Ein Pfarrer erzählt: So lief unser Eremiten-Casting
"Zum ersten Mal ist eine Frau da oben." Pfarrer Christoph Rudolph ist zufrieden. Die Klause im Wald oberhalb von Nußdorf am Inn ist seit Mai wieder besetzt. Weil der bisherige Bewohner, der Benediktiner Clemens Wittmann, wieder in sein Heimatkloster Schweiklberg bei Vilshofen zurückgekehrt ist, suchte die oberbayerische Kirchengemeinde einen Nachfolger für die Einsiedelei in Kirchwald. Im Februar wurde die halbe Mesnerstelle für die Kirche Mariä Heimsuchung ausgeschrieben. Gesucht wurde ein geistlicher Mensch, nicht unbedingt ein Priester, aber jemand, der offen für die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils ist. Einen Eigenbrötler wollte der Pfarrer nicht. Schließlich sollte der Eremit auch Ansprechpartner für die Pilger und Wallfahrer sein, die die barocke Kirche neben der Einsiedelei besuchen.
13 Frauen und 7 Männer haben sich beworben. "Wir haben nicht mit so vielen Bewerbungen gerechnet", gibt Pfarrer Rudolph zu. Manche stellten sich das Leben auf der Einsiedelei sehr romantisch vor. Doch so idyllisch sei das Leben dort nicht. Es gebe zwar Strom und Wasser, geheizt werde aber mit Holz, das man selbst hacken muss. Zwar helfe ab und zu ein Bauer oder jemand aus dem Pfarrgemeinderat in der Einsiedelei mit, aber den größten Teil müsse der Eremit selber leisten, erklärt der Pfarrer. Neben einem Wohn- und Schlafzimmer und einer Küche, gibt es in der Klause einen Besucherraum, ein Beichtzimmer sowie eine Toilette und ein Badezimmer. Die Klause hat Internetzugang.
Schauspielerin sollte lieber eine Einsiedelei auf Zeit ausprobieren
Auf die Anzeige in der Zeitung habe sich eine Schauspielerin gemeldet. Sie brauche dringend eine Auszeit und wolle Einsiedlerin werden. "Ihre Stimme am Telefon klang ausgelaugt", erzählt Rudolph. Er habe ihr das Kloster Maria Eck bei Traunstein empfohlen. Dort könne man eine Einsiedelei auf Zeit ausprobieren. Da ist sie bestimmt besser aufgehoben als bei uns, meint der Pfarrer. Er kann verstehen, dass Menschen in dieser hektischen Zeit die Stille suchen. "Aber wir suchen etwas Längerfristiges", betont er. Mindestens fünf Jahre sollte der neue Eremit bleiben, lautete eine der Bedingungen für das Auswahlverfahren.
Auch ein Leutnant von der Bundeswehr habe sich als Eremit beworben. Weil er Bergführer war und schon in Frührente, hätte er sich ein Leben in den Bergen gut vorstellen können. Auch das kirchliche Interesse war bei ihm da, erzählt der Pfarrer. Aber man suche halt jemanden, der hundertprozentig auf die ausgeschriebene Stelle passe, erklärt er weiter. Gemeinsam mit dem Kirchenpfleger der Kirchengemeinde St. Vitus habe er das Auswahlverfahren für die Einsiedelei geleitet.
Jeden Lebenslauf, der per Post eingegangen ist, habe er sich genau angeschaut, erläutert er weiter. Was er darin suchte, war Beständigkeit. Wenn einer immer wieder etwas Neues in seinem Leben angefangen hat oder öfters die Stelle gewechselt hat, habe er gezögert. "Sowas wird meistens nichts", meint Rudolph. Es müsse schon jemand sein, der es ernst meint und nicht bei jeder Schwierigkeit gleich davon läuft. Wenn jemand noch auf der Suche ist, ist er bei uns nicht richtig, so der Pfarrer.
Ehepaare wollten ihre Rente auf der Einsiedelei verbringen
Manchen hat er am Telefon gleich abgesagt. Zum Beispiel meldeten sich zwei ältere Ehepaare, die ihre Rente gerne auf der Einsiedelei verbracht hätten. Die haben so von dem schönen Fleckchen Erde da oben geschwärmt, erzählt der Pfarrer. Wir haben aber jemanden gesucht, der praktisch veranlagt ist und am Boden bleibt.
