisma in der orthodoxen Welt führen können".

Zuvor hatte das Leitungsgremium des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel am Donnerstag die Bildung einer eigenständigen ukrainisch-orthodoxen Landeskirche befürwortet. Zugleich erkannte es zwei vom orthodoxen Moskauer Patriarchat abgespaltene Kirchen in der Ukraine an. Die Konstantinopler Synode hob den von der russisch-orthodoxen Kirche verhängten Kirchenbann gegen den ukrainischen Oberhirten, Patriarch Filaret von Kiew, und den Primas der kleineren, bereits 1920 gegründeten "Ukrainischen autokephalen orthodoxen Kirche", Metropolit Makarij, auf.

Der ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel
Bild: ©KNA

Der ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel ist ein Befürworter der ukrainischen Autokephalie.

Die Entscheidung sorgte für kontroverse Reaktionen. Während der ukrainische Präsident Petro Poroschenko die Ankündigung als "großen Sieg des von Gott geliebten ukrainischen Volkes über die Moskauer Dämonen" begrüßte, verurteilte die russisch-orthodoxe Kirche sie als "Invasion des Patriarchats von Konstantinopel in das kanonische Gebiet der russischen Kirche".

Der Außenamtschef der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion, warf Konstantinopel einen Verstoß gegen das Kirchenrecht vor. Das Leitungsgremium der russisch-orthodoxen Kirche, der Heilige Synod, werde am Montag in der weißrussischen Hauptstadt Minsk über seine Antwort auf die "gesetzeswidrige Handlung" beraten.

Der ukrainische Präsident und das Parlament hatten im April das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, aufgefordert, der orthodoxen Kirche in der Ukraine die Autokephalie zu verleihen. Die russisch-orthodoxe Kirche drohte Konstantinopel daraufhin mit dem Bruch der eucharistischen Gemeinschaft und verhängte Sanktionen.

In der Ukraine ringen seit 1992 zwei orthodoxe Kirchen um die Vormachtstellung: eine des Moskauer und eine des Kiewer Patriarchats. Letzteres Patriarchat gründete sich im Zuge der Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit. Rund 70 Prozent der Bürger in der Ukraine sind orthodoxe Christen. (KNA)