"Das Sterben geht weiter"
"‘Weiter wie bisher‘", darf nicht das letzte Wort in der europäischen Flüchtlingspolitik sein“, twitterte Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg und Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, am Mittwoch. Damit reagierte er auf das Treffen der EU-Innenminister am Dienstag in Luxemburg. Dessen Ergebnis: keine umfassende Änderung der Asylpolitik.
Demnach bleibt das Land, in dem ein Flüchtling die EU erreicht, für das Asylverfahren und die Unterbringung verantwortlich. Die EU-Staaten wollen Italien mit europäischen Grenzschützern bei der Rettung von Flüchtlingen aus Seenot unterstützen, zugleich aber auch den Grenzschutz verstärken. Eine EU-Expertengruppe soll weitere Hilfe für die Mittelmeerländer ausloten.
Europa schirmt sich ab, lautet die Kritik des Bündnisses "Gemeinsam für Afrika", dem auch verschiedene katholische Organisationen wie Kolping International oder die Malteser angehören. Vor allem die deutsche Flüchtlingspolitik und mit ihr Bundesinnenminister Hans-Peter-Friedrich (CSU) werden scharf kritisiert. "Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern können Europa auf rechtmäßigem Weg nicht erreichen. Die Überwachung und Abriegelung der europäischen Grenzen lässt Menschen in Not verzweifeln", sagte Susanne Anger, Sprecherin von Gemeinsam für Afrika.
"Völliges Versagen"
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat den EU-Innenministern wiederum "völliges Versagen" in der Flüchtlingspolitik vorgeworfen. "Das Sterben auf dem Meer wird weitergehen“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Mittwoch im Bayerischen Rundfunk (BR). Europa rede zwar immer von Menschenrechten. Aber "wenn es darum geht, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu schützen, dann versagt die Europäische Union".
„'Weiter wie bisher', darf nicht das letzte Wort in der europäischen Flüchtlingspolitik sein“
Kritik gibt es aber nicht nur an der EU, sondern auch an den Herkunftsländern der Flüchtlinge. "Es ist eine Schande für die afrikanischen Regierungen der Länder, aus denen diese Menschen kommen", sagte der Erzbischof von Addis Abeba, Berhaneyesus Demerew Souraphie, gegenüber Radio Vatikan.
"Wenn die Situation zu Hause besser wäre, wenn es Arbeit gäbe und wenn man sich frei ausdrücken und äußern könnte, und vor allem wenn es Zeichen von Hoffnung gäbe, vor allem für die jungen Menschen, dann hätten sie diese Reise nicht gewagt", so der Geistliche aus Äthiopien. Zugleich dürfe man aber nicht die Rolle der europäischen Länder an der Tragödie herunterspielen, so der Erzbischof weiter.
Die Kirche müsse Lobbyarbeit betreiben und versuchen, auf Politiker einzuwirken, sagte wiederum Erzbischof Schick im Interview mit dem Kölner Domradio. Als Beispiel für das Engagement der Kirche nannte Schick Caritas-Mitarbeiter, die Flüchtlingen in Deutschland zur Seite stehen und helfen. "Aber die Hauptverantwortlichen sind unsere Politiker", so der Erzbischof.
Kränze auf dem Meer
Unterdessen geht die Suche nach weiteren Opfern des Unglücks weiter. Bereits am Freitag hatte der Gründer der katholischen Bewegung Sant'Egidio, Andrea Riccardi, ein Staatsbegräbnis für die Toten gefordert. Franziskus selbst hatte die Katastrophe als "Schande" bezeichnet. Im Vatikan fand am Mittwoch ein Trauergottesdienst statt.
Nach dem Unglück von Lampedusa waren einige Fischer hinaus aufs Meer gefahren, um Kränze auf das Wasser zu werfen. Dies hatte auch Papst Franziskus bei seinem Besuch auf der Insel Anfang Juli getan, um der bisherigen Toten zu Gedenken. Es werden nicht die letzten gewesen sein. (mit Material von KNA und dpa)
Von Christoph Meurer