Thomas Frings hofft in neuem Buch auf Erlösung

Gott funktioniert nicht. Und jetzt?

Veröffentlicht am 13.03.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Pfarrer Thomas Frings wurde berühmt, weil er nicht mehr Pfarrer sein wollte: Seine Bilanz der Kirchenkrise wurde zum Bestseller. Nun meldet sich der Münsteraner Priester zurück – und zwar ganz grundsätzlich: Warum überhaupt an Gott glauben – und wie?

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Thomas Frings ist zurück. Vor drei Jahren hatte der damalige Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde in Münster in einem viel diskutierten und viel geteilten Beitrag auf Facebook angekündigt, nicht mehr Pfarrer sein zu wollen. Priester wollte er bleiben – und gerade deshalb nicht mehr Pfarrer sein. Eine Art geistliches Burnout beschrieb Frings in dem "Kurskorrektur" überschriebenen Text, aus dem schließlich ein Buch wurde: Während das kirchliche Leben immer mehr abbröckelt, hoffen viele Gemeindemitglieder immer noch, dass alles bleibt, wie es ist – oder wird, wie es war. "Dass alles wieder so ist wie vor 30 Jahren", wünschte sich einer der Befragten bei einem Gemeindeentwicklungsprozess, berichtete Frings.

In dieser visionslosen Vision verdichteten sich für den Priester viele Probleme der Kirche in einer immer säkulareren Welt. Als soziale Einrichtung, als Dienstleisterin für Werte und Rituale wird die Kirche vielleicht noch geschätzt, der Kirche fehlen aber die Gläubigen – und die Bereitschaft, nicht einfach nur weiterzumachen wie zuvor.

Im ersten Buch wenig konkrete Lösungen

Ein Jahr nach dem Rücktritt und nach einer Auszeit im Kloster erschien Frings' erstes Buch: "Aus, Amen, Ende?" – hoffnungsvoll klebte auf dem Einband ein roter Störer: "Mit Ideen für eine Kirche der Zukunft." Stark war das Buch vor allem in der Diagnose einer immer weniger selbstverständlichen Volkskirche, von der aber immer noch eine volkskirchliche Versorgung erwartet wird. Die Berichte über gescheiterte Katechesen, höchste Erwartungen von eigentlich Kirchenfernen an Hochzeiten und Taufen bei gleichzeitiger maximaler Unvertrautheit mit dem Gehalt der Segenszusage der Sakramente, um die sie bitten, waren schonungslose Schilderungen aus dem Leben eines Stadtpfarrers, in denen sich viele wiederfinden konnten.

Cover von Thomas Frings' Buch: "Aus, Amen, Ende?"
Bild: ©katholisch.de

Am 20. Februar 2017, fast genau ein Jahr nach seiner vieldiskutierten "Kurskorrektur", erschien Thomas Frings' "Aus, Amen, Ende?". Zwei Jahre später kommt der Nachfolger – der gar kein Nachfolger sein will.

Hilfloser dagegen wirkten die vom Verlag vollmundig versprochenen Ideen für die Kirche der Zukunft: Von der Territorial- zur Entscheidungsgemeinde sollte die Reise gehen: "Die Territorialgemeinde ist geformt nach dem Prinzip einer christlichen Gesellschaft. Eine Entscheidungsgemeinde wäre geformt nach dem Prinzip der Sehnsucht."

Wie das umgesetzt werden kann, wie solche Entscheidungsgemeinden der Gefahr der Versektung und Marginalisierung, des Rückzugs in eine "splendid isolation" entgehen können, dafür hatte auch Frings keine fertigen Lösungen anzubieten. Seine Ideen blieben wirklich nur Ideen und Prinzipien.

Kein frommes Buch

Nun also ist Frings zurück – in der Pfarrseelsorge ist er das schon länger. Nach seiner Auszeit im Kloster war er erst Pfarrverwalter in einer Münsteraner Gemeinde, heute lebt er bei den Kölner Benediktinerinnen und ist Pfarrvikar in der Innenstadt. Zurück ist er aber auch mit einem neuen Buch: "Gott funktioniert nicht", heißt es, und es ist keine Fortsetzung seines ersten Buchs – jedenfalls vordergründig nicht.

