Theologe Paul Zulehner über seine Initiative "Pro Pope Francis"

Warum der Papst jetzt Unterstützung braucht

Veröffentlicht am 18.10.2017 um 13:56 Uhr – Lesedauer: 
Warum der Papst jetzt Unterstützung braucht
Bild: © KNA
Kirche

Bonn ‐ Paul Zulehner ist Mitinitiator der Initiative "Pro Pope Francis". Katholisch.de hat mit ihm über fehlende Unterstützung aus dem Vatikan und die - bisher - schweigende Mehrheit des Kirchenvolks gesprochen.

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Mit einer "Kindlichen Zurechtweisung" haben konservative Katholiken jüngst den Papst kritisiert. Jetzt reagieren Bischöfe, Theologen, Politiker und andere Prominente. Sie verteidigen Franziskus in einem offenen Brief, der auf der Website "www.pro-pope-francis.com" zugänglich ist und von jedem unterzeichnet werden kann. In dem Schreiben wird der Papst gebeten, nicht von seinem bisherigen Kurs abzuweichen, und ihm Unterstützung zugesichert. Mitinitiator ist der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner. Im katholisch.de-Interview spricht er über die Entstehung der Initiative, über den richtigen Umgang mit den Papstkritikern und die vielen Menschen, die sich beteiligen.

Frage: Herr Zulehner, bei allem Respekt: Hat ein Pontifex Maximus die Rückendeckung einer Initiative wie der Ihren überhaupt nötig?

Zulehner: Asztrik Várszegi, der Erzabt von Pannonhalma, der auch Bischof ist, hat uns mitgeteilt, er unterzeichne natürlich – obwohl er es sehr bedauerlich finde, dass so etwas überhaupt nötig ist. Und dem kann ich mich schon ein wenig anschließen. Auf der anderen Seite wissen wir auch vom Papst selber, dass er die Pluralität und den offenen Meinungsaustausch liebt und solchen nicht unterdrückt. Und insofern ist diese Auseinandersetzung, die wir wollen, für das Leben der Kirche durchaus kreativ.

Frage: Kritiker könnten dennoch von einem "Armutszeugnis" sprechen, dass jetzt eine Gruppe kommen und dem Chef der Weltkirche "helfen" muss. Was setzen Sie dem entgegen?

Zulehner: Ich glaube, da kommt weniger der Papst in die Schusslinie. Es geht ja auch um eine faire Auseinandersetzung im Kirchenvolk selber, unter den Bischöfen, den Theologen, den Kardinälen. Und an dieser fairen Auseinandersetzung beteiligen wir uns – mit offenem Visier.

Frage: Man liest aus Ihrem öffentlichen Brief heraus, dass es sich um eine Antwort auf den "Dubia-Brief" und die zuletzt veröffentlichte "Kindliche Zurechtzuweisung" handelt. Dahinter stecken ja eher kleinere Gruppen, die aber gewissermaßen "laut schreien". Bekommen diese Grüppchen durch Ihre Aktion nicht noch mehr Aufmerksamkeit?

Zulehner: Wir hatten den Eindruck, dass eben nur diese kleinen Gruppen die Aufmerksamkeit genießen. Die Bischöfe schweigen, und auch medial wird zugunsten der schweigenden Mehrheit wenig gemacht. Und wir möchten diese schweigende Mehrheit jetzt zu Gehör bringen. Das gelingt außerordentlich. Die Unterstützung ist überwältigend. Wir haben jetzt schon über 4.000 Unterstützer und weit über 160 Unterzeichner des Briefes. Und das sind teils sehr prominente Leute, wie Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse oder der frühere Staatspräsident von Ungarn, László Sólyom. Es kommen weltweit laufend neue Leute rein, Menschen wie Anselm Grün aus Deutschland oder David Steindl-Rast aus den USA, also die "Gurus" der Weltkirche.

Frage: Warum schweigt die Mehrheit denn überhaupt, auch die Bischöfe? Warum melden sich nur die wenigen Kritiker?

Zulehner: Es ist schon beachtlich, dass es so viel Schweigen unter den Bischöfen gibt. Aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass schon eine beträchtliche Zahl der Bischöfe aus der Zeit vor Franziskus stammt. Denen kommt dieser couragierte Weg des Papstes nicht ganz geheuer vor. Und dann warten sie halt ab, was passiert. Ich habe zur unserer Initiative auch Antworten von Bischöfen und Kardinälen, die genau diese noble Zurückhaltung signalisieren. Ich teile sie nicht, aber man kann ihre Beweggründe verstehen.

Ein Porträt des Pastoraltheologen Paul Zulehner
Bild: ©KNA

Der Wiener Pastoraltheologe und Mitinitiator der Initiative "Pro Pope Francis" Paul M. Zulehner.

Frage: Sie sagten "noble Zurückhaltung". Sind nicht vielleicht viele dabei, die auch so denken wie die Kritikergruppen, sich aber nicht trauen, etwas zu sagen?

Zulehner: Das gibt es sicherlich auch. Man hat ja schon auf der Familiensynode gesehen, dass es eine Auseinandersetzung in diesem sensiblen Punkt der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten gibt. Das gehört aber, wie der Papst selber sagt, zum Normalfall einer Entwicklung. Es braucht eine Vorhut, die die Entwicklung startet, es gibt Bremser und es gibt die große Mitte, die mitgeht, wenn man sie überzeugen kann. Und wir wollen nun auch etwas Überzeugung leisten im Kirchenvolk.

Frage: Waren denn der "Dubia-Brief" und die "Zurechtweisung" legitime Wege der Kritik oder sind die Gruppen da zu weit gegangen?

