Bischof bittet nach 800 Jahren um Vergebung für Massaker

Spätes Pardon am Berg der Katharer

Veröffentlicht am 18.10.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Frankreich

Pamiers ‐ Der Montsegur am Nordhang der Pyrenäen war die letzte Schutzburg der Katharer, einer Sekte des Mittelalters. Kreuzritter machten ihr einst den Garaus. Nun hat sich ein Bischof entschuldigt.

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Im Morgengrauen des 16. März 1244 wurde der Montsegur an die Belagerer übergeben. Die verbliebenen 225 Katharer mit ihrem Bischof Bertrand wurden als Ketzer verbrannt, weil sie sich weigerten, ihren Lehren abzuschwören. Die Einnahme des Montsegur, der letzten Schutzburg der Sekte am Nordhang der Pyrenäen, war auch das letzte große Kapitel eines Kreuzzugs, der Südfrankreich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts prägte.

Die Verfolgung und gewaltsame Vernichtung der Katharer gehört zu den traurigen Kapiteln der Kirchengeschichte. In den nachfolgenden Jahrhunderten von Inquisition und Glaubenskriegen blieb das Kapitel des sogenannten Albigenser-Kreuzzugs unaufgearbeitet. Nun, knapp 800 Jahre nach den Ereignissen, hat sich der katholische Bischof der Region entschuldigt. Am Sonntag feierte Jean-Marc Eychenne, Bischof von Pamiers, einen Versöhnungsgottesdienst in der Pfarrkirche von Montsegur, wie die Online-Ausgabe der französischen Zeitung "La Croix" und das Portal cath.ch berichten.

Ängste vor den Häretikern geschickt genutzt

Seit Mitte des 12. Jahrhunderts grassierte die Sektenbewegung der Katharer, eine Häresie, die wohl durch die Kreuzzüge aus dem Orient importiert worden war. Ihre Anhänger wurden - nach ihrer Hochburg Albi - auch "Albigenser" genannt. Die eigentümliche und radikale Büßerethik und Weltflucht der Katharer (griechisch "katharoi", die Reinen) traf offenbar einen Nerv bei den so lebensfrohen wie frommen Südfranzosen. Jedenfalls breitete sich die Irrlehre in einer für Rom beunruhigenden Weise aus.

Bild: ©bjul/Fotolia.com

Die Burg Montsegur am Nordhang der östlichen Pyrenäen ist die letzte Schutzburg der Katharer-Sekte, die im März 1244 fiel.

Geschickt verknüpfte die französische Krone die Ängste vor den Häretikern mit ihren eigenen Interessen - und schaffte es, ihren "Albigenser-Kreuzzug" (1209-1229) zur politischen Unterwerfung der Grafschaft Toulouse zu nutzen. Dass es dabei äußerst brutal zuging, belegt ein Zitat des päpstlichen Legaten Arnaud Amaury, der bei der Einnahme der Katharerstadt Beziers 1209 auf die Frage, was mit den Ketzern und was mit den rechtgläubigen Katholiken geschehen solle, geantwortet haben soll: "Tötet sie alle! Gott wird die Seinen schon erkennen."

"Christus hat nicht Gewalt gegenüber dem Nächsten gelehrt"

Die Diözese Pamiers legt Wert auf die Feststellung, dass der Akt der Entschuldigung eine Initiative des Bischofs war - und schon rein kirchenrechtlich nicht über den Bereich seines Bistums hinausgreifen kann. Soll heißen: Nachbardiözesen der Region sollen sich nicht vereinnahmt fühlen. Geplant war außer dem Gottesdienst auch ein Schweigemarsch zum Fuß des Berges. An der Feier wollten auch die Gemeindevertreter von Montsegur sowie Repräsentanten der okzitanischen Kultur teilnehmen.

Bistumssprecher Edouard de Laportaliere beschreibt den Sinn des Versöhnungsaktes folgendermaßen: "Wir bitten den Herrn um Vergebung, dass Teile unserer Gläubigen und unserer Institutionen Taten verübt haben, die dem Evangelium konträr gegenüberstehen." Christus habe Nächstenliebe und nicht Gewalt gegenüber dem Nächsten gelehrt.

Linktipp: Auf den Spuren der "Reinen"

Das Languedoc gehört vielleicht zu Frankreichs schönsten Regionen. Beim Dösen in der Sonne mag man sich nicht vorstellen, dass hier vor 800 Jahren ein Religionskrieg gegen die Katharer wütete. (Artikel vom Juni 2016)

Die Vergebungsbitte zielte nach Angaben des Sprechers auch auf die zu enge Verbindung der politischen und der geistlichen Macht. "Es ist immer ein Fehler für die Kirche", so de Laportaliere, "das Weltliche für einen Verbündeten zu halten - egal unter welchen Umständen."

Bischof: Beitrag zum "Heiligen Jahr"

Die Versöhnungsbitte war eine Premiere. Zwar hatten 1998 zahlreiche Persönlichkeiten der Region, darunter der damalige Bürgermeister, ein drei Seiten umfassendes Manifest verfasst und auch an Papst Johannes Paul II. gesandt; darin war die Bitte enthalten, dass die Kirche ihre historischen Sünden anerkennen und um Verzeihung bitten möge. Das tat der Papst zwar in seiner großen Vergebungsbitte zum Heiligen Jahr 2000 - die Verbrennung der Katharer war darin jedoch nicht namentlich genannt.

Bischof Eychenne versteht seine Initiative auch als einen Beitrag zum "Jahr der Barmherzigkeit", das Papst Franziskus ausgerufen hat. Inwieweit nun die Inquisition - oder die Katharer? - zum Gegenstand christlicher Barmherzigkeit werden können, lohnt eine theologische Betrachtung.

Von Alexander Brüggemann (KNA)