Die Kirche auf intensiver Suche nach dem richtigen Kurs

Synode oder nicht? Deutsche Bischöfe uneinig

Veröffentlicht am 07.02.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die deutschen Bischöfe streiten um eine Synode. Ein durchgestochener Brief von vier Bischöfen soll bei den Mitbrüdern nicht gut aufgenommen worden sein: Die Kirche in Deutschland ringt um den richtigen Kurs.

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Stürmische Zeiten für die katholische Kirche, mitten im deutschen Vor-Frühling: steigende Austrittszahlen, Priestermangel, regionale Finanzwirren. Und nicht zuletzt ist da noch der Missbrauchsskandal, der zahlreiche Menschen zu Opfern machte und manches in Bewegung bringt. In diesen Kontext gehören auch ein Offener Brief mit Veränderungswünschen an Kardinal Reinhard Marx und nun ein internes Papier mit Reformideen von Bischöfen.

Der Vorstoß der vier Oberhirten, über den die "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" berichtet, hat es in sich. Schonungslos bescheinigen demnach die Bischöfe Peter Kohlgraf (Mainz), Franz-Josef Overbeck (Essen) Karl-Heinz Wiesemann (Speyer) und Stefan Oster (Passau) ihrer Kirche eine "existenzielle Krise". Und weiter: "Leben und Reden fallen in der Kirche weit auseinander."

Initiative soll ohne Abstimmung in die Schublade gewandert sein

Als Ausweg schlugen sie dem Bericht zufolge ihren Mitbrüdern auf ihrem jüngsten turnusgemäßen Treffen eine "synodale Veranstaltung" vor, also eine breite Debatte unter Mitwirkung katholischer Laien und mit verbindlichen Beschlüssen.

Wie das Blatt berichtet, stieß die Initiative beim jüngsten Ständigen Rat der Diözesanbischöfe auf gemischte Reaktionen. Es soll ohne Abstimmung wieder zurück in die Schublade gewandert sein. Ob das zutrifft? "Interne Beratungen kommentieren wir nicht", sagte dazu am Mittwoch Bischofskonferenz-Sprecher Matthias Kopp.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf
Bild: ©katholisch.de

Die Bischöfe Peter Kohlgraf (Mainz; im Bild), Franz-Josef Overbeck (Essen), Karl-Heinz Wiesemann (Speyer) und Stefan Oster (Passau) bescheinigen ihrer Kirche eine "existenzielle Krise".

Da mag Papst Franziskus im fernen Abu Dhabi noch so schöne Bilder produzieren, in den Gemeinden vor Ort brodelt es. Nicht nur wegen immer größerer Pfarrverbände und der Angst, dass die Kirche nicht mehr im Dorf bleibt. Hinzu kommen endlose Debatten um Zölibat, Sexualmoral, Klerikalismus. Kein Thema, so scheint es, bleibt unangetastet. Und an Ratschlägen, wie das schlingernde Kirchenschiff wieder auf Kurs kommen könnte, mangelt es nicht.

"Schluss mit Vertuschungen, personelle Konsequenzen, Übergabe von Missbrauchsfällen an die staatliche Justiz, echte Gewaltenteilung auch in der Kirche, also unabhängige Gerichtsbarkeit" - das fordert Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) in der aktuellen "Zeit". Und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) betont: Ein Ende der Zölibatspflicht für katholische Priester wäre für viele Kleriker wie Laien "eine so große Erleichterung".

Gemischte Reaktionen auf offenen Brief

Diese Forderung zählt auch zu den Kernthemen des Offenen Briefs vom vergangenen Wochenende an Kardinal Marx. Das Schreiben von neun Unterzeichnern hat weitere Unterstützer gefunden, aber auch Kritik von konservativer Seite ausgelöst. Ein Vorwurf: Der Missbrauchsskandal werde für altbekannte Reformideen "instrumentalisiert". Im Klartext: Die Empörung über die sexuellen Verbrechen einer Minderheit eheloser Kleriker werde als Vorwand genutzt, um die bei liberalen Christen seit langem umstrittene Ehelosigkeit der Priester abzuschaffen.

Beim Thema Missbrauch ist bereits einiges geschehen. Die deutschen Bischöfe haben ihre Leitlinien erneut verschärft, Vorbeugung und die Entschädigung von Opfern vorangetrieben, Perspektivwechsel versprochen - und sie sind sich einig in dem Ziel, dass die Kirche in einer modernen Gesellschaft neue Wege einschlagen muss. Aber sie ringen darum, welcher Weg der richtige ist und wieviel Anpassung an das moderne Menschenbild mit seiner veränderten Sicht der Sexualität die Kirche aushält, ohne ihre Lehre aufzugeben.

Papst Franziskus besteigt ein Flugzeug zum Beginn einer Reise.
Bild: ©picture alliance / dpa/Oliver Weiken

Papst Franziskus ermunterte beim Rückflug aus Panama Theologen dazu, darüber nachzudenken, unter welchen Bedingungen die Kirche verheirateten Männern priesterliche Funktionen übertragen könne.

Auch Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, sprach im Dezember von "heftigen Kontroversen". Er will nach eigenem Bekunden Mitbrüder für Reformschritte gewinnen – und deutet Spielräume etwa bei der Weiterentwicklung der katholischen Sexualmoral an. Noch ist unklar, in welcher Form sich die Bischöfe mit den "heißen Eisen" beschäftigen wollen. Für eine deutschlandweite Synode fehlt derzeit offenbar die nötige Mehrheit. Also nochmal eine Art Gesprächsprozess? Am wichtigsten dürfte sein, dass greifbare Ergebnisse herauskommen. Vor allem "Reformer" wie Franz-Josef Bode und eine neue Generation jüngerer Bischöfe pochen darauf.

Bischof würde unterschiedliche Zugangswege zum Priesteramt begrüßen

Neben Kohlgraf gehört auch Heiner Wilmer (Hildesheim) dazu. Wilmer hat sich nicht nur Freunde gemacht mit seiner Aussage, der Missbrauch von Macht stecke "in der DNA der Kirche". Und der Mainzer Bischof Kohlgraf deutete dieser Tage Bewegung in der Zölibatsfrage an, als er sagte: "Ich würde es begrüßen, wenn es unterschiedliche Zugangswege zum Priesteramt gibt." Eine vorsichtige Öffnung ließ auch Papst Franziskus erkennen, als er Ende Januar beim Rückflug von Panama ausdrücklich die Theologen ermunterte, darüber nachzudenken, unter welchen Bedingungen die Kirche verheirateten Männern priesterliche Funktionen übertragen könne.

Es sind bewegte Wochen. Ende Februar findet im Vatikan das mit Spannung erwartete Bischofstreffen zu Missbrauch und Kinderschutz statt. Anfang März kommen die deutschen Bischöfe zu ihrer nächsten Vollversammlung in Lingen (Emsland) zusammen. Vielleicht duftet es dann schon nach Frühling.

Von Thomas Winkel (KNA)