Zwei Hände sind zum Gebet erhoben.
Bild: ©Fotolia.com/jamesteohart (Symbolbild)

Wofür beten – und wie? Frings schreibt in seinem Buch über die Hoffnung, die ihn erfüllt.

Wieder verweigert sich Frings einem populären Reformdiskurs, auch wenn es um Kirchenkrisen geht: Allen großen christlichen Kirchen diagnostiziert er gleich zu Beginn einen Relevanzverlust. Kirchenbezogene Religiosität sei auf dem absteigenden Ast. Glauben wird immer begründungspflichtiger, immer weniger selbstverständlich. Aber anstatt Glaubenssätze oder Reformkonzepte zu diskutieren, wendet sich Frings etwas anderem zu: Sich selbst. "Worum soll es dann gehen: um meinen Glauben. Wie er sich entwickelt hat und somit um (m)einen Weg des Suchens und Glaubens." Ein frommes Buch, auch da wehrt Frings ab, soll "Gott funktioniert nicht" nicht sein. Besonders erbaulich wirkt sein Buch auch tatsächlich nicht: In einer sehr praktischen negativen Theologie schildert Frings anhand biographischer Fragmente, was Gott alles nicht ist – und wie wenig das Bild eines allzu diesseitig wirkenden Gottes trägt. Gott ist für ihn nicht der Wunscherfüller, an den man betend Forderungen in der Hoffnung auf wunderbare Interventionen richtet.

In Lebensgefahr, nicht in Glaubensgefahr

Der Glaube, den Frings beschreibt, ist vor allem ein Glaube aus Hoffnung: "ein 'Für-wahr-Halten' von etwas, das ich nicht sehe, ein 'Mich-fest-Machen' in einer Hoffnung, die sich nicht erschöpft im Irdischen." Ein zentrales Erlebnis spielt in Afrika: Nachts schleichen Hyänen um die Zelte von Frings Reisegesellschaft, der Priester leidet Todesängste – und betet nicht. Eine Glaubensprüfung, bei der er für zu leicht befunden wurde? "Nein, mein Glaube hatte mich nicht verlassen, gerade deshalb habe ich nicht gebetet. Weil mein Glaube nicht einem Gott gilt, der wilde Tiere verjagt, wenn ich ihn darum bitte." In Lebensgefahr sei er gewesen, nicht aber in Glaubensgefahr.

„Ich glaube nicht an Wunder, sondern ich glaube an die Zusage Jesu, dass ich im Tode nicht untergehen werde.“

—  Zitat: Thomas Frings

Ein allzu utilitaristischer Glaube an einen Nothelfer-Gott wird prekär angesichts des wissenschaftlichen Fortschritts und der Ungerechtigkeit des Zufalls: Gegen Krankheiten hilft nicht beten, sondern Medizin. Betende leiden, Ungläubige haben Glück. Ein Gott, der vor allen diesseitigen Gefahren schützen soll, wird fragwürdig: Warum hilft er den einen, den anderen nicht? Gegen solche Gottesbilder wendet sich dann auch Frings: "Ich glaube nicht an einen Gott, der mich vor der Gefahr rettet, sondern mit mir in der Gefahr ist; der mich nicht vor dem Tod bewahrt, sondern im Tod bewahren wird." Er weist darauf hin, dass keine der Wundererzählungen der Evangelien den Weg ins Glaubensbekenntnis geschafft hat – wohl aber die eigentlich viel größeren Wunder der Menschwerdung und Erlösung.

Das meint Frings mit seinem provokanten Titel "Gott funktioniert nicht": Gott ist kein Deus ex machina, sein Wirken ist kein Magisches, christliche Hoffnung ist auf Erlösung ausgerichtet, nicht auf Problemlösung.

