Sinnlose Zerstörung
Das Gelände der Schlacht von Monte Cassino, 140 Kilometer südlich von Rom, kennt der Leiter des örtlichen Erinnerungszentrums, im Hauptberuf Rechtsanwalt, wie nur wenige. Am Ende eroberten polnische Truppen die Höhe 593. Von dort geht die Sicht weit über das Liri-Tal. Einige hundert Meter entfernt ruht auf dem Nachbarberg die mächtige Abtei Montecassino, so als sei der Jagdbomber noch nicht erfunden worden. Die Wiege des Benediktiner-Ordens, die dem monatelangen Massentöten ihren Namen leihen musste, sei beides, meint Molle: Synonym für einen der sinnlosesten Luftangriffe des Krieges und ein Wunder des Wiederaufbaus.
Mönche beteten am Grab Benedikts als die Bomben fielen
Am 15. Februar 1944 zerstörten US-Geschwader das Gemäuer mit fast 500 Tonnen Bomben. Der schwerste Angriff der Kriegsgeschichte auf ein einzelnes Gebäude pulverisierte eines der ältesten Heiligtümer der Christenheit und tötete Hunderte Flüchtlinge, die sich dort sicher wähnten. Der heilige Benedikt von Nursia hatte die Abtei 529 gegründet, dort schrieb er seine Ordensregel und fand sein Grab. Vor diesem beteten die zwölf Mönche des Klosters gerade, als die Bomben fielen.
Doch in der Logik des Krieges erschien Montecassino nur als ein Punkt in den deutschen Verteidigungsstellungen, der "Gustav-Linie" quer durch Italien. Wochenlang waren Amerikaner, dann Neuseeländer unter hohen Verlusten vergeblich dagegen angerannt. Als Grund vermuteten sie deutsche Beobachter in dem festungsartigen Bauwerk. Der Abt und der Vatikan dementierten und rangen den Alliierten zunächst das Versprechen ab, das Kloster zu schonen.
Diplomatische Verstimmungen zwischen Vatikan und Alliierten
In der Tat hatte die Wehrmacht jede militärische Nutzung der sakralen Stätte untersagt. Lediglich Monate vor dem Angriff betraten die Deutschen Montecassino, um einen Großteil der kostbaren Gemälde und Statuen, liturgischen Geräte und Handschriften sowie die alten Baupläne nach Rom in Sicherheit zu bringen. "Das erlaubte es der NS-Propaganda, die eigenen Truppen als Verteidiger der abendländischen Kultur und die Alliierten als Barbaren darzustellen", so Molle. Im nahen Städtchen Cassino, das US-Bomber ebenfalls dem Erdboden gleichmachten, sähen es viele Ältere bis heute so. Damals führte der Angriff zu ernsten diplomatischen Verstimmungen zwischen den Alliierten und dem Vatikan. Papst Pius XII. (1939-1958) hatte bis zuletzt versucht, das Inferno zu verhindern.
Auch aus psychologischen Gründen hatte der neuseeländische General Bernard Freyberg die zögernden Amerikaner zu dem Schlag gedrängt. "Irgendwann war der Feind für uns nicht mehr die Deutschen, sondern dieses Kloster, das uns von oben anstarrte", erinnerte sich einer seiner Soldaten später. Der Jubel unten sei groß gewesen, als es in Trümmern lag. Dabei fingen die Probleme jetzt erst an. Denn nun besetzten deutsche Fallschirmjäger die Ruinen und nutzten sie für die Abwehr. Erst drei Monate später gelang auch hier den Polen die Besetzung.
Die Erinnerung an die "Vielvölkerschlacht" von Montecassino, die bis zu 55.000 Alliierte, 20.000 Deutsche und unzählige Zivilisten das Leben kostete, habe ihn früh gefesselt, sagt Molle. "Als Kind wächst man hier mit Soldatenfriedhöfen auf." Seitdem hat der 49-Jährige viele Veteranen über das Schlachtfeld geführt. "Oft bestanden meine Gruppen aus früheren Gegnern, die sich dann die Hand schüttelten." Fast alle wollten am Ende die Abtei sehen. Schon 1945 begann ihr Wiederaufbau, finanziert vom italienischen Staat und Spendern aus aller Welt. Wer heute die Kreuzgänge und Freitreppen, die Marmorgänge und die barocke Kirche über der Krypta Benedikts durchstreift, der glaubt danach vielleicht wirklich an Wunder. Verbürgt ist immerhin, dass die Bombe, die genau über dem Grab einschlug, ein Blindgänger war.
Von Christoph Schmidt (KNA)