Eine Tagung zu christlicher Politik und dem Thema Flüchtlinge

"Mit der Bergpredigt regieren"

Veröffentlicht am 12.09.2016 um 00:01 Uhr – Von Bernd Buchner (KNA)  – Lesedauer: 
Politik

Tutzing ‐ In der Flüchtlingsdebatte verschärft die CSU gerade massiv den Ton. Auf der Tagung "Christen in der Politik" stellte sich deshalb die Frage: Wofür steht das "C" bei den Unionsparteien noch?

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In der Flüchtlingsdebatte verschärft die CSU gerade massiv den Ton. Selbst Unionsstimmen beklagen angesichts neuer Forderungen, die Partei verrate das christliche Menschenbild. Angesichts des aktuellen Streits hätte sich die Evangelische Akademie in Tutzing kaum einen besseren Zeitpunkt für eine Tagung über "Christen in der Politik" aussuchen können. Welche Rolle spielt die Religion im politischen Alltag, was bedeutet das "C" im Namen der Unionsparteien noch?

Das waren nur zwei von vielen Fragen bei der Konferenz am Wochenende. Sie bedeutete eine Premiere, denn die Katholische Akademie Bayern sowie die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung wirkten als Kooperationspartner mit. Bereits der schön prekär gewählte Untertitel "Zwischen Kompromiss und Kompromittierung" versprach lebhafte Diskussionen. Der einstige bayerische Ministerpräsident Seidel gab nach dem Weltkrieg die Parole aus, es dürfe keinen Unterschied geben zwischen Weltanschauung und politischer Praxis. Das sehen viele inzwischen anders, der Begriff christliche Politik ist zu einem "lastenden Wort" geworden, wie der CSU-Grande Hans Maier in seinem historischen Überblick ausführte. Gegenwärtig ist bestenfalls noch von Politik aus christlicher Verantwortung die Rede.

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Laut CSU sollen Zuwanderer aus dem "christlich-abendländischen Kulturkreis" Vorrang haben. Mit der Sorge um das Christentum kann der Vorschlag aber nichts zu tun haben, glaubt Felix Neumann. Er vermutet andere Motive.

Doch lässt sich Welt- oder Bundespolitik heute noch unter den Vorzeichen christlicher Ethik gestalten? Ja, man könne mit der Bergpredigt regieren, sagt Maier. Aber sie kennzeichne nicht die ganze Politik, sondern sei ihr Äußerstes. Der frühere bayerische Kultusminister zitiert Jesus: Was ihr dem geringsten Bruder getan habt, habt ihr mir getan. "Diesen Satz muss ein Politiker, der aus christlicher Verantwortung handelt, stets im Auge und im Ohr behalten." Das lässt sofort an Angela Merkels Flüchtlingspolitik denken - doch im Tutzinger Publikum stößt alles, was nach "Wir schaffen das" klingt, hier vorgebracht von der bayerischen SPD-Landtagsabgeordneten Kathi Petersen, auf gleichsam reflexhafte Abwehr und wird als Gesinnungsethik abgetan. Die silberhaarige Sachlichkeit, die Maier verkörperte, drohte der Tagung stellenweise etwas abhanden zu kommen.

Claudia Roth als Prüfstein der Toleranz

Zuvor hatte Ex-Landeschef Günther Beckstein (CSU) in einem launigen Vortrag eine ganze Palette Politikthemen mit christlichen Bezügen ausgebreitet und Grünen-Ikone Claudia Roth augenzwinkernd als "Prüfstein meiner Toleranz" bezeichnet. In einer Runde von Jungpolitikern wurde deutlich, dass Religion und Kirchen durchaus Bedeutung und Wertschätzung genießen - gerade in der Flüchtlingsfrage liege eine Chance für sie, so Julian Zuber von den Münchner Grünen. Wertvolle theoretische Ansätze steuerten der Berliner Theologe und Ethiker Andreas Lob-Hüdepohl und der Theologe Klaus Tanner aus Heidelberg bei. Lob-Hüdepohl schilderte als Mitglied im Ethikrat die katholische Position in dem Gremium. Tanner wiederum ging erkennbar auf Distanz zu den Möglichkeiten einer vom Glauben geprägten Politik, auch wenn sich die christliche Weltdistanz in Weltgestaltung verwandelt habe.

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Der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki, der ZdK-Präsident Sternberg und der Jesuitenoberere Kiechle äußerten sich zum Papier der CSU zur Einwanderungspolitik. Dabei hat jeder andere Kritikpunkte.

Aus der Praxis berichtete neben Petersen die CSU-Abgeordnete Petra L. Guttenberger aus Fürth. Das christliche Menschenbild sei nicht nur von Solidarität geprägt, sondern auch von Eigenverantwortung, sagte sie. "Wir sollten nicht nur Politik für die Ränder der Gesellschaft machen, sondern die Mitte immer im Auge behalten." Auch religiöse Freiheit habe ihre Grenzen. Heftig prallten die Gegensätze in der Flüchtlingsfrage aufeinander. Während Guttenberger darauf beharrte, Politik müsse dafür da sein, den Wohlstand in einem Land zu erhalten und zu mehren, unterstrich SPD-Frau Petersen: "Angesichts unseres Wohlstands kann es nicht ernsthaft ein Problem sein, Geflüchtete aufzunehmen." Ängste zu schüren, sei weder christlich noch human. Der Hinweis versank im teils heftigen Unmut des Publikums.

Am Ende blieb es der evangelischen Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern vorbehalten, darauf hinzuweisen, "wie emotional das Thema auch hier diskutiert wird". Der Beitrag des Christlichen wäre es auch, so die Theologin aus Nürnberg, den richtigen und angemessenen Ton zu finden.

Von Bernd Buchner (KNA)