Jesuiten-Rektor bekräftigt Aussagen und verweist auf Papst

Wucherpfennig: Paulus hatte anderes Verständnis von Homosexualität

Veröffentlicht am 17.10.2018 um 14:59 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Frankfurt ‐ Das "Nihil obstat" fehlt nach wie vor – und die Causa Wucherpfennig geht in die nächste Runde: Jetzt meldet sich der Jesuiten-Rektor erneut selbst zu Wort. Von seinen Aussagen zum biblischen Verständnis der Homosexualität weicht er dabei in keiner Weise ab. Im Gegenteil.

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Die Debatte um den Frankfurter Hochschulrektor Ansgar Wucherpfennig dauert an. In einem Interview der "Frankfurter Neuen Presse" (Mittwoch) bekräftigte Wucherpfennig seine Auffassung, dass ablehnende Aussagen in der Bibel zur Homosexualität nicht mehr zeitgemäß seien. "Das Verständnis von Homosexualität hat sich gegenüber Paulus komplett geändert", so der Jesuit. Die scharfen Aussagen des Apostels im Neuen Testament gegen "gleichgeschlechtliche Begierde" träfen "nur sehr bedingt die Situation Homosexueller heute und sind auch in einem größeren Zusammenhang zu lesen".

Der Weg, den er in Frankfurt in der Seelsorge für homosexuelle Männer und Frauen gegangen sei, komme für die Betroffenen "eher zu spät", sagte Wucherpfennig. Innerhalb der katholischen Kirche sei es aber "tatsächlich ein Schritt, der für viele neu ist", so Wucherpfennig.

"Dachte, wir gehen den Weg von Papst Franziskus"

Er habe jedoch den Eindruck, "dass ich in der Zuwendung zu Schwulen und Lesben ganz auf dem Weg bin, den Papst Franziskus auch eingeschlagen hatte, mit seinem berühmten Satz: 'Ein Homosexueller? Wer bin ich, ihn zu verurteilen'?" Wucherpfennig fügte hinzu: "Das hat mir Auftrieb gegeben. Ich hatte den Eindruck, dass wir den Weg gehen, den Papst Franziskus mit der Kirche gehen will." Wenn Rom nun den im Bistum Limburg und in Frankfurt begonnenen Gesprächsprozess sanktioniere, wäre dies "sehr verstörend".

Wucherpfennig wurde bereits im Februar für eine dritte Amtszeit als Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen wiedergewählt. Der Vatikan erteilte ihm bislang noch nicht die erforderliche Unbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat"). Wucherpfennig hatte sich in Interviews kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuellen geäußert.

Auf die Frage, was er mache, falls Rom seine Ernennung zum Rektor tatsächlich verweigere, sagte er nun: "Dann bin ich fröhlich und munter weiter Professor. Und Jesuit, Priester und Seelsorger."

Menschen stehen im Atrium des Hörsaalgebäudes der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt
Bild: ©KNA

Menschen stehen im Atrium des Hörsaalgebäudes der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt.

Unterdessen meldeten sich weitere Stimmen zu Wort, die sich hinter Wucherpfennig stellen: Die Erfurter Theologie-Professoren sehen die fehlende Bestätigung des Vatikan für eine weitere Amtszeit "im völligen Widerspruch" zu jüngsten Papst-Aussagen. Der Bundesvorstand der katholischen Hochschulseelsorgerinnen und -seelsorger (KHP) äußerte sich entsetzt über den Umgang mit Wucherpfennig.

In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung, die von fünf Professoren der katholisch-theologischen Fakultät Erfurt unterzeichnet ist, heißt es: "Die Ausführungen des Papstes sind in der Theologie als Zeichen wahrgenommen worden, dass die Kirche die Freiheit und Unabhängigkeit theologischer Forschung und Lehre akzeptiert und fördert."

Die Professoren verweisen dabei auf das Anfang des Jahres von Papst Franziskus veröffentlichte Hochschulpapier "Veritatis gaudium" ("Die Freude der Wahrheit"). Von der Theologie verlange der Papst nicht weniger als einen "radikalen Paradigmenwechsel" und eine "mutige kulturelle Revolution".

Glaubwürdigkeit der Theologie beschädigt

Die Erfurter Theologen erklärten: "Leider verstärken sich in letzter Zeit die Zeichen, dass dies kein Einzelfall ist." Das Vorgehen beschädige zudem die Glaubwürdigkeit der Theologie in der Öffentlichkeit und erschwere Theologen die freie und kreative Auseinandersetzung mit den Fragen der Gegenwart. "Gerade in der gegenwärtigen Krise der Kirche ist es für uns unverständlich, dass nicht das offene, furchtlose Gespräch und die Möglichkeiten einer kompetenten wissenschaftlichen Reflexion für eine anspruchsvolle, gegenwartssensible theologische Ausbildung genutzt werden sollen."

Der KHP-Vorstand erklärte, er könne die "Wertmaßstäbe", die im Fall Wucherpfennig im Umgang mit der sexuellen Orientierung von Menschen zutage träten, nicht teilen. Der Vorfall habe eine hochschul- und wissenschaftspolitische Dimension, die für die Kirche an den Hochschulen "eine fatale Wirkung" zeige, erklärte der KHP-Vorsitzende Jürgen Hünten. "Wie kann ich in einer solchen Situation noch sagen, wir Katholiken würden uns für die Freiheit der Wissenschaft einsetzen?"

Die gesamte Professorenschaft von Sankt Georgen drang in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme auf eine "zeitnahe Erteilung" des "Nihil obstat" für Wucherpfennig. Zu Recht erwarteten die Katholiken von der Kirche "eine Offenheit für grundlegende Diskurse über Fragen der Sexualmoral und die Repräsentation von Frauen in kirchlichen Strukturen", hieß es. Die "Disziplinierung" von Vertretern innovativer Positionen in offenen theologischen Fragen gefährde die Rolle der Theologie als ernsthafte Gesprächspartnerin in wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskursen. (tmg/KNA)