Roland Büchner zieht Bilanz seiner Amtszeit

Regensburger Domkapellmeister: Wollte Mädchenchor gründen

Veröffentlicht am 13.05.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Regensburg ‐ Mit Ende des Schuljahres geht der Regensburger Domkapellmeister Roland Büchner in den Ruhestand. In einem Interview zieht er Bilanz seiner Amtszeit – und spricht auch über den Missbrauchsskandal bei den Domspatzen.

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Roland Büchner war 25 Jahre Domkapellmeister in Regensburg und damit Chef der weltberühmten Regensburger Domspatzen. Ende des Schuljahres geht der 65-Jährige in den Ruhestand. Im Interview spricht Büchner über die Veränderungen bei den Domspatzen, den Missbrauchsskandal und die besonderen Momente mit dem wohl traditionsreichsten Domchor der Welt.

Frage: Herr Büchner, wie geht es Ihnen angesichts des bevorstehenden Abschieds?

Büchner: Ich bin einerseits natürlich wehmütig und werde auch die eine oder andere Träne verdrücken. Andererseits freue ich mich auf den neuen Lebensabschnitt. Ich habe so viele Interessen, da werde ich nicht in ein tiefes Loch fallen.

Frage: Sie waren 25 Jahre Chef. Was sind aus Ihrer Sicht die prägendsten Veränderungen, die Sie zu verantworten haben?

Büchner: Das Haus hat sich grundlegend gewandelt. Gerade für die Buben direkt aus Regensburg und dem Umkreis gibt es mehr Möglichkeiten, etwa die musikalische Früherziehung, die Vorchöre und die eigene vierklassige Grundschule direkt auf dem Gelände des Gymnasiums. Stimmbildung bekommen jetzt alle Sänger. Vor meiner Zeit bekamen das nur die Männerstimmen. Jede Knaben- und Männerstimme hat mindestens 25 Minuten in der Woche Stimmbildung. Auch die Jungs im Stimmbruch werden so weiter gefördert. Das hat auch dazu geführt, dass die Austritte aus dem Gymnasium in dieser Zeit signifikant zurückgegangen sind.

Frage: Welches Ereignis war das prägendste in Ihrer Amtszeit?

Büchner: Die zwei Konzerte in der Sixtinischen Kapelle 2005 und 2009 waren schon der Wahnsinn. Aber ich sage auch mit großer Überzeugung: Es gibt Sternstunden, die sind vielleicht in Dorsten, in Lüdinghausen, in Grafenau, in kleineren Städten und Orten auf dem Land, wo auch immer. Das sind Momente, die über das normale Niveau hinausgehen. Die kann man nicht machen, die muss man geschenkt bekommen.

Frage: Haben Sie den Klang von Mädchenstimmen vermisst?

Büchner: Nie. Ich wollte zwar vor langer Zeit schon einen Mädchenchor gründen, aber nicht direkt mit den Domspatzen zusammen. Es wäre dann eine eigene Gattung: ein Oberstimmenchor. Die Mädchen könnten dann im Domdienst manches übernehmen. Es wird auch in diese Richtung gedacht. Aber Mädchen und Buben passen nicht zusammen, weil im Alter zwischen 10 und 14 Jahren die Mädchen einen Stimmbruch erleben. Der äußert sich anders als bei den Buben. Die Stimme ist dann dünn und ganz verhaucht, nicht so griffig. Das geht dann nicht gut zusammen. Nach dem Stimmbruch gehen die Mädchen stimmlich ab wie Raketen.

Frage: Woran ist das Projekt gescheitert?

Büchner: Es war wohl dafür damals die Zeit noch nicht reif. Auch in den Köpfen war manch einer noch nicht so weit. Solch ein Projekt muss reifen.

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Frage: In Ihre Zeit fiel auch das Bekanntwerden des Missbrauchsskandals. Wie haben Sie das erlebt?

Büchner: Es war völlig klar, dass wir uns gemeinsam, die Diözese und die Domspatzen, stellen mussten und wollten. Und da war ich als aktuell verantwortlicher Domkapellmeister selbstverständlich besonders gefordert. Da war der Medienrummel, mit vielen Berichten, die richtig wehtun. Die Hauptarbeit war, mit den Opfern einzeln zu sprechen. Das geschah nicht vor laufenden Kameras, sondern unter vier Augen. Mir sagen andere, dass ich ein empathischer Mensch bin. Also mich haben diese Opferberichte fertiggemacht. Doch in den vielen Begegnungen, gerade nachdem dann ab 2015 die Aufarbeitung noch einmal systematisch angepackt wurde, ist so etwas wie Vertrauen und Freundschaft gewachsen. Wir können weiter miteinander reden und einander begegnen. Das ist der wichtigste Weg gewesen.

Frage: Was würden Sie in der Rückschau anders machen?

Büchner: Ich denke, man hat zu Beginn des Skandals 2010 versucht, die Dinge mit den Missbrauchsbeauftragten anzugehen. Aber man hat die ganze Tragweite falsch gesehen. Da nehme ich mich gar nicht aus. Man hatte auch keine Vorstellung, wie eine Aufarbeitung wirklich aussehen könnte. Dass Missbrauch stattgefunden hat, das hat man schon lange gewusst, auch schon zu meinem Amtsantritt, aber eben nicht das Ausmaß.

Frage: Fällt es den Domspatzen heute schwerer, Nachwuchs zu gewinnen?

Büchner: Die Domspatzen hatten lange ein Alleinstellungsmerkmal: die Ganztagesbetreuung. Die ersten zehn Jahre als Domkapellmeister wusste ich nicht, wie man Werbung schreibt. Wir hatten es nicht nötig. Mittlerweile nimmt die Konkurrenz durch musische Förderung an Gymnasien, aber auch in der Kirchenmusik zu, so dass mancher dann lieber vor Ort bleibt als nach Regensburg ins Internat zu gehen. Zum Glück haben wir gleichzeitig das Angebot für die Schüler aus der Stadt ausgeweitet. Mittlerweile bietet die Schule auch einen naturwissenschaftlich-technischen Zweig an.

Frage: Welche konkreten Pläne haben Sie für die Zeit nach den Domspatzen?

Büchner: Ich werde sicher projektweise mit Chören arbeiten oder mir einen Chor zusammentelefonieren, natürlich keinen Knabenchor mehr. Ich habe schon Anfragen für Seminare und Chorwochen für 2020 und 2021. Aber ich werde endlich auch meiner Wanderlust Raum geben, weil ich Gegenden gerne erwandere. Außerdem will ich mich als Gasthörer an der Universität für Kunstgeschichte und Italienisch einschreiben.

Von Christian Wölfel (KNA)