Filmemacher kritisiert Mutter Teresa und den Kult um sie scharf

Heiligsprechung "lächerlich und dumm"?

Veröffentlicht am 27.08.2016 um 17:01 Uhr – Lesedauer: 
Heiligsprechung "lächerlich und dumm"?
Bild: © KNA
Heilige

London ‐ Der Filmemacher Tariq Ali hatte Mutter Teresa schon vor mehr als 20 Jahren in einer Dokumentation kritisiert. Kurz vor der Heiligsprechung des "Engel von Kalkutta" legt er noch einmal nach.

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Der britisch-pakistanische Autor und Filmemacher Tariq Ali (72) findet die bevorstehende Heiligsprechung von Mutter Teresa am 4. September "lächerlich". "Die meisten Heiligsprechungen sind lächerlich, aber diese hier ist auch dumm", sagt Ali in einem Email-Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. "Dieser Papst (Franziskus), der normalerweise sehr intelligent ist, muss die wahren Taten dieser albanischen Schwester kennen", sagt der Autor und verweist auf den Film "Hell's Angel" ("Höllenengel") über Mutter Teresa, den er 1994 mit seinem 2011 verstorbenen Kollegen Christopher Hitchens drehte.

In der umstrittenen Dokumentation prangern die beiden mangelhafte medizinische und soziale Betreuung in Mutter Teresas Heimen für Arme und Sterbende in der indischen Stadt Kolkata an, wo die viel gepriesene Wohltäterin einen "Todes- und Leidenskult" geschaffen habe. "Ich hoffe zumindest, dass der Papst sich 'Hell's Angel' ansieht, wenn auch nur heimlich auf YouTube. Das könnte ihm die Augen öffnen", meint Ali.

Ali und Hitchens: Mutter Teresa hält am Status Quo fest

Der britische Sender BBC hatte erstmals 1969 über das Wirken Mutter Teresas in Kolkata berichtet. Seitdem habe die "profane Verquickung von kitschigem Medienrummel und mittelalterlichem Aberglauben eine Ikone geschaffen ..., die bisher nur wenige infrage zu stellen gewagt haben", meinte der überzeugte Atheist Hitchens in der Dokumentation. Ali und Hitchens kritisierten, Mutter Teresa habe es versäumt, sich mit den Problemen der Armut auseinanderzusetzen.

Linktipp: Ein menschliches Symbol der Nächstenliebe

Von Vielen wurde sie schon zu Lebzeiten wie eine Heilige verehrt: Nachdem Papst Johannes Paul II. Mutter Teresa von Kalkutta bereits kurz nach ihrem Tod seliggesprochen hatte, steht ihre Heiligsprechung nun kurz bevor. Ein Porträt.

Auch sei sie Konflikten mit Politikern aus dem Weg gegangen, die ihre Arbeit feierten, aber andernorts in militärische Konflikte verwickelt waren, oder deren Verbündete in Entwicklungsländern Gräueltaten verübt hätten. Als "Wanderbotschafterin eines zutiefst politischen Papsttums" habe Mutter Teresa gar den damaligen haitianischen Diktator Jean-Claude Duvalier als "Mann des Volkes" gepriesen. "Der Teresienkult ist inzwischen zu einem multinationalen Missionsbetrieb geworden, der jährlich zweistellige Millionenbeträge umsetzt", sagten die Filmemacher.

Seit den 1960er Jahren gilt Ali als Kommentator der internationalen Linken. Er lebt in London, wo er die Zeitschrift "New Left Review" herausgibt. Zu den Aussagen seiner "Hell's Angel"-Dokumentation stehe er noch heute, sagt Ali der dpa. "Ja. Es gibt nichts, was ich oder Christopher Hitchens ändern würden, wenn er noch am Leben wäre. Das kann ich mit guter Gewissheit sagen." Allerdings gibt er zu bedenken: "Ich bezweifle sehr, dass der Film, den wir damals gemacht haben, heute noch einmal in Auftrag gegeben oder gezeigt würde."

Bild: ©KNA

Die Seligsprechung von Mutter Teresa am 19. Oktober 2003 auf dem Petersplatz in Rom - bereits sechs Jahre nach ihrem Tod.

Auch 2013 veröffentlichten renommierte Medien wie "Zeit", "Süddeutsche Zeitung" oder "Welt" kritische Berichte über die Ordensfrau. Anlass war eine umfangreiche Studie zum Leben der berühmten Missionsschwester. Drei kanadische Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, in Armenhäusern von Mutter Teresa hätten schlechte hygienische Zustände geherrscht. Sterbenden seien teilweise Schmerzmittel verweigert worden.

Friedensnobelpreisträgerin und Zweiflerin

Mutter Teresa (1910-1997) hatte 1950 in Kolkata den Orden "Missionarinnen der Nächstenliebe" gegründet, weil die Armut sie dort so sehr erschüttert hatte. Die albanisch-indische Friedensnobelpreisträgerin kümmerte sich um Obdachlose, Hungernde, Ausgestoßene und Todkranke und wurde deshalb auch "Engel der Armen" genannt. Nach ihrem Tod wurde bekannt, dass sie ein Jahrzehnt lang schmerzhafte Zweifel an ihrer Mission und quälende seelische Einsamkeit durchlitten hatte.

Die im Alter von 87 Jahren gestorbene Ordensfrau war 2003 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen worden. Es handelte sich um eine der schnellsten Seligsprechungen der Neuzeit. Im Dezember hatte Papst Franziskus einer Empfehlung der zuständigen Kongregation im Vatikan zur Heiligsprechung zugestimmt. (luk/dpa/KNA)

28.8.2016, 9:35 Uhr: Todesjahr von Hitchens korrigiert