Weihnachtsansprache an Kurie: Sünden von David und Judas aktuell

Papst an Missbrauchstäter: Bekehrt und stellt euch

Veröffentlicht am 21.12.2018 um 12:40 Uhr – Lesedauer: 6 MINUTEN

Vatikanstadt ‐ Auch in diesem Jahr sprach Papst Franziskus vor der Kurie "Betrübnisse" in der Welt und innerhalb der Kirche an. Er nannte in seiner Weihnachtsansprache Machtmissbrauch, sexuelle Gewalt sowie Verrat. Aber es gab auch Lob für die Arbeit der Kurie.

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Papst Franziskus hat erneut jede Form von Missbrauch in Kirche und Gesellschaft verurteilt und seine Entschlossenheit zum Kampf dagegen bekräftigt. "Es muss klar sein, dass die Kirche angesichts solcher Abscheulichkeiten nichts unversucht lässt, jeden, der solche Verbrechen begangen hat, vor Gericht zu bringen", sagte Franziskus am Freitag vor der römischen Kurie. Die Kirche werde niemals versuchen, einen einzigen Fall zu vertuschen oder unterzubewerten, wie es in der Vergangenheit geschehen sei, so der Papst. Der Argentinier legte in seiner diesjährigen traditionellen Weihnachtsansprache einen klaren Schwerpunkt auf das Thema Missbrauch, das das Jahr 2018 überschattet hatte. 

Gleichzeitig kritisierte Franziskus jene, die "den falschen Eindruck erwecken, dass dieses Übel nur die katholische Kirche betrifft". Missbrauch betreffe nicht nur die Kirche, sondern die gesamte Gesellschaft. Wenn in dieses Unheil auch Kleriker involviert sind, so "können wir nur fragen, wie tief es in unseren Gesellschaften und Familien verwurzelt ist", so der Papst weiter. Er dankte allen Journalisten, die jeden einzelnen Fall objektiv berichten und den Opfern eine Stimme geben.

Die Kirche wolle sich nicht allein mit ihrem eigenen Versagen befassen. Das für Ende Februar geplante Gipfeltreffen im Vatikan zum Thema Missbrauch solle mit Hilfe von Experten unter anderem Wege aufzeigen, wie Kinder am besten geschützt werden können und wie die Ausbildung kirchlicher Mitarbeiter verbessert werden kann. Dabei stehe die Kirche vor der "schwierigen Aufgabe, tatsächliche von vermeintlichen Fällen zu unterscheiden, berechtigte Klagen von Verleumdung, Beschwerden von Andeutungen".

Negativbeispiele David und Judas

Der Papst warnte jene, die Minderjährige missbrauchen: "Bekehrt euch, stellt euch der menschlichen Justiz und bereitet euch auf die göttliche Gerechtigkeit vor!" Dann zitierte er den Satz Jesu aus dem Matthäusevangelium "Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er in der Tiefe des Meeres versenkt würde" (Mt 18,6).

Papst Franziskus bei der Weihnachtsansprache 2017 an die Kurie im Vatikan
Bild: ©Stefano Carofei/Vatican Pool/KNA

Jedes Jahr wendet sich Papst Franziskus an seine Mitarbeiter, so wie hier im vergangenen Jahr. Damals hatte er "Verräter" in der Kurie kritisiert.

Franziskus verglich die Sünden der Kirche mit zwei Personen aus der Bibel: König David und Judas, der Jesus ausgeliefert hat. Als David aus Trägheit nicht an einer Schlacht teilnahm, die Frau des Kriegers Urija missbrauchte und diesen dann in den Tod schickte, habe er dreifachen Missbrauch begangen: mehrfachen Machtmissbrauch, sexuelle Gewalt sowie den Missbrauch des Gewissens. Aus kleinen Funken werde schnell ein Netz des Verderbens, sagte der Papst und warnte davor, die eigenen Fehler nicht zu sehen.

