Kölner Kardinal ruft zu mehr Toleranz auf

Woelki: Kultur des Zweifelns gegenüber Ideologien

Veröffentlicht am 09.08.2016 um 18:00 Uhr – Lesedauer: 
Gesellschaft

Hamburg ‐ Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki ruft mit Blick auf "eifernde, rechte Sektierer" zu mehr Toleranz und zu einer "Kultur vernünftigen Zweifelns" auf. Vor allem eine Partei kritisiert er scharf.

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Dabei hätten alle Menschen, ob religiös oder nicht, guten Grund, auch Zweifelnde zu sein, betont der Kardinal: "Die schlimmsten Unmenschlichkeiten geschahen meistens dann, wenn selbstgewisse Gruppen und 'Bewegungen' zweifelsfreie Wahrheiten beanspruchten und als allgemeinverbindlich durchzusetzen versuchten." Dann habe "leider auch in der Kirchengeschichte" der angeblich gute Zweck allzu leicht fragwürdige Mittel geheiligt.

Deutschland sei hier "leider auch ideologisch als Exportweltmeister hervorgetreten", ergänzt der Erzbischof und verweist etwa auf Marxismus und Nationalsozialismus. Die Verachtung parlamentarischer Politik und die "Angst vor der pragmatischen Verschmutzung von Idealen durch den politischen Kompromiss, der von vornherein als 'faul' gedacht wird", habe die Welt in schreckliches Unglück gestürzt. Als aktuelles Beispiel zitiert Woelki aus dem AfD-Grundsatzprogramm, wonach die Partei "dem Bruch von Recht und Gesetz, der Zerstörung des Rechtsstaats" nicht tatenlos zusehen wolle. Einer ihrer Vertreter meine sogar zu wissen, dass Jesus "nicht zufällig zur Rechten Gottes" sitze, so der Kardinal weiter: "Solche Anmaßungen eifernder rechter Sektierer vergiften mit ihrer fanatischen Wahrheitsgewissheit das gesellschaftliche Klima und die nach dem Nazi- und dem SED-Regime bei uns gottlob entwickelte Kultur politischer Mäßigung und menschenfreundlicher Toleranz."

Woelki: Mensch stets unvollkommen und irrtumsfähig

Nach christlichem Verständnis bleibe der Mensch stets unvollkommen und irrtumsfähig und bedürfe immer wieder der Korrektur. Schon Paulus fordere "Prüfet alles und das Gute behaltet", so Woelki weiter. Er ruft dazu auf "diese demütige Haltung gegen die alles vereinfachenden Schreihälse auf unseren Straßen und Internetforen" zu verteidigen. Selbstdistanz, Gewissenhaftigkeit und Respekt vor der Wahrheitssuche Anderer gehörten "zum Besten" des neuerdings wieder gern beschworenen christlichen Abendlandes: "Setzen wir es nicht aufs Spiel." (KNA)