Pastoralreferent Volker Krieger probiert neue Wege in der Seelsorge

"Ich muss mitten zu den Leuten"

Veröffentlicht am 20.08.2016 um 12:01 Uhr – Von Kerstin Schmeiser-Weiß – Lesedauer: 
Seelsorge

Knetzgau ‐ Mit der "Pilgerkirche" durch die Pfarrreiengemeinschaft Knetzgau: Pastoralreferent Volker Krieger probiert im Bistum Würzburg neue Wege in der Seelsorge. Sein Motto: "Ich bin da, habe Zeit und höre zu."

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Es ist ein sonniger Sommernachmittag. Krieger ist gerade mit seiner "Pilgerkirche" in Oberschwappach angekommen. Seine Intention beschreibt er so: "Die Pilgerkirche steht allen Menschen offen. Ich bin da, habe Zeit und höre zu." Pfarrer Jürgen Schwarz, Leiter der Pfarreiengemeinschaft Knetzgau, sieht in der Pilgerkirche einen "neuen, sehr lohnenswerten Ansatz" für die Seelsorge. Sie sei fester Teil der Seelsorgearbeit in der Pfarreiengemeinschaft geworden.

Unterwegs zu den Menschen

Auf einer grünen Wiese in der Ortsmitte, neben der Kirche Sankt Barbara, hat Krieger seinen Schäferwagen abgestellt. "Pilgerkirche. Unterwegs zu den Menschen" steht auf einem Holzschild an der Seitenwand des Wagens. In zwei Schaukästen können Interessierte die kommenden Termine nachlesen. Vor den Wagen stellt er einen Tisch und zwei Bänke - und eine kleine Vase mit bunten Blumen. Immer wieder halten Busse an der Haltestelle vor der Kirche. Kinder steigen aus und eilen nach Hause. Viele winken Krieger zu und rufen laut "Hallo!". Ansonsten sind um diese Uhrzeit nur wenige Spaziergänger unterwegs. Eine Frau führt ihren Hund aus und nickt freundlich, als sie an Krieger vorbeiläuft.

Seit September 2015 ist der Pastoralreferent mit seinem Schäferwagen in der Pfarreiengemeinschaft unterwegs. Das Gefährt ist innen so schlicht wie außen: Holzbänke mit Sitzkissen, ein kleiner Schrank, ein kompakter Ofen, an der Rückwand ein Kreuz von den Kreuzschwestern Gemünden. Krieger stellt den Wagen an ganz alltägliche Orte wie Spiel- und Sportplätze oder Einkaufsmärkte. "Viele Menschen kommen nicht mehr zur Kirche. Und wenn sie zu uns kommen, dann ist das inzwischen hauptsächlich in Zusammenhang mit den Sakramenten", ist seine Erfahrung. "Zur Seelsorge kommt - abgesehen von diesen Anlässen - fast niemand mehr."

Vor allem Kinder und Jugendliche hätten außerhalb der kirchlichen Institutionen kaum Möglichkeit, einem Seelsorger zu begegnen. Und als Pastoralreferent sei er immer zunächst auch ein Vertreter der Institution Kirche. Deshalb habe er nach einem neuen Ansatz gesucht. Seine Lösung: "Ich muss mitten zu den Leuten."

Pilgerkirche baut Barrieren ab

Wenn er mit der Pilgerkirche unterwegs sei, werde er vor allem als Mensch wahrgenommen und weniger als kirchlicher Mitarbeiter, sagt Krieger. "Das baut Barrieren ab. Man spürt sehr stark, dass es wirklich eine Begegnung auf Augenhöhe ist." Er sieht sein Projekt als eine "sinnvolle Ergänzung der Landpastoral". Pfarrer Schwarz teilt diese Sicht. "Mit der Pilgerkirche geht er einen neuen Weg der Seelsorge. Bisher haben sich die Menschen auf den Weg zu uns gemacht, in die Kirchengebäude, um die Sakramente zu empfangen. Jetzt hat sich der Weg umgekehrt und wir gehen dahin, wo die Menschen sind." Das Seelsorgeteam der Pfarreiengemeinschaft sei von Anfang an in die Planungen zur Pilgerkirche einbezogen gewesen und habe Feedback gegeben. So sei das neue Angebot schnell ein Teil der Seelsorgearbeit geworden. "Wir können so Menschen einbeziehen, die sonst nicht mit Kirche in Kontakt kommen", sagt Schwarz.

Auch er selber werde durch die Begegnungen verändert, sagt Krieger. Er erzählt von einem Mann, der eines Abends auf die Pilgerkirche zuging. Er habe wohl eine Behinderung gehabt. "Jeder Satz kostete ihn sehr viel Kraft. Er hat mir ein bisschen leidgetan." Doch dann habe der Mann mit ihm über das Schild gesprochen, das an der Pilgerkirche hängt. Er stelle auch solche Schilder her, aber er brenne die Schrift ein. Dann sei das Gespräch umgeschwenkt auf Musik. Der Mann spielt Mundharmonika, Krieger Akkordeon, und die Frage sei aufgekommen, ob man nicht mal zusammen spielen wolle. "Da hat der Mann sich laut gefragt, ob Akkordeon und Mundharmonika auch die gleiche Tonart spielen, denn nur so könne man miteinander musizieren", erzählt Krieger.

Bild: ©Kerstin Schmeiser-Weiß (POW)

Mit einem schlichten Schäferwagen zieht Volker Krieger durch die Pfarreiengemeinschaft Knetzgau.

Dieser Satz habe die Begegnung verwandelt. "Ich wurde mir meiner eigenen Behinderung bewusst: ein Mangel an Weite meines Herzens. Im gleichen Moment begann es zu brennen und ich entdeckte in dem Mann wahrhaftig meinen Bruder. Die gleiche Tonart war uns nun geschenkt. Überlegenes Mitleid hatte mich anfangs blind gemacht für die wunderbaren Talente dieses Mannes."

Eine Handpuppe für Bibelgeschichten

Zwei Mädchen unterbrechen die Geschichte. "Ist der Benjamin auch da?", wollen sie von Krieger wissen. Esel Benjamin ist eine plüschige Handpuppe. Mit ihrer Hilfe bringt er den Kindern biblische Geschichten näher. "Einmal erzählte Benjamin eine Geschichte von einer Gemeinde aus Korinth", sagt Krieger. "Die Kinder waren total überrascht, dass die Menschen darin zuerst gegessen und später noch Eucharistie gefeiert haben." Am nächsten Tag war es an Krieger, total überrascht zu sein. Denn die Kinder kamen bepackt mit Essen und Getränken und veranstalteten ein großes Picknick. "Dann hat ein Kind gefragt: 'Seid ihr alle satt?' Und dann haben wir gemeinsam Lieder gesungen und gebetet."

Auch die beiden Mädchen wollen eine Geschichte hören - am besten sofort. Krieger klettert in den Wagen und stülpt die Handpuppe über seine rechte Hand. "Wollt Ihr die Geschichte von Daniel in der Löwengrube hören?", fragt Benjamin. In Nullkommanichts klettern die Mädchen auf eine Bank und lauschen gespannt.

Von Kerstin Schmeiser-Weiß