Keine normale Botschafterin
Sie ist die bekannteste und wohl auch unkonventionellste deutsche Botschafterin; obendrein ist sie die erste Frau, die beim Vatikan die Bundesrepublik vertritt: Annette Schavan. Seit nunmehr zweieinhalb Jahren residiert die frühere Bundesbildungsministerin, die nach der Aberkennung ihres Doktortitels im Februar 2013 von ihrem Amt zurücktrat, nun bereits in Rom. Doch auch in Deutschland ist die vormalige CDU-Politikerin weiterhin oft präsent, hält Vorträge und äußert sich zu gesellschaftlichen Debatten.
Offiziell ist Schavan nun Diplomatin. Doch ihr politisches Gen lässt sich nicht verleugnen. Dinge möglich zu machen, die zuvor unmöglich schienen - so definierte sie einmal die Aufgabe einer Botschafterin. Das ist nicht die Lehrbuchdefinition, die angehende Diplomaten an der Akademie lernen. Aber die Beschreibung trifft ziemlich genau den Stil von Schavan: Sie versteht sich auch in Rom als Macherin und Moderatorin.
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Mit seinen Worten über Werte und Grundhaltungen gebe der künftige Träger des Karlspreises Europa eine Orientierung, meint Annette Schavan, deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl. Die These, dass Religion auf dem Rückzug sei, hält sie für falsch.Waren ihre Vorgänger bei Konferenzen in der Regel Zaungäste, ist sie Organisatorin. Ob eine Tagung mit dem Päpstlichen Institut für Islamkunde über den interreligiösen Dialog, eine Diskussionsrunde über das Wirtschaftskonzept von Papst Franziskus oder eine Vortragsreihe mit deutschen Gästen an der Päpstlichen Universität Gregoriana: Wo immer es sich anbietet, ist Schavan mit von der Partie. Dabei kommen ihr die Kontakte aus ihrer Zeit als Ministerin und Bundestagsabgeordnete oft zugute.
Geschätzte Gesprächspartnerin und Theologin
In Rom ist Schavan eine geschätzte Gesprächspartnerin. Als Theologin und früheres Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) weiß sie, worum es geht; sie ist mit Leidenschaft bei der Sache. Das kommt auch bei vielen Geistlichen in Rom gut an. Anfängliche Mutmaßungen, wegen ihrer ZdK-Vergangenheit könnte es Vorbehalte an der römischen Kurie geben, haben sich offenbar nicht bestätigt. Botschafter sind eigentlich gegenüber dem Staatsoberhaupt, bei dem sie ihr Land vertreten, zu strikter Neutralität verpflichtet. Doch zu Zeiten Benedikts XVI. wurde hier in Rom bereits ein Auge zugedrückt. So konnte ein Porträt des deutschen Papstes an prominenter Stelle in der Residenz der Botschaft aufgehangen werden. Auch wenn ein vergleichbares Franziskus-Bild bislang fehlt: Schavan macht keinen Hehl daraus, dass sie ein großer Fan des lateinamerikanischen Papstes ist.
Die "Via dei Tre Orologi", in der Schavan residiert, ist eine Sackgasse - und das nicht nur für Autos. Traditionell ist die Botschaft beim Heiligen Stuhl Endstation einer Diplomatenkarriere. Der Posten zählt zu den prestigeträchtigsten und höchstdotierten Botschafterstellen, auch wenn die Zahl der Mitarbeiter gering ist. Kaum ein Dutzend sind es vom Gesandten bis zum Koch. Ein Botschafter beim Heiligen Stuhl erhält die Besoldungsstufe "B 9". Das entspricht einem Grundgehalt von mehr als 10.000 Euro im Monat. Dazu kommt die Auslandszulage.
Die Krönung blieb ihr bislang versagt
Schavans Vorgänger kamen in der Regel bereits im fortgeschrittenen Alter nach Rom und gingen dort auch in Pension. Mal war der Posten mehr Belohnung für verdiente Spitzenbeamte, mal mehr Abschiebebahnhof für missliebige Mitarbeiter. Aber dass auch Schavan, die jetzt 61 Jahre alt ist, ihre berufliche Laufbahn in Rom beschließen wird, gilt unter Beobachtern als höchst unwahrscheinlich. Die Krönung ihres Botschafter-Daseins blieb Schavan allerdings bislang versagt: ein Deutschland-Besuch des Papstes. Dafür hat sich die Rheinländerin wiederholt stark gemacht. Ob es dazu überhaupt je kommen wird, ist jedoch weiter offen.