Warum uns das heutige Evangelium keine Angst machen muss
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Impuls von Schwester Charis Doepgen
Wer im Sonntagsgottesdienst mal kurz gedöst hat – soll ja vorkommen! – und plötzlich die Worte hört, "die Völker bestürzt und ratlos ... Menschen ... vor Angst vergehen", der könnte im ersten Moment denken, er sitzt vor der Tagesschau. Die täglichen Katastrophenmeldungen klingen ganz ähnlich. Apokalyptische Szenarien des Klimawandels, der letzte Tsunami in Asien oder die Waldbrände in den USA geben den Worten des heutigen Evangeliums ein aktuelles Kolorit. Auch mit "Rausch und Trunkenheit" kennt sich unsere Gesellschaft sehr extensiv aus. Was die "Sorgen des Alltags" angeht, hat von uns jeder und jede reichlich eigene Erfahrungen. All das macht uns Angst. Das Befremdliche einer solchen Bibelstelle ist also eigentlich das allzu Bekannte, auch wenn es "in jener Zeit" vor 2.000 Jahren gesprochen wurde.
Was da an kosmischen Zeichen an den Himmel gemalt wird, soll aber keineswegs die Angst vergrößern. Genau das Gegenteil ist die Absicht Jesu. Etwas salopp gesagt geht es ihm darum: Bangemachen gilt nicht! Jesus entwirft das Bild einer Zukunft, in der die Menschen aufatmen können.
Seine Vision vom kommenden Menschensohn in Herrlichkeit durchbricht unsere Erfahrungswelt und bringt den Glauben ins Spiel. Und das auf eine sehr radikale Weise. Hier habe ich es nicht mit dem populären Jesus zu tun, der Kranke heilt, für Arme und Sünder eintritt und so schöne plausible Geschichten erzählen kann in seinen Gleichnissen. Sein Blick im heutigen Evangelium richtet sich in eine Zukunft, die ganz in der Hand Gottes liegt – für die uns daher die authentischen Bilder fehlen. Auf dieser Ebene des Glaubens geht es um Haltungen: Aufrecht, nüchtern, wachsam, betend will Jesus seine Jünger und Jüngerinnen sehen.
Der Advent ist die große Einladung am Beginn des Kirchenjahres, diesen Appell Jesu neu zu hören. In der säkularen Endzeitstimmung unserer Zeit sich aufrichten lassen von der Hoffnung auf Erlösung; in den berauschenden Möglichkeiten der Welt nüchtern die Grenzen wahrzunehmen; in den Sorgen des Alltags wachsam zu bleiben für Gottes Spuren in unserem Leben; in Zweifel und Müdigkeit nicht die Verbindung verlieren zu dem Gott, der ein Ohr für uns hat – darum geht es heute. Angst darf nicht die Prioritäten unseres christlichen Lebens durcheinander bringen.
Die Eucharistiefeier am 1. Adventsonntag beginnt mit einem großen Aufschwung, dem Introitus "Ad te levavi animam meam: Deus meus..." - Zu dir erhebe ich meine Seele, mein Gott... Wie der Text steigt auch die gregorianische Melodie zielstrebig auf bis zum höchsten Ton über dem Wort mein Gott. Ad te... zu dir – zu Gott hin sind wir unterwegs. Das ist unser Lebensprogramm als Christen. Der Advent ist ein guter Zeitpunkt, unser "Navi" wieder neu mit dem großen Ziel "Ad te!" zu programmieren und aufzublicken. Dann können wir zu allen Zeiten des Kirchenjahres diesem Gott begegnen, der sein Kommen angekündigt hat.
Evangelium nach Lukas (Lk 21,25-28.34-36)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.
Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht wie eine Falle; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt!