Das neue Vatikan-Papier zu Bestattungen im "Praxis-Test"

Letzte Fragen zum letzten Gang

Veröffentlicht am 14.11.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Tod

Bonn ‐ Der Vatikan wollte mit neuen Anweisungen zur Bestattung Klarheit schaffen. Doch so richtig gelungen ist das nicht. Was also bedeuten die Vorgaben für die Praxis?

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Ende Oktober hat der Vatikan eine Anweisung zu Bestattungen in der katholischen Kirche herausgegeben. Darin empfiehlt die Kirche nachdrücklich, den Leichnam der Verstorbenen "auf dem Friedhof oder an einem anderen heiligen Ort" zu beerdigen. Bevorzugt wird die Erdbestattung in einem Sarg, aber auch die Feuerbestattung in einer Urne "ist nicht verboten". Alternativen Bestattungsformen etwa in sogenannten Friedwäldern steht die Kirche skeptisch gegenüber und fordert in diesem Fall eine Namensnennung des Verstorbenen und eine eindeutige Kennzeichnung des Bestattungsortes.

Wird der Leichnam verbrannt, ist eine Aufbewahrung der Asche im Wohnraum laut Vatikan nur in Ausnahmefällen gestattet. Eine Aufteilung unter verschiedene Familien ist demnach ebenso wenig erlaubt wie das Ausstreuen der Asche in der Natur oder ihre Verarbeitung in Schmuckstücken. Was heißt das aber alles in der Praxis? Kurz nach Veröffentlichung der Instruktion entbrannte darüber - unter anderem im Internet - eine lebhafte Debatte. Hier gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen:

1. Was bedeutet der Begriff "heiliger Ort"?

Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti fasst es so zusammen: Ein "heiliger" Ort meine einen Ort, der für eine christliche Beisetzung bestimmt sei und den die Liturgie so akzeptiere. Das könne der Friedhof, eine Gruft in einer Kirche oder eine Kapelle sein. Im frühen Mittelalter beschrieb der "heilige Ort" zunächst einmal eine Grablege in der Nähe einer Kirche, "ad sanctos" - "bei den Heiligen". Hier sollte die Seele des Toten in besonderer Weise geschützt sein, wie der kommissarische Leiter des Kasseler Sepulkralmuseums, Gerold Eppler, erläutert. Friedhöfe, die später auch in einiger Entfernung der Kirche liegen konnten, wurden deswegen eigens geweiht, um aus ihnen "heilige Orte" zu machen.

Manfred Becker-Huberti
Bild: ©KNA

Manfred Becker-Huberti ist katholischer Theologe und Experte für religiöse Volkskunde.

2. Was spricht gegen die Seebestattung?

Seebestattungen sind nach katholischer Lehre nicht erlaubt - weil die Asche verstreut wird und der Bestattungsort nicht nachweisbar ist. In Norddeich beispielsweise können aber inzwischen Seebestattungen mit Angabe des Längen- und Breitengrades verzeichnet und auf einer Stele angebracht werden.

"Bei einer Seebestattung bleibt die Asche eines Verstorbenen nicht an der Stelle, an der sie ausgestreut wurde", erläutert Theologe und Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti die Position der katholischen Kirche. "Einen Ort der Trauer gibt es also nicht." Noch kritischer sehe die Kirche "wohl die Zweideutigkeit, weil und wenn sich die Seebestattung als pantheistischer, naturalistischer oder nihilistischer Akt deuten lässt".

Ähnlich stellt sich die Lage bei neuen Bestattungsformen, etwa Urnenbeisetzungen in einem Friedwald, dar, sofern sie anonym erfolgen und beispielsweise mit der Vorstellung einer Verschmelzung des Körpers mit "der Mutter Natur" verbunden sind, wie Gerold Eppler ergänzt. Unabhängig davon berge die Vatikan-Instruktion eine grundsätzliche Botschaft: "Wir machen nicht jede Liberalisierung im Bestattungswesen mit." Denn, so der kommissarische Leiter des Kasseler Sepulkralmuseums: "Das Bestattungsverhalten ist ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Identität."

