"Die Mariensäule ist mein Leben"
Eine Schulklasse auf Wandertour macht es sich am Fuß der Trierer Mariensäule gemütlich. Hoch über dem Moseltal genießen die Jugendlichen auf den Stufen des Denkmalsockels den Blick auf die Römerstadt. Bei dem herrlichen Panorama fällt es kaum auf, dass viele der mitgebrachten Tüten und Verpackungen auf dem Boden landen.
Während der Lehrer über die Säule referiert, richten sich die Blicke der Schüler auf Michael Blum. Der 34-Jährige geht mit einer Mülltüte durch die Reihen der jungen Leute, kehrt mit geübten Handgriffen Scherben zusammen und hält aufmerksam nach Unrat jeder Art Ausschau. Verschämt greifen mehrere Schüler nach ihrem Müll, den sie zuvor achtlos fallengelassen hatten.
Seit Generationen ehrenamtlich im Einsatz für Maria
Michael Blum arbeitet bei der Stadt Trier als Straßenkehrer. Doch gerade ist er in seiner Freizeit unterwegs. Jeden Sonntag hält er das Gelände rund um die Mariensäule sauber. Zwar gibt es für dieses Ehrenamt eine kleine Entschädigung, doch die steht in keinem Verhältnis zu dem Aufwand, den er betreibt. "Es ist eine Herzensangelegenheit."
Schon Michaels Vater Klaus und sein Großvater waren sonntags im Einsatz für die Säule. Michael ging schon als Bub mit. Zeitweise waren auch professionelle Reinigungsfirmen beauftragt. Doch es blieb zu viel Müll liegen.
"Was macht er denn jetzt?", diese Frage steht den beobachtenden Schülern ins Gesicht geschrieben, als Michael Blum plötzlich einen Helm aufsetzt und einen Klettergurt anlegt. Eingehakt im Geländer, klettert er hinüber und geht den Hang des Sandsteinfelsens hinunter.
Bis zu 35 Meter steigt Blum herab, sorgfältig durchkämmt er das zugewucherte, steil abfallende Gelände. Scherben, Grille, Matratzen, Einkaufswagen, Sektflaschen - "ich hab schon alles hier weggeholt, auch Fahrräder", berichtet er. Am Geländer hängen mittlerweile zahlreiche Liebesschlösser; das ist Blum aber deutlich lieber, als wenn Verliebte ihre Initialen in den Stein ritzen.
Nicht nur die Säule selbst, auch ein "zur Erinnerung der Einweihung der Mariensäule" errichtetes Kreuz ist so voll von eingeritzten Initialen, dass man die Inschrift kaum noch lesen kann. Diese feierliche Einweihung vor 150 Jahren, am 8. Oktober 1866, mit dem damaligen Bischof Leopold Peldram, war ein gesellschaftliches Großereignis. Dass es dazu kam, hängt viel mit der Lehre von der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter Maria zusammen, die Papst Pius IX. im Jahr 1854 verkündete.
Beliebter Rastpunkt - auch für Schwangere
Bei vielen Katholiken auch in Deutschland kam es zu einer erstarkten Marienfrömmigkeit, wie der Historiker Arthur Fontaine ausführt. In Rom, Le Puy-en-Velay, Düren und Köln wurden in den 1850er Jahren Denkmäler und Säulen zu Ehren Mariens gebaut. Auch in Trier sammelte ab 1858 ein Komitee Finanzen ein. Durch Kollekten, Benefizveranstaltungen und viele Spenden "kleiner Leute" kamen die Mittel zusammen, wie Fontaine berichtet.
Mehr Informationen
Informationen zur Entstehung der Säule bietet das Buch "Die Marienstätten am Trierer Markusberg. Das Ensemble von Mariensäule, Mariahilf-Kapelle und Stationsweg" von Arthur Fontaine. Es ist 2010 im Verlag Kliomedia erschienen und kostet 15 Euro. 164 Seiten, ISBN 978-3-89890-148-2.Mit der rund sieben Meter hohen sandsteinernen Maria, die ihre Hände zum Gebet faltet, ist das Trierer Denkmal knapp 40 Meter hoch. Es überragt alle Bäume des umgebenden Waldes auf dem Markusberg, wo im ausgehenden 19. Jahrhundert auch eine Kapelle errichtet wurden.
Das Gelände ist heute ein beliebter Rastpunkt für Wanderer, vor allem aber für Verliebte. Blum, der seinem Heimatstadtteil eng verbunden ist und im Tal gleich unter der Säule wohnt, erzählt, dass er hin und wieder einen Anruf bekommt: Kannst du nicht an einem bestimmten Abend sauber machen? Ich will meiner Freundin einen Antrag machen. Manchmal kämen auch hochschwangere Frauen nach oben, um ihr erwartetes Kind unter den Schutz der Maria zu stellen.
Auch für Blum persönlich ist die Säule ein besonderer Zufluchtsort: In schwierigen Momenten schließt er die kleine Tür an der Hinterwand des Denkmals auf. Im schmalen Innenraum führen 105 Stufen in die Höhe. Dort oben, im öffentlich nicht zugänglichen Bereich, ist er am Fuß der Maria ganz für sich. "Dann brülle ich mir auch schon mal die Seele heraus, danach geht es einem schon viel besser." Dort oben ist man dem Himmel ein Stück näher, sagt Blum. Und er ist sich sicher: "Wenn ich mal ein Kind habe, dann sag' ich ihm: Hier, das wird in Zukunft deine Aufgabe sein."