Weiter warnte er vor Judassen, sie untreu seien, anderen in den Rücken fielen und immer Rechtfertigungen fänden, um ungestört ihren Weg weiterzugehen. Alle Christen hätten die Pflicht, jede geistliche Korruption zu bekämpfen sowie Unwahrheit, üble Nachrede, Egoismus und viele subtile Formen von Selbstbezogenheit. So könne das Licht Jesu Christi erstrahlen.

Franziskus würdigt Reformerfolge und dankt Priestern

Zum Abschluss der rund halbstündigen Ansprache würdigte Franziskus die bisherigen Erfolge der Kurienreform. Er erwähnte unter anderem mehr Transparenz in Wirtschafts- und Finanzfragen, die Arbeit des vatikanischen Staatsanwalts, ein gutes Ergebnis der Vatikanbank sowie das kürzlich erlassene neue Statut des Staates der Vatikanstadt.

Zu den positiven Ereignissen für die Kirche im ablaufenden Jahr zählte der Papst auch die Jugendsynode im Oktober und die vielen neuen Seligen und Heiligen, unter denen er eigens die 19 algerischen Märtyrer nannte. Eine große Zahl von Taufen trage zu Erneuerung und Verjüngung der Kirche bei.

Ein Gruppenbild der algerischen Ordensleute
Bild: ©KNA

Besonders hob Papst Franziskus die 19 seliggesprochenen algerischen Märtyrer hervor, die während des algerischen Bürgerkriegs zwischen 1994 und 1996 Opfer islamistischen Terrors wurden.

Ausführlich bedankte sich Franziskus bei den vielen Gemeindepriestern weltweit, "die dem Volk Gottes täglich ein gutes Beispiel geben". Er freue sich über die große Zahl derer, die ihre Berufung in Treue, Stille, Heiligkeit und Selbstverleugnung zum Wohle der Armen leben. Sie seien den Menschen nahe und führten "ein Leben von Einfachheit, Glauben, Eifer, Heiligkeit und Nächstenliebe". Von den Medien würden sie übersehen; doch ohne sie "würde Dunkelheit herrschen" in der Kirche.

Auch in der Kurie arbeiteten "viele Heilige" und wirkten Gutes im Verborgenen, so der Papst. In seiner zweiten Weihnachtsansprache 2014 hatte Franziskus von 15 Krankheiten der Kurie gesprochen und im Jahr darauf als Antwort von Tugenden, den "kurialen Antibiotika".

Papst beklagt Abschottungspolitik, Folter und Christenverfolgung

Zu Beginn seiner Ansprache kritisierte Franziskus eine weltweite Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge. Jene, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, ihr Leben riskieren, "finden sich vor verrammelten Türen wieder, vor Brüdern und Schwestern, die mehr um politische Vorteile und Macht besorgt sind", so der Papst. Ebenso beklagte er weltweit fortbestehenden Hunger, Wassermangel, Gewalt gegen Schwache und Frauen. Scharf kritisierte das Kirchenoberhaupt "erklärte und nicht erklärte Kriege", Gewalt und systematischer Folter, in Polizeigewahrsam, Gefängnis und Flüchtlingslagern.

Gleichzeitig sprach der Papst von einer "neuen Ära christlicher Märtyrer". Als "wenn ein neuer Nero geboren wäre", würden Menschen nur deshalb unterdrückt, weil sie an Christus glauben. "Neue extremistische Gruppen entstehen und greifen Kirchen, Andachtsstätten, Seelsorger und Gläubige an", so Franziskus. Um so lobenswerter sei es, dass viele Christen ihren Glauben nicht verleugneten und in diesem Umfeld sogar zu "barmherzigen Samaritern" würden. Das heroische Verhalten von Märtyrern und Samaritern lasse aber nicht das Negative vergessen, wenn kirchliche Amtsträger Missbrauch und Untreue begingen. (luk/KNA)