Zulehner: Das will ich nicht beurteilen. Ich glaube, die haben sich was dabei gedacht und haben Gründe und Argumente, die vielleicht nicht die richtigen sind, aber aus ihrer Sicht eben doch zu Gehör gebracht werden müssen. Ich bin da ein sehr friedfertiger und diskussionsbereiter Gesprächspartner für solche Gruppen. Und ich glaube – das ist auch ein Anliegen der Initiative –, dass es den Brückenbau zwischen den verschiedenen Gruppen in der Kirche braucht. Auch das könnte durchaus angestoßen werden durch unsere offene Aktion.

Frage: Der Papst schweigt zur Kritik an seiner Person. Sollte er nicht besser selbst darauf antworten, statt andere Leute wie Sie es "machen zu lassen"?

Zulehner: Ich habe mich mit "Amoris laetitia" intensiv beschäftigt und ein Buch mit dem Titel "Vom Gesetz zum Gesicht" darüber geschrieben. Und ich gebe dem Papst recht, wenn er sagt: "Lest einfach den Text gut." Ich habe auch mit Kardinal Schönborn darüber gesprochen. Er ist wie ich der Meinung, dass es theologisch astrein ist, was in "Amoris laetitia" gemacht worden ist. Und ich glaube, dass der Papst schweigt, weil er sagt: "Die Leute können ja lesen und, wenn sie wollen, auch richtig verstehen. Und wenn es noch Bedenken gibt, dann soll das unter den Theologen diskutiert werden, aber nicht weltöffentlich."

Frage: Die Zusammensetzung der Unterzeichner ist bunt gemischt. Wie ist diese Gruppe entstanden? Gehen Sie gezielt auf die Menschen, auch auf Bischöfe und Kardinäle zu?

Zulehner: Es war Tomas Halik, der die Idee zur Initiative hatte und mich gewonnen hat, das mit ihm zusammen auf den Weg zu bringen. Und er hat ein riesiges Netzwerk gerade auch in den angelsächsischen Bereich hinein, wo er prominente Leute gewonnen hat und noch gewinnen wird. Ich mache das verstärkt in Europa, aber auch in Asien wie Taiwan. Wir haben weltweit wirklich gute Kontakte und suchen die Unterzeichner handverlesen, während sich die Unterstützer direkt über die Homepage eintragen können.

Wer den Papst unterstützen möchte

Wer den offenen Brief an Papst Franziskus selbst unterschreiben möchte, kann das unter folgendem Link tun.

Frage: Handverlesen heißt, Sie haben vorab Listen von potenziellen Unterzeichnern erstellt?

Zulehner: Jawohl, und wir schreiben die gewünschten Personen an. Dann ist es wie ein Schneeballsystem, da wir die Leute bitten, für unsere Initiative in ihrem Kreis weiter zu werben.

Frage: Wen wollen Sie denn noch gewinnen?

Zulehner: Beispielsweise versuchen wir auch unter den Orden Leute zu gewinnen und haben auch bereits Generaloberinnen und Provinzoberinnen dabei. Wir wollen eben nicht nur Kardinäle und Bischöfe haben. Die sind willkommen, aber im Grunde genommen ist es eine Aktion des nachdenklichen und engagierten Gottesvolkes – das gilt für die Unterzeichner wie die Unterstützer. Es soll die ganze Bandbreite der Kirche abgedeckt werden, wobei wir die Prominenten aus Theologie und Politik schon ausdrücklich sichtbar machen möchten und sie deshalb auflisten. Auch unter den deutschen Bischöfen möchten wir übrigens noch Unterzeichner gewinnen.

Frage: Und wie kam ein Mann wie Wolfgang Thierse dazu?

Zulehner: Das lief vermutlich über das ZdK und Professor Thomas Sternberg. Nicht zuletzt mit den Laienorganisationen und -initiativen pflegen wir intensive Beziehungen. Auch die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich, Gerda Schaffelhofer, ist unter den Unterzeichnern. Wir gehen gezielt auf diese Leute zu. Es ist aber erstaunlich, dass wir auch unter den absolut seriösen Spitzentheologen – ob aus Amerika, Osteuropa, Deutschland oder Österreich – eine unglaubliche Akzeptanz gefunden haben. "Endlich", sagen die Leute, "Glückwunsch!"

Frage: Was ist Ihr Ziel? Wie viele Unterstützer sollen es werden?

Zulehner: Ich weiß nicht, was dabei rauskommen wird. Ich staune zurzeit eher, wie schnell das jetzt geht. Dass in wenigen Tagen sozusagen so viel Feuer aufgeflammt ist. Das heißt: Der Boden war schon sehr trocken und bereit zu brennen. Wie viele es dann am Ende sein werden, ist wahrscheinlich im Detail gar nicht so wichtig. Wir werden in jedem Fall unglaublich viele Unterstützer kriegen. Wenn es so weitergeht, rechne ich mit über 10.000 Menschen. Und das kann man dann medial nicht übersehen. "Radio Vatikan" hat schon darüber berichtet. Es ist also auch in Rom schon längst angekommen, was wir da machen.

Frage: Was machen Sie am Ende der Initiative mit den ganzen Stimmen?

Zulehner: Wir wollen am Schluss dem Papst selbst diesen Brief zusenden, in dem alle Unterzeichner und Unterstützer aufgelistet sind. Und ich denke, dass das seiner durchaus nicht immer leichten Amtsführung Rückenwind geben wird. Der Vatikanjournalist Marco Politi sagt, der Papst habe zu wenig Unterstützung im Vatikan. Also bekommt er sie jetzt von außen, von uns.

Von Tobias Glenz