Zu Gast bei freundlichen Menschen
Sebastian Ibañez ist erst neun Jahre alt und hat schon einen großen Beitrag für den Weltjugendtag geleistet. In der vergangenen Woche hat der Panameño sein Zimmer in der elterlichen Wohnung im Stadtteil El-Carmen von Panama-Stadt geräumt. Hier wohnen jetzt der Student Matthias Lemmer (27) und der Sozialarbeiter Florian Ronge (30), beides Weltjugendtagspilger aus dem Bistum Fulda. Auf dem Schreibtisch steht ein großes gelbes Plakat, auf dem in deutscher Sprache das Wort "Willkommen" steht.
Gebet in drei Sprachen
Doch den Zimmertausch hat der kleine Junge, der stolz ein weißes T-Shirt mit Weltjugendtags-Logo trägt, gut weggesteckt. Gerade steht er gutgelaunt mit den anderen Familienmitgliedern und den beiden Gästen im Wohnzimmer der elterlichen Wohnung im 13. Stockwerk des modernen, weiß gestrichenen Hochhauses "Edificio Vista", zu Deutsch etwa "Gebäude mit Aussicht". Der Name hält, was er verspricht: Vom Balkon aus gibt es eine tolle Panoramansicht über die beleuchtete Skyline der abendlichen Metropole. Doch dafür hat die Familie gerade keine Augen. Sie steht um den Esstisch und spricht zum Abendessen das Tischgebet – und das gleich in drei Sprachen: Spanisch, Deutsch und Englisch. Die deutsche und englische Version steuert Florian bei, der frei formuliert und Gott für die Gastfreundschaft und die Erlebnisse des Tages dankt.
Bei Reis, Bohnen, Fleisch, Salat und frischen Avocados wird wenig später buchstäblich über Gott und die Welt diskutiert. Stockt das Englisch einmal, dann zückt Gastvater Ibañez sein Smartphone, füttert es mit einem Wort und alle lauschen der deutschen Übersetzung, die das Gerät ausspuckt. Gerade wollen die beiden deutschen Pilger ihren Gasteltern erklären, dass in Deutschland fast jedes Kind das Land Panama kennt – aus Janoschs Geschichte "Oh, wie schön ist Panama". Doch Diogenes und seine Frau Esther Zanetti Ibañez haben weder von dem Autor noch von dem Kinderbuch jemals etwas gehört. Da hat Matthias eine Idee. "Moment mal", sagt er, steht auf und holt ein kleines Kuscheltier aus seiner Tasche – die Tigerente. Dann bekommen die Gasteltern auf dem Handy noch ein Foto des Buchs gezeigt. Langsam beginnen sie über die Sprachbarriere hinweg zu verstehen. Sie werde einmal recherchieren, ob es das Buch nicht doch auf Spanisch in Panama gebe, sagt Esther Zanetti Ibañez entschlossen.
"Wer Gott hat, dem fehlt nichts"
Die Zahnärztin hat sich wie viele Panameños während des Weltjugendtags freigenommen. Zusammen mit Sebastian und seinem älteren Bruder Diego (14) hat sie fast sieben Stunden an den Via España angestanden, um den Papst nach seiner Ankunft von Nahem sehen zu können. An einem anderen Tag hat sie mit den beiden Gästen einen Ausflug zum Panama-Kanal gemacht. Und denen scheint es gefallen zu haben. Sie sprudeln geradezu über vor Begeisterung über ihre Gastfamilie. "Sie haben uns nicht nur ihre Wohnung, sondern auch ihr Herz geöffnet", sagt Florian und Matthias ergänzt, dass er sich schon fast fühle wie zu Hause. Gastvater Diogenes gibt das Kompliment auf seine Weise zurück: "Die beiden haben uns viel von zu Hause erzählt und wie wichtig ihnen ihre Familien sind. Da wusste ich: das sind gute Leute. Denn die Familie ist das allerwichtigste".
Dass für seine eigene Familie auch Religion wichtig ist, offenbart sich in der Wohnung in Panama-Stadt schon auf den ersten Blick. Im Regal steht ein gerahmtes Bild von der Erstkommunion Sebastians, garniert mit einer für deutsche Verhältnisse recht kitschigen Jesus-Puppe in einer Art Plüsch-Krippe. Daneben steht auf einem großen Plakat ein Ausspruch der heiligen Teresa von Avila: "Wer Gott hat, dem fehlt nichts". Auf das Thema Religion angesprochen, wird Mutter Esther ernst: Gott und ihre Familie, das seien die wichtigsten Größen in ihrem Leben, sagt die gepflegte zierliche Frau. "Ich versuche meinen Kindern beizubringen: egal was ist, welche Sorgen sie haben, sie können immer auf Gott zählen, er ist für sie da", erklärt sie – und der 14-jährige Diego blickt auf und nickt zustimmend. Dass in Deutschland immer mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren, ist für die Familie kaum vorstellbar. Florian und Matthias sollten den Glauben nach dem Weltjugendtag in Freude leben und an andere weitergeben, fordert Mutter Esther ihre Gäste auf. Und die beiden sagen, sie empfänden den Weltjugendtag wie ein Aufladen der "Glaubens-Batterie".
Weniger ernst geht es zu, als sich Deutsche und Panamaer über die Unterschiede ihrer Kulturen unterhalten. Während die Weltjugendtags-Gastgeber relaxter seien, seien die Deutschen organisierter, ist der Konsens. Die Lateinamerikaner könnten besser feiern, die Deutschen machten das bessere Bier. In beiden Ländern gibt es Karneval, doch während der Karneval in Panama eher dem in Brasilien gleiche, sei es für die Deutschen die Gelegenheit, einmal im Jahr verkleidet in eine andere Rolle zu schlüpfen. In Deutschland sind Juni, Juli, und August die Sommermonate, in Panama die Monate um Dezember und Januar.
Begeistert von der panamaischen Gastfreundschaft
Während im Hinterhof des Büros von Gastvater Diogenes Bananen und Papayas wachsen, gibt es in Deutschland da oft nur Unkraut. Ob in Deutschland die Gewerkschaften auch so stark seien, will der Bauingenieur noch wissen. Er beschreibt sein Land als offen und international. Florian und Matthias berichten begeistert von der panamaischen Gastfreundschaft: "Wenn man hier suchend auf der Straße steht und den Weg nicht findet, dann wird man sofort angesprochen, und jemand hilft einem weiter. Man kommt erst gar nicht dazu, selbst zu fragen". Mit einer erhöhten Kriminalität haben die beiden bisher nichts zu tun gehabt.
Regelrecht erstaunt sind die Gasteltern über die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit ihrer Gäste. Während sie eines Abends nach einer Feier frühestens um Mitternacht mit deren Rückkehr rechneten, klingelte es schon Stunden früher an der Tür. "Ich hätte das in diesem Alter wohl anders gemacht", schmunzelt Gastvater Diogenes. Trotz aller Kulturunterschiede: Das Interesse der panamaischen Familie an Deutschland ist jetzt geweckt. Sie fassen sie einen Entschluss: Bei ihrer geplanten Europa-Reise wollen sie auch einen Stopp in Deutschland einbauen. Und wer weiß – vielleicht sehen sie bei dieser Gelegenheit auch ihre jungen Besucher wieder.