Vizekanzler Gabriel schlägt lutherische Theologin vor

Margot Käßmann als neues Staatsoberhaupt?

Veröffentlicht am 12.10.2016 um 10:55 Uhr – Lesedauer: 
Politik

Berlin ‐ Bellevue und die Protestanten: Die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck könnte die evangelische Theologin Margot Käßmann antreten. Zumindest, wenn es nach dem Wunsch eines Regierungsmitglieds geht.

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Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel will die evangelische Theologin Margot Käßmann als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten gewinnen. Nach Informationen der Zeitungen der Funke Mediengruppe hat Käßmann gegenüber Gabriel bisher offengelassen, ob sie als Kandidatin zur Verfügung steht. Der Vizekanzler möchte daher in naher Zukunft ein weiteres Gespräch mit Käßmann führen.

Gabriel hat nach Informationen der Funke-Zeitungen gegenüber dem Linke-Vorsitzenden Bernd Riexinger vorgefühlt, ob die Linke Käßmann mittragen würde. Der SPD-Vorsitzende favorisiert allerdings weiterhin einen Konsens mit CDU und CSU bei der Suche nach einem Nachfolger von Bundespräsident Joachim Gauck.

"Lutherbotschafterin" wirbt für Reformationsgedenken

Margot Käßmann gilt bei SPD, Grünen und Linken als geeignete Kandidatin für das höchste Amt im Staat. Sie wird als Stimme der sozial Schwachen in Deutschland wahrgenommen. Zudem kritisierte sie den Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Käßmann wurde im Jahr 2010 bei einer Polizeikontrolle mit Alkohol am Steuer ihres Dienstwagens erwischt. Kurz danach trat sie als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und als Landesbischöfin von Hannover zurück. Aktuell wirkt Käßmann als Botschafterin der EKD für das Reformationsgedenken 2017 ("Lutherbotschafterin"). (KNA)

Kommentar: Nicht ernsthaft, oder?

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"Das kann doch nicht wahr sein!" war mein erster Gedanke, als ich hörte, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel ausgerechnet Margot Käßmann als Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin vorschlägt. Nach einigen Stunden hat sie ihrerseits dieser einfallslosen Idee Gabriels einen Riegel vorgeschoben und gesagt, dass sie nicht zur Verfügung stehe. Das finde ich gut.

Und mich treibt gewiss nicht der reflexhafte Hass, den einige Kreise gegen die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hegen. Ich denke nicht, dass man für das Amt automatisch unfähig ist, weil man Pazifismus predigt. Oder weil man vor knapp sieben Jahren alkoholisiert in den Dienstwagen gestiegen ist. Immerhin hatte Käßmann ihren Fehler zugegeben, bedauert und mit dem Rücktritt als EKD-Ratsvorsitzende und Landesbischöfin Konsequenzen gezogen. Reue, Umkehr und der Versuch einer Wiedergutmachung – also das, was ich als Katholikin in der Beichte erfahre – ist für mich das Beste, was man aus Fehlern machen kann.

Nein, ich dachte: "Warum muss es wieder jemand aus dem evangelischen Pfarrhaus sein?" An der Spitze Deutschlands stehen mit Angela Merkel und Joachim Gauck bereits jetzt zwei prominente Protestanten. Doch nur rund 22 Millionen Bundesbürger gehören der EKD an. Es kann doch eigentlich nicht sein, dass allein aus diesem Kreis die bedeutendsten politischen Ämter besetzt werden. Wieso gibt es keine anderen Kompetenz-Pools, die Herrn Gabriel einfallen?  Warum nicht ein engagierter Katholik? Oder jemand, für dessen Kompetenz seine Religiosität keine Rolle spielt? Bei der Nennung möglicher Kandidaten wäre mir etwas mehr Kreativität lieber als eine vorschnelle Verengung auf das, was man in den letzten Jahren immer so gewohnt war.

Von Agathe Lukassek