Deutsche Bischöfe stellen neue Einheitsübersetzung der Bibel vor

Jahwe heißt jetzt HERR

Veröffentlicht am 21.09.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Vollversammlung

Fulda ‐ Nach jahrelanger Arbeit wurde am Dienstag die neue Einheitsübersetzung der Bibel vorgestellt. Der Text sei laut Bischofskonferenz nun verständlicher und moderner - und trägt eine andere Gottesbezeichnung.

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Es war nicht irgendein Buch, das der emeritierte Bischof von Erfurt, Joachim Wanke, da in seinen Händen hielt, um es den Fotografen im Raum schließlich lächelnd entgegenzustrecken. Es war die neue Einheitsübersetzung der Bibel, die er während der Vollversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda erstmals der Öffentlichkeit präsentierte. Und die für ihn selbst so etwas wie ein Lebenswerk darstellt.

Viele Jahre Arbeit habe sie gekostet, sagte Wanke. Und deshalb sei es für ihn nun ein "bewegender Augenblick". Bereits 2003 fassten die Bischöfe den Entschluss für die Überarbeitung. Seit 2008 war der Bischof Vorsitzender des Leitungsgremiums für die Revision der Einheitsübersetzung. "Eine moderate Revision", wie er bei deren Vorstellung betonte, "und keine komplett neue Übersetzung." Denn die ursprüngliche Fassung, die mittlerweile seit rund 30 Jahren bei den Katholiken in Deutschland, aber auch in der Schweiz, in Österreich und in Luxemburg in Gebrauch ist, sei auch heute noch gut. Dennoch: Man habe einerseits an der Verständlichkeit gearbeitet, da Übersetzungen immer auch Interpretation und Auslegung seien, die "den Stempel ihrer Zeit" trügen. "Andererseits ist die Revision näher am Urtext und die Sprache wirkt biblischer", so Wanke.

"Betroffen" klingt heute zu abgegriffen

In der Praxis sieht das dann etwa so aus: Wo die bisherige Fassung – zum Beispiel in den Evangelien – das Adjektiv "betroffen" verwendet hat, steht nun, je nach griechischer Grundlage, das Wort "traurig" oder der Ausdruck "voll Staunen". Weil das Wort "betroffen" in seiner emotionalisierten Verwendung heute doch sehr abgegriffen wirke, begründete Wanke. Auch an anderer Stelle hat man sich dem aktuellen Sprachgebrauch angepasst. Adam hat nun statt einer "Hilfe, die ihm entspricht" eine "ebenbürtige Hilfe" (Gen 2,18). Und die Frauen Elisabet und Maria werden "schwanger", statt dass sie "empfangen".

Auf der anderen Seite wurde auch die Lebenswelt, in der die biblischen Texte entstanden, bei der Übersetzung stärker berücksichtigt. So etwa bei der griechischen Anrede "adelphoi" ("Brüder") in den Apostelbriefen. Die Revision übersetzte dort, wo Männer und Frauen gleichermaßen Ziel der direkten Anrede seien, das "'adelphoi" sinngerecht mit "Brüder und Schwestern", erklärt Wanke. An anderen Stellen sei es dagegen aus Gründen des Textflusses bei der einfachen Wiedergabe mit "Brüder" geblieben.

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Video: © katholisch.de

Frisch gedruckt ist sie nun da: Die neue Einheitsübersetzung der Bibel. Bei einem Pressegespräch wurde das erste Exemplar präsentiert und vorgestellt.

Laut der Geschäftsführenden Direktorin des Katholischen Bibelwerks, Katrin Brockmöller, müssten sich viele Hör- und Lesegewohnheiten anpassen. Insbesondere bei der sehr poetischen Sprache der Psalmen gebe es Änderungen. Eine wichtige textkritische Erkenntnis findet im Römerbrief (Röm 16,7) ihren Niederschlag. Der Gruß des Paulus richtet sich dort nicht mehr an einen vermeintlichen Junias, sondern an die herausragende Apostelin Junia. "Das ist ein schönes Zeichen", sagte die Theologin. Auch der Gottesname im alttestamentlichen Buch Exodus (Ex 3,14) hat sich geändert. Dort stehe nun nur noch "Ich bin der ich bin" statt des laut Bockmöller vereinfachenden "Ich bin der ich-bin-da". Das lasse Raum für die Offenheit und Unverfügbarkeit in dieser Aussage und sei bedeutend für die Bibelpastoral.

