Regierungsbischöfe übernehmen katholische Diözesen in China
Es war nicht weniger als ein Eklat: Im chinesischen Bistum Shantou sollte der von Rom ernannte Untergrundbischof Peter Zhuang Jianjian emeritiert werden, damit der von der Regierung eingesetzte Bischof Joseph Huang Bingzhang die Diözese nun auch mit päpstlichem Mandat leiten kann. Doch der 88-jährige bisherige Amtsinhaber blieb der gemeinsamen Messe fern, in der der "Stabwechsel" stattfinden sollte. Huang war schon vor Jahren ohne Zustimmung des Papstes zum Bischof geweiht worden. Doch erst mit dem im vergangenen September geschlossenen historischen Abkommen zwischen dem Vatikan und China hat Rom schließlich seine Exkommunikation aufgehoben und ihn später als Leiter der Diözese anerkannt.
Glaubt man dem Vatikan, dann will Papst Franziskus die bisher gespaltenen Katholiken in China durch das Abkommen einen und die romtreuen Katholiken vor Verfolgung schützen. Doch das sehen nicht alle so. Für Bischof Zhuang und viele andere Katholiken im Untergrund ist das Verhalten des Vatikans nicht nachzuvollziehen. Das liegt an der besonderen Struktur der katholischen Kirche in China, die historische Wurzeln hat: Den Kommunisten war die katholische Kirche im Land ein Dorn im Auge. Denn durch die Orientierung der Katholiken am Papst in Rom sahen die Machthaber in der Kirche einen machtvollen Gegenspieler. Deshalb war die katholische Kirche nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 schweren Repressionen ausgesetzt. 1957 wurde die sogenannte "Chinesische Katholisch-Patriotische Vereinigung" gegründet. Diese Organisation, die nicht dem Papst, sondern der kommunistischen Partei untersteht, soll die Kirche und ihre Gläubigen kontrollieren. Sie fungiert als Bindeglied zwischen der Religionsgemeinschaft und dem Parteistaat.
Laut dem Soziologen Richard Madsen war der Plan der atheistischen Kommunisten, durch eine der Partei genehmen Staatskirche und deren Zurückdrängung ins Liturgische die Religion langfristig auszuhöhlen und verschwinden zu lassen. Um parteitreue Köpfe an die Spitze der Kirche zu befördern, wurden seit 1958 unter Druck der Regierung Bischöfe ohne päpstliche Ernennung geweiht.
Nicht jeder Katholik im Land ging diesen Schritt jedoch mit. So entstand eine zum Teil sehr starke Untergrundkirche. Sie feiert ihre Gottesdienste mancherorts in Privathäusern, hat aber oft wie die offizielle Kirche sichtbare Gebäude. In welchem Verhältnis die beiden Kirchengemeinschaften untereinander stehen, kann von Provinz zu Provinz sehr unterschiedlich sein, sagt die Sinologin Katharina Wenzel-Teuber, die beim China-Zentrum in Sankt Augustin zur Religion in China forscht. So seien sich beide Organisationen in einer Diözese stark nähergekommen, als beide gleichzeitig gegen den Abriss ihrer Kirchturmkreuze durch die Regierung protestierten. "In manchen Regionen gibt es aber große Konflikte zwischen beiden Gruppen, in wieder anderen gibt es nur offizielle Gemeinden oder nur Untergrundgemeinden."
Zwei Kirchen
Viele Untergrundgemeinden definieren ihre Treue zum Papst darüber, dass sie nicht mit der offiziellen Kirche zusammenarbeiten. Zum Teil werden ihre Aktivitäten von den lokalen Behörden toleriert, in anderen Fällen haben die romtreuen Christen aber mit Repressionen zu kämpfen und ihre Priester werden inhaftiert. Daher verwundert es nicht, dass durch das Abkommen vergangenen September im Untergrund Irritationen entstanden. Der emeritierte Hongkonger Bischof Joseph Zen Ze-kiun sprach sogar von "unglaublichem Verrat".
Schon seit Jahrzehnten hatten sich Päpste immer wieder um eine Annäherung mit der chinesischen Regierung bemüht. Letztendlich einigten sich der Heilige Stuhl und die Volksrepublik China jetzt auf ein Verfahren für Bischofsernennungen. Wie das genau aussieht, ist bisher noch nicht bekannt. Beobachter vermuten, dass China Bischofskandidaten auswählt, die der Papst dann ernennen oder ablehnen kann. Gleichzeitig nahm der Vatikan die letzten sieben Bischöfe, die von der chinesischen Regierung ohne Absprache mit Rom eingesetzt wurden, in die kirchliche Gemeinschaft auf. Vorher hatten schon zahlreiche Bischöfe der offiziellen Kirche Rom nachträglich um Anerkennung gebeten oder sich nicht ohne päpstliche Zustimmung weihen lassen.
Irritation im Untergrund
Die offizielle Einsetzung der sieben im Herbst anerkannten Bischöfe als Diözesanbischöfe durch Rom im Dezember 2018 geschah teilweise unter Protest der Untergrundpriester, andere bekundeten hingegen die Bereitschaft, mit den nun auch kirchlich legitimierten Bischöfen zusammenzuarbeiten. "Es ist offensichtlich der Wunsch des Heiligen Stuhls, dass es in China irgendwann nur noch Bischöfe und Gemeinden gibt, die sowohl vom Papst als auch von den chinesischen Behörden anerkannt sind", sagt die Sinologin Wenzel-Teuber. Dadurch sollen die Katholiken ein normales Leben führen können. Viele Katholiken im Untergrund können das aber nur schwer akzeptieren. Für ihre Treue zu Rom hätten sie "sehr große Schwierigkeiten, teilweise auch Leid und Gefahr in Kauf genommen", sagt Wenzel-Teuber. "Nun scheinen diese Prinzipien nichts mehr zu gelten."
In China herrscht nun die Angst vor einer neuen Spaltung der Katholiken. "Es gibt keine einfachen Lösungen", sagt Katharina Wenzel-Teuber. Die Entwicklung stehe noch ganz am Anfang. In weiteren Gesprächen zwischen dem Vatikan und der chinesischen Führung wird es darum gehen, ob und zu welchen Bedingungen auch die Bischöfe und Gemeinden des Untergrunds in China anerkannt werden. Erschwert wird dieser Prozess allerdings durch eine schärfere Religionspolitik des Staates insgesamt: Besonders seit Anfang vergangenen Jahres wurden viele Hauskirchen durchsucht und nicht registrierte religiöse Stätten zerstört. Die Behörden verlangen von den Kirchen außerdem, dass sie ihre Verkündigung vor allem an den Bedürfnissen der sozialistischen Gesellschaft ausrichten.
Die erhoffte Einheit der Katholiken in China ist also noch lange nicht erreicht. Zwischen der gewünschten Verschmelzung der beiden Gemeinschaften und neuen Spaltungen ist es oft nur ein kleiner Schritt. Davon ist das Interesse der Chinesen an Religion aber laut Wenzel-Teuber nicht betroffen: "Das wird auch in Zukunft rege bleiben".