Wie glauben, wenn der Feuerwehr-Gott ausfällt?

Das ist eine Herausforderung – gerade für Katholiken. Bittkerzen und Dankplaketten für die Gottesmutter, Wunder auf die Fürsprache von Heiligen: Die katholische Welt ist voll von sehr diesseitiger Präsenz des Heiligen. Frings dagegen: "Ich halte Gott heraus, nicht aus Unglauben, sondern aus Glauben." Gott ist größer als die Vorstellungen, er ist "totaliter aliter", ein ganz anderer, mit menschlichen Begriffen nie zu fassen.

Markus Söder entzündet eine Kerze
Bild: ©Christopher Beschnitt/KNA (Archivbild)

Hilft Beten? Auf Bestellung wird Gott auch auf Fürsprache Marias nicht tätig, glaubt Thomas Frings.

Wie also glauben, wenn der Nothelfer- und Feuerwehr-Gott ausfällt? Frings bringt seinen Glauben auf drei Begriffe: Ewigkeit, Barmherzigkeit und Liebe. Ewigkeit heißt für ihn "alles, was ist, mit der Option eines Gottes" zu sehen: Glaube als die Hoffnung, dass nicht alles dem Vergehen unterworfen ist; Hoffnung angesichts von Leid und Tod. Barmherzigkeit als Hoffnung, dass in dieser Ewigkeit Gott versöhnt, was diesseits nicht zu versöhnen ist – und Liebe, unbedingte Liebe als Grund des Heilshandelns Gottes.

Ist das vielleicht doch fromm und beschaulich, wie Frings eigentlich gar nicht schreiben wollte? Vielleicht muss es das sein. Denn für Frings ist klar: Ohne diese transzendente Hoffnung bricht alles im Christentum zusammen. Das, was Außenstehende an der Kirche schätzen – das Einstehen für Werte, die tätige Nächstenliebe – ist charakteristisch für Christen. Es ist aber immer eine Folge aus den Glaubensüberzeugungen und der Erlösungshoffnung, kein Selbstzweck. Ohne ihn beim Namen zu nennen, erinnert Frings an Papst Franziskus, der ebenfalls stets betont, dass kirchliche Wohlfahrtsverbände nicht einfach nur NGOs sein dürfen. "Als Wertelieferant für eine bürgerliche Gesellschaft mag die Kirche von außen gesehen werden", so Frings. "Sollte sie jedoch der Versuchung nachgeben, selbst ihre Relevanz damit zu begründen, dann gibt sie ihr Innerstes auf, um ihre äußere Form zu behalten." Wieder so sein wie vor 30 Jahren – das ist keine Zukunftsperspektive.

„Was die Christen motiviert und was sie aus ihrer Sicht von anderen unterscheidet – oder unterscheiden sollte –, ist der Glaube daran, dass Jesus der Christus, der Erlöser ist.“

—  Zitat: Thomas Frings

"Gott funktioniert nicht" ist keine Fortsetzung von "Aus, Amen, Ende?", es unterläuft auch die Erwartungen, die nach dem ersten Buch geweckt wurden: Liefert Frings endlich das Patentrezept? Er verweigert sich dem. Kein reißerischer Aufkleber behauptet dieses Mal, dass es Ideen für die Zukunft des Glaubens gibt.

"Gott funktioniert nicht" ist in diesem Sinn dann aber doch eine Fortsetzung des vorigen Buchs: War die Antwort damals noch die nicht ausgearbeitete Idee von "Entscheidungsgemeinden", ist der neue Ansatz bescheidener – und radikaler: "Wer nicht erlösungsbedürftig ist, der braucht auch keinen Erlöser", heißt es jetzt bei ihm trocken. Die Kirche steht und fällt damit, ob sie ihre Hoffnung plausibel machen kann. Dieses Mal versucht Frings nicht, Probleme zu diagnostizieren und Lösungen zu skizzieren. Er versucht, Rede und Antwort zu stehen über die Hoffnung, die ihn erfüllt.

Von Felix Neumann