Hilfsorganisationen rechnen mit Flüchtlingswelle aus irakischer Stadt

Kirche in Not: Christen werden nicht zurückkommen

Veröffentlicht am 18.10.2016 um 10:00 Uhr – Lesedauer: 
Kinder hinter einem ausgebrannten Auto
Bild: © KNA
Mossul

Bonn ‐ Im irakischen Mossul naht ein Kampf "bis auf die letzte Gewehrkugel", fürchtet ein Experte des päpstlichen Hilfswerks "Kirche in Not". Besonders für die Zukunft der Christen sieht er schwarz.

  • Teilen:

Hilfsorganisationen rechnen mit einer Flüchtlingskatastrophe in der umkämpften irakischen Stadt Mossul. Berthold Pelster, Mitarbeiter des katholischen Hilfswerks "Kirche in Not" befürchtet eine humanitäre Katastrophe und einen Kampf "bis auf die letzte Gewehrkugel". Auch im relativ stabilen Kurdengebiet im Nordirak könne sich die Versorgungslage verschlechtern, sagte er der "Heilbronner Stimme" (Dienstag). Er halte zudem eine baldige Rückkehr der Christen aus Mossul auch nach einer militärischen Niederlage des IS für unwahrscheinlich. "Sie haben jegliches Vertrauen verloren", sagte Pelster. Viele Menschen seien von ihren Nachbarn an den IS verraten worden. "Sie haben Angst."

DRK: Jeder Zweite wird fliehen

Dass Deutsche Rote Kreuz (DRK) rechnet damit, dass etwas jeder zweite Bewohner von Mossul flieht. "Ich gehe von einer Größenordnung von 600.000 Menschen aus", sagte Astrid Nissen, Leiterin des Nahost-Büros des DRK in Beirut, der Zeitung. Das UN-Flüchtlingshilfswerk sprach von bis zu 700.000 möglichen Flüchtlingen.

Dass die Militäroffensive auf die von der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) besetzte Stadt noch vor dem Winter beginnen werde, sei absehbar gewesen, so Nissen. Man habe sich lange darauf vorbereitet. Für die Versorgung der Bevölkerung sei es nun wichtig, Fluchtkorridore zu schaffen. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerk Unicef sind in Mossul mehr als eine halbe Million Kinder und deren Familien in großer Gefahr.

Amnesty International betonte, dass nicht nur der IS die Menschenrechte verletze. Paramilitärische Milizen und Regierungstruppen im Irak seien für Kriegsverbrechen verantwortlich, heißt es in einem Bericht der Organisation. Tausende Zivilisten seien bereits "Opfer von Folter, willkürlicher Inhaftierung, Verschwindenlassen und außergerichtlichen Hinrichtungen" geworden. Im Kampf um Mossul müssten die irakischen Behörden derartige Menschenrechtsverstöße verhindern, mahnte Amnesty.

Gefahr auch für Europa?

Der neue EU-Sicherheitskommissar Julian King warnte vor den möglichen Folgen der Großoffensive für die Sicherheit in Europa. Eine Rückeroberung von Mossul könne dazu führen, "dass gewaltbereite IS-Kämpfer nach Europa zurückkommen", sagte er der "Welt". (gho/KNA)

Priester: Kein Genozid an Christen

Kirchenvertreter und Hilfsorganisationen sprechen von einem Völkermord an den Christen im Irak. Ausgerechnet ein Ordensmann, der in dem Land lebt, findet das unverantwortlich.