Wo steht der Orden nach der Ära Wolf?
Es gibt einen Witz über katholische Ordensgemeinschaften. Er lautet: Ein Benediktiner, ein Dominikaner, ein Franziskaner und ein Jesuit beten gemeinsam, da geht das Licht aus. Der Benediktiner will weiter beten, er kennt den Text auswendig, der Dominikaner will diskutieren, der Franziskaner will Gott für das schmerzlich vermisste Licht danken. Dann wird es wieder hell: Der Jesuit hat die Sicherung ausgewechselt. Von diesem Witz ist es nicht allzu weit zu dem, was der scheidende Abtprimas Notker Wolf jüngst über den Zustand der Benediktiner sagte: "Man hat lange darauf geachtet, alle Regeln streng einzuhalten - aber dabei ist das Zwischenmenschliche zu kurz gekommen", so Wolf in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Allerdings habe man dieses Defizit inzwischen erkannt.
Am Samstag steht eine Zäsur für die Benediktinische Konföderation bevor, den weltweiten Zusammenschluss aller Benediktinerklöster, der mehr als 20.000 Ordensmänner- und Frauen repräsentiert. Die Äbte der Benediktinerklöster wählen einen Nachfolger für Wolf, der nach 16 Jahren sein Amt als oberster Repräsentant der Benediktiner abgibt. Wo steht der Orden nach der Ära Wolf? Ein Blick auf die Statistik zeigt: Der allgemeine Mitgliederschwund katholischer Orden hat auch die Benediktiner nicht verschont, wenngleich er vergleichsweise moderat ausfällt. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Rückgang zumindest verlangsamt. Ob das möglicherweise auch Wolfs Verdienst ist, bleibt indes Spekulation.
Linktipp: "Ich bin kein Ordensgeneral"
Bald endet die Amtszeit von Notker Wolf als Abtprimas der Benediktiner. Im Interview mit katholisch.de verrät er, was seinen Orden so erfolgreich macht und sagt, wie die Weltkirche die deutschen Katholiken sieht.Einen Triumph zumindest konnten die Benediktiner in diesem Jahr verbuchen: In seinem neuen Regelwerk für katholische Ordensfrauen erhob Papst Franziskus das benediktinische Motto "Bete und arbeite" ("Ora et labora") zur Richtschnur für alle Orden. In seiner Audienz für die in Rom versammelten Benediktineräbte forderte Franziskus sie am Donnerstag im Vatikan auf, "ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Streben nach dem Absoluten und der Verpflichtung der täglichen Verantwortlichkeiten zu finden, zwischen der Ruhe der Kontemplation und der Lebhaftigkeit des Dienstes".
McKinsey und der heilige Benedikt
Diese Balance zu finden ist in der Praxis allerdings nicht immer leicht. Der Versuch, das spirituelle Eigenleben zu bewahren und gleichzeitig offen für Gäste und Besucher sowie wirtschaftlich rentabel zu sein, führt bisweilen zu Spannungen innerhalb der Klöster. Das bayerische Kloster Andechs mit seinem florierenden Bier-Imperium ist das prominenteste Beispiel dafür. Der langjährige Prior des Klosters, Anselm Bilgri, der dem Kloster zu diesem Erfolg verholfen hatte, verließ die Abtei 2004 - offenbar auch, weil Mitbrüder ihm vorhielten, McKinsey über den heiligen Benedikt zu stellen. "Wir müssen auch wirtschaftlich über die Runden kommen", sagte der scheidende Abprimas Notker Wolf jüngst. Jedes Kloster brauche seine "solide Aufgabe".
Die Klöster im deutschsprachigen Raum spielen in der Benediktinischen Konföderation traditionell eine große Rolle. Seit ihrer Gründung vor 123 Jahren, im Jahr 1893, stand dem Zusammenschluss insgesamt 85 Jahre lang ein Abtprimas aus dem deutschsprachigen Raum vor. Von den bisher zehn Amtsinhabern kamen drei aus Deutschland und zwei aus der Schweiz. Eine weitere Besonderheit der Benediktinischen Konföderation ist die starke Präsenz der US-Amerikaner. Drei Ordensleiter kamen bislang aus den Vereinigten Staaten.
Wolfs Nachfolger dürfte dem Vernehmen nach weder aus Deutschland noch aus Österreich oder der Schweiz stammen. Bislang sei kein Kandidat aus dem deutschsprachigen Raum vorgeschlagen worden, ist in Rom zu hören. Auch wenn Franziskus das "Ora et labora" zur Goldenen Regel für alle Orden erhoben hat: Wesentlich an kirchenpolitischem Einfluss gewonnen haben die Benediktiner seit dem Amtsantritt des ersten Jesuiten auf dem Stuhl Petri ebenso wenig wie andere Orden, einschließlich der Jesuiten selbst. An der römischen Kurie hat ihre Zahl sich nicht spürbar erhöht. Um im Bilde zu bleiben: Diese Sicherung hat Franziskus noch nicht ausgewechselt.