Auch ein Heilpraktiker war dabei, der eine eigene Praxis im Nachbardorf hat. Ein Leben in der Natur hätte dem bestimmt gefallen, sagt Pfarrer Rudolph. Doch auch ihm habe er gleich abgesagt. Der Heilpraktiker wäre tagsüber nicht in der Klause gewesen, das wäre nicht so gut gewesen. Bei einem anderen Bewerber war er zunächst unsicher, weil es ein bodenständiger Praktiker war. Einen, der anpacken könnte, bräuchte es da oben durchaus. Weil dieser Kandidat schon in der Bergwirtschaft tätig war, hätte er sich auch nebenher um die Klause und die Kirche kümmern können. Das wäre ideal gewesen, auch weil der Bewerber gläubig war. Im Auswahlverfahren hat er es sogar unter die Top 3 geschafft. Aber es hat dann doch das gewisse Etwas gefehlt, gesteht der Pfarrer.
Schließlich war es auch eine Frage des Glaubens, wer da oben einziehen darf und wer nicht. Denn die Spiritualität müsse schon zu der Einsiedelei passen, die seit 300 Jahren bewohnt ist. Es sollte schon der katholischen Lehre entsprechen, was da gelebt wird, erklärt der Pfarrer. Eine Ordenszugehörigkeit hätte es für diese Stelle aber nicht gebraucht, sagt Rudolph, das sei so mit dem Ordensreferenten des Bistums abgesprochen gewesen. Ausgeschrieben war keine Seelsorgestelle für die Einsiedelei, sondern eine halbe Mesnerstelle. Es sei aber gewünscht gewesen, dass der, der die Klause bewohne, auch ein geistliches Leben führe. Zwei Ordensmänner haben sich tatsächlich auf die Ausschreibung hin gemeldet. Weil sie aber nur für zwei Jahre dort oben bleiben wollten, habe das nicht gepasst.
Die neue Einsiedlerin war schon einmal Diözesaneremitin
"Schwester Miriam Bauer hat von Anfang an unseren Vorstellungen am meisten entsprochen", gibt Pfarrer Christoph zu. Sie war auch unter den ersten Bewerbungen dabei. Weil sie schon als Diözesaneremitin in Osnabrück in einem Pfarrhaus alleine gelebt hatte, kam sie in die engere Auswahl. Außerdem brachte sie gute Zeugnisse mit. Sie sei praktisch veranlagt und tief religiös, das hat uns gefallen, erklärt der Pfarrer. Sie könne zwar keine Sakramente spenden, aber das konnte ihr Vorgänger in der Klause auch nicht, weil er Benediktinerbruder war und kein Priester.
Die ehemalige Kapuzinerklarissin ist dankbar, dass sie nun eine Einsiedelei gefunden hat. Beim ersten Treffen mit dem Pfarrer lag so viel Schnee auf der Straße, dass sie die Klause nur schwer mit dem Auto erreichen konnte, erzählt sie. Sie habe sich da aber sofort sehr wohl gefühlt.
Schwester Miriam soll für immer bleiben, wünscht sich der Pfarrer. Sie werde sich schon nicht alleine da oben fühlen. Es gebe in unmittelbarer Nähe zwei Gehöfte, die sich um die Eremitin kümmern werden. So ist es dort oben Tradition. Außerdem habe die Eremitin ein Diensthandy und könne den Pfarrer jederzeit erreichen. Das sei ihm wichtig, weil er sich ein ehrliches Vertrauensverhältnis wünsche.
Die Einsiedelei liegt auf 687 Metern mitten im Wald. Mit dem Auto fährt Schwester Miriam täglich ins Tal, um die Eucharistiefeier zu besuchen oder Einkäufe zu erledigen. Das tägliche Stundengebet in der Einsiedelei und die Betrachtung der Schrift gehören zu ihrem Leben selbstverständlich dazu. "Der Leutnant hätte so ein Leben wohl nicht geführt", schmunzelt der Pfarrer. Es soll ja auch ein richtiger Wallfahrtsor da oben im Wald sein.
In erster Linie sei die Schwester aber Mesnerin, aushilfsweise auch für die Kirchengemeinde St. Vitus unten im Dorf. Besonders in den Sommermonaten sei auf der Alm immer viel los. Es kämen Wallfahrergruppen mit bis zu 200 Leuten, erzählt der Pfarrer. Die Kirche ist den ganzen Tag über offen, damit die Menschen hineingehen können, um zu beten. Und das bedeutet für Schwester Miriam, täglich die Kirche auf- und zuzusperren, die beiden Toiletten sauber zu halten, die Kirche zu reinigen und Opferkerzen bereitzustellen. Viel Arbeit. Zwischendurch soll die Eremitin aber auch Zeit für sich haben.
Schwester Miriam sei die richtige Wahl gewesen für die Einsiedelei in Kirchwald, sagt der Pfarrer. Er ist sehr froh darüber. Schließlich habe er auch viel darum gebetet. Es sei nicht einfach, jemanden zu finden, der in so eine besondere Einsiedelei passt. Er lacht. "Aber wenn man den Herrgott einspannt, kann ja nicht viel schiefgehen", meint er.