Der künftige Präsident des Cäcilien-Verbandes im Interview

"Vor allem die traditionellen Kirchenchöre altern"

Veröffentlicht am 22.11.2017 um 13:55 Uhr – Lesedauer: 
Kirchenmusik

Passau ‐ Als Nachfolger des bedeutenden Kirchenmusikers Wolfgang Bretschneider wird er ein schwieriges Erbe antreten: Der künftige Präsident des Cäcilien-Verbandes Marius Schwemmer hat dennoch einiges vor.

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Marius Schwemmer sitzt gern selbst an der Orgel: Im nächsten Jahr wird er zudem neuer Präsident des Allgemeinen Cäcilien-Verbandes (ACV). Wie er das Erbe seines Vorgängers Wolfgang Bretschneider weiterführen will und was der Kirchenmusikverband zu besseren Gottesdiensten beitragen kann, hat er katholisch.de erzählt.

Frage: Herr Schwemmer, im September werden Sie ein großes Erbe antreten: Sie werden Wolfgang Bretschneider als Präsident des Cäcilien-Verbandes nachfolgen. Haben Sie schon eine Idee, was Sie mitnehmen werden?

Marius Schwemmer: Wolfgang Bretschneider hat nicht nur das Amt, sondern auch die Kirchenmusik in Deutschland sehr geprägt – er hat sein Leben der Kirchenmusik gewidmet. Das ist in der Tat ein großes Erbe, das ich weiterführen möchte. Das Kirchenchorwesen in Zeiten von Umbrüchen mitzugestalten und dafür einzustehen, das nehme ich mit und darum möchte ich mich auch weiterhin bemühen.

Frage: Welche Umbrüche meinen Sie?

Schwemmer: Beim ACV selbst stehen strukturelle Umgestaltungen an, zunächst natürlich der Wechsel des Präsidenten im Hauptberuf, wie bei Wolfgang Bretschneider, zum Ehrenamt, wie in meinem Fall. Außerdem wird es eine Hauptaufgabe sein, zu sehen, wie wir mit dem Verband den Veränderungen in den Pfarreien entsprechen können. Im Bereich der Kirchenmusik hat sich auch viel getan: Es gibt inzwischen viele Zusammensetzungen jenseits des klassischen Kirchenchores, wie Projektchöre, Bands und Vokalensembles. Das wollen wir in den Blick nehmen und versuchen, allen mit entsprechendem Repertoire gerecht zu werden und sie zu unterstützen.

Frage: Gehört zu den Umbrüchen auch der demografische Wandel?

Schwemmer: Den demografischen Wandel gibt es natürlich auch in der Kirchenmusik, vor allem die traditionellen Kirchenchöre altern. Aber gleichzeitig haben wir viele kirchliche Kinder- und Jugendchöre, die nachkommen. Weil damit viel Neues entsteht, empfinde ich dies eher als wirklichen Wandel. Wir reagieren aber selbstverständlich darauf, denn dort braucht es spezielles Repertoire und eine Antwort darauf, wie man die jüngeren und die älteren Sänger zusammenbringen kann.

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Im Juli zeigte das Europäische Kirchenmusikfestival die große Bandbreite sakraler Musik. Aber wie weit darf Kirchenmusik gehen? Musikwissenschaftler Wolfgang Bretschneider sieht Möglichkeiten, aber auch Grenzen.

Frage: Welche Themen liegen Ihnen denn inhaltlich am Herzen?

Schwemmer: Inhaltlich sind wir mit den Fortbildungen, Wettbewerben und Publikationen sowie den Ehrungen gut aufgestellt – das soll weitergehen. Die Ehrungen als Motivation für Kirchenmusiker wollen wir auch auf ehrenamtliche Chorleiter und Organisten ausweiten. Ein Thema, das mir am Herzen liegt, und das ich gerne einbringen möchte, ist die Verbindung von künstlerischer Praxis, theoretischer Reflektion und theologischer Durchdringung. Welche Angebote kann man schaffen, damit Kirchenmusiker spirituell auftanken können? Als Kirchenmusiker ist man ja nicht nur Handwerker an einem Instrument, sondern man musiziert immer aus einer speziellen Motivation, aus dem Glauben heraus. Während meiner Zeit als Kirchenmusiker habe ich gemerkt, dass ich nach einer solchen Möglichkeit gesucht habe, und dass ich damit nicht alleine bin. Also will ich Angebote mit dem ACV schaffen, die den Musiker als praktizierenden Gläubigen und spirituellen Menschen in den Blick nehmen.

Frage: Sie werden ja im Moment für Ihre neue Aufgabe angelernt. Gibt es etwas, das Sie dabei überrascht hat?

