Standpunkt

Schuld sind die Täter, nicht der Teufel

Veröffentlicht am 13.03.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Papst Franziskus spricht viel vom Teufel und einer sündigen Kirche. Er sieht den Fehler in den Strukturen. Doch es ist gefährlich, die Schuld nur im System zu suchen, kommentiert Benjamin Leven.

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Der Papst steht in der Kritik. In Sachen Missbrauch bringt Franziskus immer wieder den Teufel ins Spiel. "Das wirkt so, als ob er die Ursachen in etwas Äußerem sucht und damit die Verantwortung von der Kirche wegschiebt", sagt dazu der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer. Aber ist der Teufel tatsächlich etwas Äußeres? Die Theologie hat in den letzten Jahren ein lange vernachlässigtes Teilgebiet der Dogmatik wiederentdeckt: der Angelologie, also der Lehre von den Engeln und Dämonen.

Der Theologieprofessor Thomas Ruster meint: Wenn im Christentum vom Teufel, von bösen Geistern, von "Mächten und Gewalten" die Rede ist, dann sei das eine "Chiffre für die Eigendynamik von Systemen". Das bedeutet: Das Ganze ist mehr als die Summe seine Teile, im Guten wie im Bösen. Dinge können überraschend glücken. Oder sie können völlig aus dem Ruder laufen. Der Teufel steckt im System. Kaum ein Verantwortlicher in der Kirche wird ja gewollt haben, dass der Missbrauch stattfindet. Aber beim Umgang mit ihm ist etwas gewaltig schief gelaufen. Ist also am Ende das System Kirche schuld am Missbrauch, ist die Kirche selbst sündig? Franziskus scheint das zu glauben, und da müsste ihm Pfeffer ja eigentlich zustimmen: Die Braut Christi sei in flagranti beim Ehebruch erwischt worden, sagte der Papst zu Beginn der Fastenzeit.

Die alte theologische Lehre von der Heiligkeit der Kirche, die als Ganze nicht sündig sein könne, ist von Theologen kritisiert worden, weil sie blind für Fehler im System mache. Auf der anderen Seite birgt aber auch die Rede von der sündigen Kirche eine Gefahr: Sie kann von der Verantwortung des Einzelnen ablenken. So werden aus Tätern im schlimmsten Fall Opfer des Systems. Natürlich können falsche Strukturen Sünden befördern. Sie erzeugen, traditionell ausgedrückt, Versuchungen. Da können Reformen helfen. Trotzdem ist am Missbrauch nicht der Teufel schuld und auch nicht das System, sondern die Täter – und diejenigen, die davon gewusst, aber nichts unternommen haben.

Von Benjamin Leven

Der Autor

Benjamin Leven ist Redakteur der Herder Korrespondenz in Berlin und Rom.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.