Im Umgang mit dem richtigen Gottesnamen hat sich bei der Überarbeitung aber noch Gravierenderes getan. Denn das bisher gebräuchliche Wort "Jahwe", aktuell noch über 100 Mal in der Bibel zu finden, taucht in der neuen Einheitsübersetzung nicht mehr auf. Das sei einerseits wichtig für den jüdisch-christlichen Dialog, da Juden den Namen Gottes nicht aussprechen dürften, betonte Bischof Wanke. Auf der anderen Seite sei aber auch das stattdessen verwendete Ersatzwort "HERR" (speziell kenntlich gemacht durch die Kapitälchen) schon immer kirchliche Tradition. "Wir greifen damit zudem auch eine weltkirchliche Weisung auf", so Wanke.

Ein Rückschritt in der Ökumene?

Während die neue Einheitsübersetzung für den jüdisch-christlichen Dialog ein Schritt nach vorne sein soll, könnte man sie aber auch als Rückschritt für die Ökumene deuten. Denn statt einer gemeinsamen Fassung veröffentlicht die evangelische Kirche beinahe zeitgleich eine neue Ausgabe der Lutherbibel. Doch hier widerspricht Wanke: "Zunächst muss man sagen, dass auch die alte Einheitsübersetzung – anders als heute häufig behauptet – anfangs keine ökumenische Ausrichtung hatte." Erst später sei man sich mit Blick auf das Neue Testament und die Psalmen näher gekommen. Und dass die neue Lutherbibel zeitgleich erscheine, liege eher daran, dass man seitens der katholischen Kirche länger für die Revision gebraucht habe als zunächst erwartet. Wanke spricht von "gegenseitiger Wertschätzung" statt einem Rückschlag in der Ökumene.

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Um das Projekt allerdings überhaupt erst angehen zu können, waren zahlreiche Experten notwendig. "Fast alle Exegeten aus dem deutschsprachigen Raum haben mitgearbeitet", freute sich Wanke. Insgesamt waren das knapp 50 Professoren für das Alte und das Neue Testament. Darunter so namenhafte Theologen wie Joachim Gnilka oder die mittlerweile verstorbenen Erich Zenger und Rudolf Pesch.

Konsequenzen wird die überarbeitete Fassung der Heiligen Schrift unterdessen auch für die liturgischen Bücher haben, die in deutschsprachigen Gottesdiensten verwendet werden. Dass die neue Einheitsübersetzung auch in die Liturgie der Kirche Eingang finden müsse, verstehe sich von selbst, sagte der Vorsitzende der Liturgiekommission, Bischof Friedhelm Hofmann. Besonders die Lektionare, also die Sammlung biblischer Lesungen für die Feier der Messe, gäben nahezu 100 Prozent biblischen Text wieder. Sie würden ebenso wie das Stundenbuch mit der neuen Übersetzung ediert. Allerdings erbittet sich Hofmann dazu etwas Geduld. Man werde mit den einschlägigen und dringend benötigten Büchern beginnen. "Voraussichtlich wird das erste überarbeitete Lektionar 2018 zum Lesejahr B erscheinen."

Verkaufsstart zu Nikolaus

Auf die erste Ausgabe der neuen Einheitsübersetzung müssen die Gläubigen dagegen wohl nicht mehr so lange warten. Läuft alles nach Plan, steht die neue Bibel bereits zum Nikolaustag 2016 in den Regalen – zunächst in einer Auflage von 100.000 Exemplaren. Alle Varianten – die günstigste wird 9,45 Euro kosten – gibt es dann ab 2017 im Buchhandel. Bischof Wanke wünscht sich jedoch, dass sie nicht dort stehen bleibt, sondern sich "vor allem auch in den Händen vieler, vieler Menschen wiederfindet".

Von Björn Odendahl

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