Religiöse Bücher im Abwärtstrend? Nicht mit uns!
Anselm Grün: Engel – 50 himmlische Begegnungen
Ein Buch über Engel – mitten im Sommer? Gehören die nicht eher in die Weihnachtszeit? Mitten im August erscheint der neue Bildband "Engel – 50 himmlische Begegnungen" von Benediktinermönch Anselm Grün. Zu den hochwertigen Fotos von Engelsdarstellungen in Gemälden und Kirchen schreibt der Theologe und Philosoph seine Erläuterungen. Anselm Grün zeichnet dabei keineswegs das kitschige Bild eines immer sanft lächelnden Engels. Er stellt uns auch kämpfende Engel vor, etwa den Erzengel Michael oder den Engel, der mit Jakob kämpft und ihm eine Wunde an der Hüfte hinzufügt. "Die Berührung durch einen Engel kann sanft sein, aber auch schmerzlich", schreibt Anselm Grün. "Doch auch aus einer solch schmerzhaften Begegnung kann Gutes erwachsen." Für unseren Alltag spannend sind besonders die Engel in Menschengestalt. Damit meint Grün Menschen, die Gott uns im richtigen Moment schickt und die uns in die richtige Richtung schieben. "Engel bringen uns in Berührung mit unseren inneren Haltungen, die uns mitten in den Turbulenzen unseres Lebens Halt geben", schreibt er. Vielleicht sind diese kargen, ruhigen Augusttage doch gerade die richtige Zeit, um unsere Sinne für diese Begegnungen zu schärfen? (Claudia Zeisel)
Anselm Grün: Engel – 50 himmlische Begegnungen, Herder Verlag, 25 Euro.
Florian Monheim: Gewölbe des Himmels
Beim Stichwort "religiöses Buch" musste ich gleich an einen Bildband denken und an die abgewandelte Version eines bekanntes Stichworts: "Manchmal sagt ein Bild mehr als 1.000 Worte" – dieser Satz fasst meine Begeisterung für das Buch "Gewölbe des Himmels" sehr gut zusammen. 2010, also vor acht Jahren, ist der Band bei Heyne Collection erschienen. Doch auch heute noch ziehe ich es ab und an aus dem Regal und schaue mir staunend die 120 Fotografien von Florian Monheim an. In dem Buch hat der Fotograf die Dachgewölbe vor allem gotischer Kathedralen in Fotos festgehalten. Für mich transportieren sie in einer beeindruckenden Klarheit die Botschaft des gotischen Baustils: scheinbar unendlich hohe Gewölbe, getragen von filigranen Säulen, die gen Himmel streben und so Ausdruck und Symbol des Glaubens werden. (Gabriele Höfling)
Das Original-Buch mit seinen erläuternden, ausführlichen Begleittexteten von Helmut Neuberger ist vergriffen - eine schöne Alternative sind aber jährliche Kalender, die Florian Mohnheim in Zusammenarbeit mit dem Dumont-Verlag herausgibt. Die Ausgabe für 2019 ist schon erhältlich.
Guy Gilbert: Im Ernst: Gott hat Humor
"Herr Pfarrer, Sie sind eine Sexbombe!" Mit flotten Sprüchen und witzigen Anekdoten macht der 82-jährige Rockerpriester Guy Gilbert mit seinem neuen Buch "Im Ernst: Gott hat Humor" auf sich aufmerksam. Der unkonventionelle Geistliche, der sich in Paris um straffällige und sozial benachteiligte Jugendliche kümmert und in der Haute Provence für sie sogar einen eigenen Therapiebauernhof errichtet hat, erzählt in seinem Buch 60 unterhaltsame Geschichten, die zum Nachdenken anregen. Erfrischend und ehrlich plaudert er aus dem Nähkästchen und berichtet von der Hochzeit des belgischen Königspaares 2003, zu der er als Prediger eingeladen war oder vom Besuch der belgischen Königin Paola in seiner Obdachlosenunterkunft. Auch unangenehme Begegnungen spart er dabei nicht aus: Der Apotheker etwa, der ihn als Sexbombe bezeichnetet hat, nur weil er bei ihm regelmäßig Kondome für seine Jugendlichen kauft. Mit Witz und Humor gewährt das Buch kurzweilige Einblicke in das Leben eines etwas anderen katholischen Priesters, der Lederjacke, Motorrad und selbstgedrehte Zigaretten liebt. An mancher Stelle klingen die Geschichten in dem Buch wie kurze Predigten. Wie Guy Gilbert sich seinen Tod vorstellt etwa. "Ich wünsche mir eine echte Party, sonst schnauze ich euch vom Himmel aus an". Ein lesenswertes Büchlein, das in jede Hosentasche passt und eine Ermutigung für die sein will, die Gottvertrauen und den Glauben an das Gute im Menschen längst verloren haben. (Madeleine Spendier)
Guy Gilbert: Im Ernst: Gott hat Humor. Der legendäre 'Rocker-Priester' erzählt, St. Benno Verlag 2018, 14,95 Euro.
