Was der Apfel mit dem Christentum zu tun hat
Gleich mehrfach haben Maler wie Jacob Jordaens und Lucas Cranach der Ältere die berühmte Paradiesszene gemalt: Adam und Eva, nackt, die Scham wenn überhaupt nur von Blättern bedeckt, vor dem Baum der Erkenntnis, Eva reicht Adam die Frucht, von der sie abgebissen hat: einen Apfel.
Der Baum der Erkenntnis als Apfelbaum gehört fest zur Bildgeschichte des Christentums. In der Bibel steht zur Botanik des Paradieses generell wenig. Die Blätter, mit denen Adam und Eva ihre Blöße bedecken, sind Feigenblätter. Aber was da am Baum der Erkenntnis wächst, das wird nur als "Frucht" identifiziert. Dass es sich dabei um Äpfel handeln soll, geht wohl auf ein lateinisches Wortspiel zurück. "Malum" kann zweierlei heißen: Mit kurzem "a" das Böse, mit langem Vokal "Apfel". Wenn der Apfel im Alten Testament auftaucht, dann eher in positiven Kontexten. Im Hohelied wird der besungene Geliebte als Apfelbaum besungen, und das Buch der Sprichwörter kennt diese Weisheit: "Ein Wort, geredet zu rechter Zeit, ist wie goldene Äpfel auf silbernen Schalen."
Die Frucht am Baum des Lebens
Der heilige Bischof und Kirchenvater Ambrosius von Mailand nahm dem Apfel schon früh den schlechten Ruf, den ihm die Geschichte vom Sündenfall eingebracht hat. Im vierten Jahrhundert verglich er den am Kreuz hängenden Christus mit dem Apfel, der am Baum des Lebens hängt.
Diese Deutung taucht auch in einer Legende auf, die den biblischen Bericht über die Geburt Jesu ausschmückt. Nachdem die Weisen aus dem Morgenland ihre Geschenke überreicht hatten, soll dieser Geschichte nach eine alte Frau zur Krippe getreten sein. Auch sie hat etwas für Jesus: einen Apfel. Der kleine Jesus lächelt, die alte Frau nickt erleichtert und geht schweigend. Eine Deutung der Geschichte: Eva kommt zur Krippe und legt den Apfel, die Sünde der Welt, ab - weil Jesus, der Erlöser geboren ist.
Das ist nicht die einzige Verbindung des Apfels mit Weihnachten. Ein mittelalterlicher Brauch waren Paradiesspiele zu Weihnachten vor den Portalen von Kirchen, in denen die biblische Geschichte vom Sündenfall nachgespielt wurde. Unverzichtbar dabei: ein Baum, von dem Eva einen Apfel pflücken konnte. Der Baum aus dem Paradiesspiel wanderte später in die Häuser und wurde zum Christbaum. Aus den Äpfeln, die ursprünglich neben anderen Leckereien daran hingen, wurde schließlich die Christbaumkugel.
Der Apfel des Sündenfalls wird zum Symbol für die Hoffnung auf Erlösung. Es verwundert daher nicht, dass der Apfel in einem beliebten Zitat auftaucht, in dem es um das Vertrauen auf Gott geht: "Wenn ich wüsste, dass morgen der jüngste Tag wäre, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen", wird Martin Luther gerne zitiert. In den Werken des Reformators findet sich dieser Satz aber nirgends; die erste verbürgte Quelle ist noch relativ jung: Er taucht erstmals auf in einem Rundbrief des evangelischen Pfarrers Karl Lotz, den er an Freunde aus der "Bekennenden Kirche" im Herbst 1944 geschickt hat.
Auch wenn das angebliche Luther-Zitat nur Legende ist: Ebenfalls während der Zeit der Naziherrschaft pflanzte ein Obstkundler tatsächlich Apfelbäume der Hoffnung in einer hoffnungslosen Zeit. Korbinian Aigner, ein Priester des Erzbistums München und Freising, war nicht nur Pfarrer, sondern auch leidenschaftlicher Gärtner. Der Präsident des oberbayerischen Obst- und Gartenbauvereins war schon früh Gegner der Nationalsozialisten. Wegen seiner Kritik am NS-Regime wurde er inhaftiert und schließlich in den "Priesterblock" des Konzentrationslagers Dachau gebracht.
Starkes Symbol für Sünde und Erlösung
Auch während seiner Haft blieb er seiner Leidenschaft verbunden: Zwischen den Baracken züchtete er weiter Apfelbäume. Von seinen vier Sorten "KZ-1" bis "KZ-4" ist heute nur noch "KZ-3" erhalten. Der bescheidene Geistliche hätte nie eine seiner Züchtungen nach sich selbst benannt. Das haben andere für ihn getan: Anlässlich seines hundertsten Geburtstags wurde die Sorte "KZ-3" "Korbiniansapfel" getauft.
Auch wenn der biblische Befund keine Äpfel hergibt: Die Paradies-Bilder der alten Meister zeigen mit dem Apfel starke Symbole für die Sünde wie die Erlösung. Welche Frucht es denn nun wirklich war am Baum der Erkenntnis, ist schlussendlich gar nicht so wichtig. Das meinte auch Mark Twain: "Adam war ein Mensch - das erklärt alles. Er wollte den Apfel nicht des Apfels wegen, sondern nur, weil er verboten war."
Der Artikel ist erstmals im Januar 2017 erschienen.