"Das ist verachtender Anti-Katholizismus"
Der Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput, mischt sich einmal mehr in den Präsidentschaftswahlkampf in den USA ein. Nicht, weil er den sexistischen Ton verurteilen wollte, den Donald Trump in dem jüngst veröffentlichten Video anschlug. Chaput steigt auf die Kanzel, um sich über E-Mails zu empören, die Mitarbeiter Hillary Clintons vor Jahren geschrieben haben sollen.
Der streitbare Bischof, den Papst Franziskus in der jüngsten Runde der Kardinalsernennungen überging, forderte in seiner wöchentlichen Kolumne eine Distanzierung Clintons von den angeblichen Äußerungen ihrer Mitarbeiter. Dabei weiß weder der Erzbischof noch sonst jemand, ob die von der Online-Plattform Wikileaks veröffentlichten Mails überhaupt echt sind. Clintons Kommunikations-Chefin Jennifer Palmieri erklärte, sie könne sich nicht daran erinnern, solche E-Mails geschrieben zu haben. "Ich bin Katholikin und kann sie nicht als meine erkennen."
Konversionen aus politischem Kalkül?
Laut Wikileaks soll sich Palmieri in ihrer Funktion als Sprecherin der politisch-progressiven Denkfabrik "Center for American Progress" 2011 abfällig darüber geäußert haben, dass US-Konservative aus politischem Kalkül zur katholischen Kirche übergetreten seien. Die Äußerungen Palmieris sollen einem Schriftwechsel mit einem Mitarbeiter der Denkfabrik entstammen. Die E-Mail nahm Bezug auf den früheren republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses und Trump-Berater Newt Gingrich, auf Medienmogul Rupert Murdoch und den leitenden Redakteur der Zeitung "Wall Street Journal", Robert Thomson. "Deren reiche Freunde würden es nicht verstehen, wenn sie Evangelikale würden", heißt es in der Mail. Der Katholizismus sei "die sozial akzeptabelste konservative Religion".
Linktipp: Trumps Probleme wachsen
Selbst bisherigen Unterstützern gehen die Argumente für Donald Trump aus. Wenige Wochen vor der Wahl verweigern dem Republikaner auch immer mehr konservative Katholiken die Gefolgschaft.In einem anderen E-Mail-Wechsel von 2011 mit John Podesta, der heute Clintons Wahlkampf managt, suggeriert ein jüdischer Mitarbeiter der Organisation "Voices of Progress", Rom könnte so etwas wie einen "katholischen Frühling" vertragen. Es sei Zeit für "ein wenig Demokratie und Respekt für die Gleichwertigkeit der Geschlechter in der katholischen Kirche". Podesta geht darauf indirekt ein, und schreibt, die beiden Gruppen "Catholics in Alliance for the Common Good" und "Catholics United" seien gegründet worden, um einen Wandel in der Kirche voranzutreiben.
Erzbischof Chaput fordert eine Entschuldigung
Dass Erzbischof Chaput sich über "den verachtenden Anti-Katholizismus" empört, während Donald Trump in Staaten mit starker katholischer Wechselwählerschaft wie Pennsylvania, Florida und Ohio Boden unter den Füßen zurückzugewinnen versucht, halten erfahrene Beobachter für einen wohlkalkulierten Schritt Chaputs. Hillarys Mitarbeiter müssten sich entschuldigen für die fünf Jahre alten Mails, die aus der Zeit vor dem Obama-Wahlkampf 2012 stammten, forderte der Erzbischof. In einem kurzem Absatz zitierte Chaput einen Freund, der die Wahl zwischen Trump und Clinton als denkbar bescheiden bezeichnete.
Katholiken machen rund ein Fünftel der Wählerschaft in den USA aus. Laut einer gerade veröffentlichten Umfrage des unabhängigen Instituts PRRI und des Atlantic Magazins liegt Trump unter allen Katholiken mit 21 Punkten (34 zu 55 Prozent) hinter Clinton. Die Demokratin liegt auch bei den weißen Katholiken vorn (46 zu 42 Prozent), die bisher als verlässliche Bastion der Republikaner galten. Ohne deren Stimmen hat Trump kaum Aussichten, wichtige Wechsel-Wählerstaaten zu gewinnen.
Am Donnerstag (Ortszeit) meldete sich auch der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz in den USA, Erzbischof Joseph Kurtz aus Louisville (US-Bundesstaat Kentucky), zu Wort. Er betonte in einer Pressemitteilung die Bedeutung des Rechts auf Religionsfreiheit. Dies sei eines der Grundprinzipien der USA. Im "gegenwärtigen politischen Diskurs" würden gläubige Menschen zu oft an den Rand gedrängt, kritisierte der Erzbischof und fügte hinzu: "Das muss sich ändern."