Ist er ein Rassist?
Selten waren sich Kinderfreude und Erwachsenenärger so nahe wie am Sonntag in Amsterdam. Dort hielt wie jedes Jahr Sinterklaas Einzug, der traditionell am Wochenende nach St. Martin aus Spanien mit seinem Schiff ankommt und den Kindern dann am 5. Dezember ihre Geschenke bringt. Den Ärger der Demonstranten zog die Tatsache auf sich, dass der Nikolaus von zahlreichen dunkelhäutigen Helfern begleitet wird, den "Zwarte Pieten". Zwar haben sie in der Tradition die wichtige Funktion, darauf zu achten, dass die Geschenke auch heil bei den Kleinen ankommen, doch für manche sind sie vor allem politisch unkorrekt. Sinterklaas sei ein Rassist, lautet zugespitzt der Vorwurf.
Einmischung von höchster Instanz
Schon in den vergangenen Jahren war darüber diskutiert worden, dass der "Zwarte Piet" ein Farbiger ist - und noch dazu der Knecht vom Nikolaus. Doch 2013 mischten sich die sogar Vereinten Nationen ein: Die Vorsitzende einer Expertenkommission, Verene Shepherd, forderte im Oktober die Abschaffung des Nikolauses. "Das Fest ist eine Rückkehr zur Sklaverei", kritisierte sie. In den Niederlanden folgte ein Sturm des Protestes gegen die Einmischung der UNO. Innerhalb kürzester Zeit unterschrieben Millionen Holländer eine "Pietitie" auf Facebook, in Den Haag fand eine Demonstration für den weißen Nikolaus und seine schwarzen Begleiter statt
So fiel der diesjährige Umzug in eine aufgeheizte Atmosphäre. Manche Eltern schminkten die Gesichter ihrer Kinder in bunten Farben, statt im traditionellen Schwarz; die Darsteller der "Zwarte Pieten" verzichteten auf die besonders symbolträchtigen goldenen Ohrringe. Empfangen wurden sie mit Jubel und Protest: Zehntausende Eltern und Kinder wollten einfach nur ein schönes Fest zu erleben. Bei ihrem Umzug durch die Stadt ritten Sinterklaas und seine Begleiter aber auch an Menschen vorbei, die ihnen demonstrativ den Rücken zukehrten, sich im stummen Protest die Münder verklebt hatten oder die geballte Faust in die Luft hielten.
Ob etwas dran ist an den Vorwürfen, ist indes schwer zu klären. Einerseits singt das Land vollmundig Nikolauslieder mit Texten wie "Auch wenn du schwarz bis wie Ruß, du meinst es nur gut." Und das Pagenkostüm erinnert an die Kleidung, mit denen reiche holländische Kaufleute ihre schwarzen Sklaven im 17. Jahrhundert ausstaffierten, die sie sich wie ein dekoratives Accessoire hielten.
Alles nur ein Missverständnis?
Andererseits mutmaßte Volkskundler Stefaan Top von der Universität Leuven in Belgien im vergangenen Jahr, dass dem Streit möglicherweise ein Missverständnis zugrunde liegt: Sinterklaas werde traditionell mit drei goldenen Kugeln abgebildet. Diese sollen die drei Münzen symbolisieren, die der Heilige der Legende nach einem verarmten Familienvater zurückgelassen hatte.
"Die goldenen Kugeln - also eigentlich Münzen - wurden fälschlicherweise als drei Apfelsinen interpretiert. Dadurch entstand die Vermutung, der Nikolaus müsse aus Spanien kommen", erklärte Top. Und im Mittelalter galt das damals muslimisch besetzte Spanien als das "Land der Mohren" (Mauren) - und so war es nur ein kleiner Schritt zum schwarzen Knecht, der den Nikolaus begleitet". (gho/KNA/dpa)