James Martin: Eine Brücke bauen
Ein zugleich informativer wie auch spiritueller Lesetipp ist das Buch "Eine Brücke bauen: Wie die katholische Kirche und schwule, lesbische, bisexuelle und trans* Menschen eine wertschätzende Beziehung finden" des US-Jesuiten James Martin. Auf Englisch gibt es das Büchlein seit einem Jahr, auf Deutsch erscheint es am 17. September. Es basiert auf der Anweisung aus dem Katechismus, dass LGBT-Menschen mit Respekt, Mitgefühl und Empathie begegnet werden soll. Martin entwirft mit seiner "Brücke" zum einen eine Möglichkeit, wie Vertreter der katholischen Kirche homosexuellen Gläubigen begegnen können und umgekehrt wie die LGBTs (wieder) eine Beziehung zu ihrer Kirche aufbauen können. Im zweiten Teil stellt der Jesuit eine Auswahl von Bibelstellen mit passenden Impulsfragen vor, die speziell für LGBT-Katholiken und deren Freunde und Familien gedacht sind. So soll etwa Psalm 139 ihnen helfen, sich von Gott geliebt zu fühlen, wo es heißt: "Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast". Und die Geschichten vom römischen Hauptmann oder vom Zöllner Zachäus sollen der Kirche zeigen, dass man Menschen nicht zunächst zurechtweisen soll, sondern willkommen heißen und in die Gemeinschaft holen. (Agathe Lukassek)
James Martin: Eine Brücke bauen, Patmos Verlag 2018, 224 Seiten, 18,00 Euro.
Karl Rahner: Gotteserfahrung heute
Ich muss gestehen: Theologische Texte haben mich eigentlich nie wirklich existenziell berührt, so, dass ich das Gefühl gehabt hätte "Da hat einer Worte für das gefunden, was Du selbst ganz tief in deinem Inneren erfahren hast, aber nie so hättest ausdrücken können". Eine Ausnahme ist der Aufsatz "Gotteserfahrung heute" von Karl Rahner. Nach der ersten Lektüre dachte ich nur "Ja, genau so ist es". Rahner fragt in diesem Vortrag aus dem Jahr 1969, wie man überhaupt merkt, ob man eine Gotteserfahrung gemacht hat und versucht sie zu beschreiben. Hier spricht nicht der Wissenschaftler, sondern der Gottsucher Rahner, der in beeindruckender Weise immer wieder aufs Neue um Worte ringt, um dem letztlich Unbeschreiblichen auf die Spur zu kommen. (Thomas Jansen)
Die 2009 im Herder Verlag erschienene Ausgabe des Vortrags mit einem Vorwort von Kardinal Karl Lehmann ist mittlerweile vergriffen und nur noch antiquarisch erhältlich.
William P. Young: Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott
Kann man den gewaltsamen Tod seiner Tochter jemals verarbeiten – oder gar verzeihen? Dieser Frage muss sich der Protagonist des Bestseller-Romans von William P. Young stellen. Denn Familienvater Mackenzie ist auch noch Jahre nach der Ermordung seiner Tochter gefangen in Wut und Trauer. Plötzlich liegt ein Brief in seinem Briefkasten: Gott lädt ihn zu einem Wochenende ein – ausgerechnet in die Hütte, in der sich die blutige Spur seiner Tochter verlor. Ein berührendes Buch, in dem sich alles um Wut, Trauer und Schuld - aber auch um Glauben, Vergebung und Liebe dreht und das eine Vorstellung vom Himmelreich skizziert, wie wir es uns wahrscheinlich alle wünschen. Die Geschichte um die Entstehung des Buches ist fast so überwältigend wie das Buch selbst: Der kanadische Autor William P. Young schrieb das Buch, um seine eigenen Erfahrungen mit Missbrauch und Leid zu verarbeiten. Freunde überredeten ihn, das Buch zu veröffentlichen – mit Erfolg: Seit der Veröffentlichung 2007 kauften weltweit über 10 Millionen Menschen das Buch. (Edda Görnert)
William P. Young, Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott, Allegria Verlag, Taschenbuch 12,00 Euro.
Wolfgang Büscher: Berlin-Moskau: Eine Reise zu Fuß
Der Sommer geht langsam zu Ende und auch die Urlaubszeit ist für die meisten Menschen schon längst wieder vorbei. Umso schöner ist es da doch, wenn man sich im mitunter grauen Alltag mit einem guten Buch zumindest noch einmal in die Ferne träumen kann. Dafür bieten sich ganz fabelhaft die Wanderbücher von Wolfgang Büscher an. Der ehemalige "Welt"-Redakteur ist in den vergangenen Jahren zu Fuß von Berlin nach Moskau (Berlin – Moskau: Eine Reise zu Fuß), einmal rund um Deutschland (Deutschland, eine Reise) und quer durch die USA (Hartland) gewandert – und hat darüber höchst lesenswerte Bücher geschrieben. Bücher, die zu den besten deutschsprachigen Reisereportagen der vergangenen Jahre gehören und den Leser dazu einladen, die Welt durch die Augen eines wachen und sensiblen Wanderers neu zu entdecken. Meine Erfahrung bei der Lektüre: Wenn man einmal damit angefangen hat, Wolfgang Büscher bei seinen Wanderungen vom Sofa aus lesend zu begleiten, kann man so schnell nicht mehr aufhören. (Steffen Zimmermann)
Wolfgang Büscher: Berlin-Moskau: Eine Reise zu Fuß, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 12. Auflage 2004, 10,00 Euro.