Schwemmer: Bisher bin ich ja schon als Vizepräsident im Präsidium des ACV und verantwortlich für die Publikationen und Hilfestellungen. Für mich neu ist, jetzt auch den Verband nach außen hin zu repräsentieren. Wolfgang Bretschneider hat den ACV in der Öffentlichkeit vertreten und ihn gut vernetzt in der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, wie zum Beispiel der Bischofskonferenz, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, dem Deutschen Musik- und Kulturrat und anderen Chorverbänden. Das macht die großen Fußstapfen, in die ich trete, noch größer.

Frage: Im Moment wird viel über die Qualität von Gottesdiensten diskutiert. Wie kann der ACV zur Qualitätssteigerung beitragen?

Schwemmer: Es ist natürlich Aufgabe des ACV, durch Publikationen, Hilfestellungen und eigenes Wirken eine gewisse Vorbildlichkeit an den Tag zu legen. Mit unserer Arbeit wollen wir dazu beitragen, dem Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils gerecht zu werden. Dazu gehört zum Beispiel auch, zeitgenössische Chorliteratur in Chorbüchern und als Chorblätter zusammenzustellen und zu präsentieren – unter anderem solche, die auch ein Laienchor umsetzen kann. Das ist Musik in der ganzen stilistischen Bandbreite, die für Nicht-Profis gut zu erarbeiten ist, die aber auch gut in die Liturgie passt. Dazu kommen Auftragskompositionen wie das "Regensburger Magnificat" von Pater Theo Flury zum Katholikentag 2014, die wir dann aufführen, um sie erfahrbar zu machen. Wir versuchen außerdem, Impulse zu geben, indem wir den Diskurs über zeitgenössische Literatur in unserer Verbands- und Fachzeitschrift "Musica Sacra" begleiten.

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Er gilt als einer der bedeutendsten Kirchenmusiker Deutschlands: Wolfgang Bretschneider. Seit 1989 leitet er den Allgemeinen Cäcilienverband der Kirchenchöre. Letztes Jahr feierte er seinen 75. Geburtstag.

Frage: Sie sind ja Diözesanmusikdirektor und Leiter der Passauer Dommusik. Wie bringen Sie das ab nächsten September mit Ihrem Amt als Präsident des ACV unter einen Hut?

Schwemmer: Inhaltlich ergänzt sich das für mich sehr gut. Ich finde es wichtig, dass meine Arbeit als ACV-Präsidenten in der Tätigkeit als Diözesan- und Dommusikdirektor verwurzelt ist. So stehe ich auch in der Praxis und bekomme die Fragen und Erfahrungen aus der Diözese mit – und so war es ja auch bei Wolfgang Bretschneider. Organisatorisch wird es mit meiner neuen Aufgabe spannend. Vor der Wahl habe ich mich natürlich mit dem Generalvikar Klaus Metzl abgesprochen und erfahre von der Diözese her generell große Unterstützung, für die ich sehr dankbar bin. Dennoch wird es eine größere Umstellung von Wolfgang Bretschneider, der als Priester und Subsidiär am Bonner Münster für diese Aufgabe umfangreich beruflich freigestellt war, zu mir im Ehrenamt. Aber ich habe ein tolles Team beim ACV und gehe das guten Mutes an.

Frage: Was bedeutet denn das Musizieren für Sie persönlich? Kommen Sie überhaupt noch dazu?

Schwemmer: Es war mir bereits bei meinem Dienstantritt als Diözesanmusikdirektor wichtig, dass ich weiterhin eine kleine Kirchenmusikstelle haben darf. Ich bin Kirchenmusiker der katholischen Studentengemeinde an der Universität Passau. Da spiele ich in den Abendgottesdiensten die Orgel und leite unter anderem den Chor der katholischen und evangelischen Studentengemeinde. Das ist meine musikalische Tankstelle, es ist mir wichtig, dort mit den Studenten Musik zu machen, weil das auch Ausdruck meines Glaubens ist. Die Bratsche, die ich im Studium gelernt habe, habe ich allerdings an die Wand gehängt.

Von Johanna Heckeley

Zur Person

Marius Schwemmer ist auf der Mitgliederversammlung des Allgemeinen Cäcilien-Verbandes in Erfurt am 7. November zum neuen Präsidenten gewählt worden. Er wird im September 2018, zu den Feierlichkeiten des 150-jährigen Jubiläums des Verbandes, Wolfgang Bretschneider nachfolgen, der dem Kirchenmusikverband seit 1989 vorsteht. Schwemmer hat Katholische Kirchenmusik, Theologie, Musikwissenschaft und Musikpädagogik studiert und ist Diözesanmusikdirektor sowie der Leiter der Bischöflichen Dommusik in Passau.