3. Bei Heiligen ist es kein Problem, wenn deren Überreste als Reliquien an verschiedenen Orten der Welt verehrt werden - warum dürfen Angehörige die Asche von Normalsterblichen nicht untereinander aufteilen?

"Der Respekt vor den Toten als Ebenbilder Gottes gebietet einen überlegten Umgang mit ihren Körperteilen oder deren Überbleibseln", antwortet Theologe Manfred Becker-Huberti. "In diesem Sinn sind Leichen oder Leichenteile oder ihre Aufteilung keine beliebigen Schauobjekte. Das gilt eigentlich auch für die Körper von Seligen und Heiligen."

Aber: Weil in der katholischen Kirche der Gottesdienst traditionell fast immer über dem Grab eines Seligen oder Heiligen gefeiert werde, es zugleich jedoch zu wenig Heiligengräber an den "richtigen Stellen" gebe, habe sich in der Praxis durchgesetzt, dass man die sterblichen Überreste von Heiligen teilen dürfe. Für die Asche der verstorbenen Großmutter gelte dies nicht. "Die Ermöglichung einer ordnungsgemäßen Eucharistiefeier ist etwas anderes als die Zurschaustellung einer Urne auf einem Kaminsims."

Linktipp: Das sind die Regeln zur Feuerbestattung

Die Urne auf dem Kaminsims oder Bestattung im Friedwald? Was für Katholiken nach einer Feuerbestattung erlaubt ist und was nicht, regelt jetzt ein neues Vatikandokument.

4. Was ist mit armen Menschen, die anonym beigesetzt werden, was mit Soldaten, die im Krieg fallen und nicht begraben werden können - können sie mit Christus auferstehen, auch wenn sie nicht gemäß kirchlicher Lehre bestattet wurden?

Als "eine heikle Geschichte", empfindet Gerold Eppler vom Kasseler Sepulkralmuseum die entsprechenden Stellen in der neuen Instruktion aus dem Vatikan. "Eigentlich müsste die Kirche damit kein Problem haben." Denn anonyme Gräber gehören zur Kirchengeschichte dazu, waren im Mittelalter oder der frühen Neuzeit sogar weit verbreitet, weil sich nur die wenigsten Menschen eine persönliche Grabstätte leisten konnten. Und Kriege mit Toten auf dem Schlachtfeld gab es leider Gottes zu jeder Zeit.

Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti beschwichtigt: "Eine kirchliche Anordnung kann Gott nicht binden und gilt sicher auch nur für einen Normalfall. Wer mit Christus aufersteht, bestimmt Christus. Und wer durch Krieg oder sonstiges Unglück um sein Leben kommt und nicht ordnungsgemäß begraben werden kann, steht außerhalb der kirchlichen Regelung."

5. Wenn ich bewusst eine andere Art der Beisetzung als eine konventionelle Erd- oder Urnenbestattung wähle, bin ich dann kein Christ mehr?

Auch in den letzten Dingen drückt sich eine Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft aus, betont Kunstpädagoge und Steinbildhauer Gerold Eppler. Streng gläubige Juden und Muslime etwa lehnten eine Feuerbestattung und die anschließende Beisetzung in einer Urne ab. Die Instruktion der Kirche stelle insofern so etwas wie eine "Orientierungshilfe" für Katholiken dar. Letzten Endes müsse jeder für sich persönlich die Sinnfrage beantworten, sagt der kommissarische Leiter des Sepulkralmuseums in Kassel.

"Wenn ich bewusst eine andere Form der Beisetzung als die kirchlich gewollte wünsche, um damit die Auferstehung auszuschließen, grenze ich mich bewusst von der Kirche und ihrer Lehre ab", betont Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti. "Dann ist es auch konsequent, wenn mir das kirchliche Ritual vorenthalten wird." Er fügt hinzu: "Wenn ich die Auferstehung nicht akzeptiere, bin ich kein Christ mehr, weil ich es nicht mehr sein will."

Von Joachim Heinz (KNA)