Kolumne: Mein Religionsunterricht

Wie kann ich als Lehrer in der Nachfolge Christi stehen?

Veröffentlicht am 15.02.2019 um 14:39 Uhr – Lesedauer: 

Wentorf ‐ Schülern schlechte Noten geben, weil sie im Unterricht zu ruhig sind? Für Heinz Waldorf war das nicht die Lösung. Deshalb hat er sich ein anderes Modell überlegt. Ein Religionslehrer zwischen "charismenorientierter" Pädagogik und der biblischen Erzählung von Zachäus.

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Müssen Schülerinnen und Schüler im Unterricht ständig sprechen? Ich bin nicht der Meinung. Daher habe ich vor einiger Zeit einen Rückmeldebogen eingeführt; zunächst in der Oberstufe, später auch im 6., 7. und 8. Jahrgang. Warum? Natürlich, weil mich interessiert, was Schüler in einer Doppelstunde ihrer Meinung nach gelernt haben. Vor allem aber haben sie so stets die Möglichkeit, im Nachgang ihre Gedanken zum Unterrichtsgeschehen aufzuschreiben. Ich bewerte diese Äußerungen als Unterrichtsbeiträge. Es gilt die Devise: Reden ist nicht unbedingt nötig, aber nicht reden und auch nicht schreiben geht nicht. Auch können die Schüler jederzeit schriftliche Beiträge oder Ausarbeitungen zum aktuellen Thema abgeben. Erstaunlich viele von ihnen nutzen das Angebot.

Tiefgang in Rückmeldebögen

Es macht mir zwar zeitweise eine Menge Arbeit. Doch dafür hält sich der Aufwand mit den Klausuren im Religionsunterricht einigermaßen im Rahmen. Außerdem haben mich in Zeugniskonferenzen Begründungen für schlechte Beurteilungen immer geärgert, die allein besagten, das Kind habe sich nicht am Unterricht beteiligt. "Es hat ja nichts gesagt." Wäre es nicht meine pädagogische Pflicht hier kreativer zu sein, habe ich mich gefragt. Abgesehen davon, dass es im Religionsunterricht selten Leute gibt, die gar nicht beteiligt sind, sehe ich nicht ein, warum ein stiller oder ängstlicher Mensch zu etwas gezwungen werden sollte, das ihm nicht entspricht.

In einem Kurs im 11. Jahrgang haben zwei Schülerinnen, die kein einziges Wort über die Lippen bekommen, auf dem Zeugnis im Januar eine zweistellige Punktzahl erhalten. Neben gut gelungenen Referaten hatten sie mir regelmäßig doppelseitig beschriebene Rückmeldebögen mit zum Teil tiefgründigen Gedanken abgegeben. Es ist ein Gebot der Achtung und Wertschätzung, dies zu honorieren.

Bild: ©picture alliance/akg-images

Heinz Waldorf findet: Wenn Jesus nicht einfach an Zachäus vorbeigeht, kann er das auch nicht bei stillen Schülerinnen und Schülern tun.

Ich denke seit Jahren darüber nach, wie Haltungen Jesu gegenüber Menschen außerhalb der sonntäglichen Gottesdienste eine Rolle spielen können – und zwar an jedem Ort, auch in der Schule. Wie kann ich als Lehrer in der Nachfolge Christi stehen? Immer wieder komme ich auf Zachäus zurück – und die Einsicht, wie vielschichtig und gehaltvoll die doch an sich so kargen Erzählungen sind. Zachäus sitzt nun mal auf seinem Baum. Jesus geht nicht vorüber! Manche meiner Schüler sind nun einmal still. Ich möchte aber nicht an ihnen vorüber gehen! Die Zumutung, vom Baum oder vielleicht auch vom "hohen Ross" herabzusteigen, kommt ja früh genug.

Was bedeutet es in der Schule, einen gütigen Gott ins Spiel zu bringen, gar entsprechende Erfahrungsräume zu gestalten? Für mich fängt alles mit meiner eigenen Haltung an. Nach einem nicht ganz gelungenen Referat in der 5. Klasse. haben die Zuhörer gemeinsam mit mir eine ehrliche, aber sehr zugewandte Rückmeldung gegeben. Die Referenten fühlten sich schließlich wertgeschätzt und ernstgenommen. Einer sagte am Ende zu mir: Danke, dass sie mich nicht angeschrien haben, weil ich so ein Referat gehalten habe. Diese Äußerung bedarf keines weiteren Kommentars.

Gibt es eine charismenorientierte Pädagogik?

Dabei kommt mir der Gedanke, dass meine seit einiger Zeit neu belebte ehrenamtliche Tätigkeit in unserer Kirchengemeinde bestärkend wirkt: In der Erstkommunion-Katechese kann ich nur mit den Menschen arbeiten, die da sind. Charismenorientierte Arbeit nennt man das, glaube ich. Ist es denkbar, dass es zumindest im Religionsunterricht eine charismenorientierte Pädagogik gibt? Ich habe ja "nur" die Kinder und Jugendlichen, die mehr oder weniger zufällig in meinen Kursen sitzen. Sie zu achten ist meine Pflicht, nicht sie mir nach meinen oder einer wie immer gearteten Vorstellung, die in der Schullandschaft gerade en vogue ist, zurechtzustutzen.

Natürlich machen längst nicht alle mit! Es gibt ja auch immer noch die Chance über Klausurnoten das Schlimmste zu verhindern oder in einem Referat zu glänzen. Handyfilme oder Bildergschichten, Standbilder sind ebenfalls Bestandteile einer Reihe von Unterrichtseinheiten. Das sind insgesamt eine Menge Möglichkeiten, sich zu profilieren und Beiträge zu leisten, die den Fähigkeiten der einzelnen Schülern entsprechen. Gefreut habe ich mich darüber, dass eine Referendarin meinen Bogen übernommen hat. Referendare sind sehr kompetent und reflektiert, das gibt mir den Eindruck auf dem richtigen Weg zu sein.

Von Heinz Waldorf

Der Autor

Heinz Waldorf ist Lehrer am Gymnasium Wentorf bei Hamburg.

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