Papst gegen moralische Strenge
Papst Franziskus hat zum Abschluss des Jahres der Barmherzigkeit erstmals einem europäischen Fernsehsender ein Interview gegeben. Darin hat er sich unter anderem gegen eine seiner Ansicht nach übertriebene moralische Strenge gewandt. Eine solche Härte nehme "immer den Posten des Richters ein"; das sei nicht die Haltung Jesu, sagte er in einem Interview des italienischen Senders TV2000 am Sonntagabend. Franziskus wörtlich: "Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sind bei Gott dieselbe Sache: Die Barmherzigkeit ist gerecht und die Gerechtigkeit ist barmherzig, und man kann das nicht trennen."
Lebenslange Haft wie Todesstrafe
Der Papst nannte auch ein konkretes Beispiel für fehlende Barmherzigkeit: nämlich lebenslange Haftstrafen. Jede "Strafe ohne Hoffnung" sei weder christlich noch human, sagte er. Eine unbefristete Inhaftierung, die keine Chance auf Resozialisierung biete, sei eine "verkappte Todesstrafe". Ein Gefängnis müsse dagegen "wie ein Fegefeuer" auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereiten.
Franziskus räumte ein, es könne Straftäter geben, die aufgrund ihrer psychischen Voraussetzungen keine Wiedereingliederung erwarten ließen. Solche Personen müssten wenigstens innerhalb der Strafanstalten die Möglichkeit erhalten, sich durch Arbeit oder kulturelles Schaffen als nützliche Glieder der Gesellschaft zu fühlen. Der Papst selbst hatte als eine der letzten Initiativen im Heiligen Jahr vor einer Woche Strafgefangene und ehemalige Häftlinge als Pilger im Vatikan empfangen und mit ihnen eine Messe gefeiert.
Themenseite: Heiliges Jahr
Vom 8. Dezember 2015 bis zum 20. November 2016 fan das von Papst Franziskus ausgerufene "Heilige Jahr der Barmherzigkeit" statt. Diese Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zum Heiligen Jahr.Am Montag veröffentlicht Franziskus ein Schreiben mit dem Titel "Misericordia et misera" rund um das Thema Barmherzigkeit. Diese lateinischen Anfangsworte beziehen sich auf ein Wortspiel des Kirchenvaters Augustinus (354-430), der die Nicht-Verurteilung einer Ehebrecherin durch Jesus damit beschrieb, hier begegneten sich "die Erbarmenswerte (misera) und die Barmherzigkeit (misericordia)". Zum Heiligen Jahr sagte Franziskus, es habe wohl "keine spektakulären Dinge" bewirkt, aber vieles angestoßen. "Ich glaube, der Herr wird gute, einfache, alltägliche Dinge im Leben der Menschen wachsen lassen", so der Papst.
Hartherzigkeit "eine der schlimmsten Krankheiten" der Gegenwart
Im Gegensatz zur Barmherzigkeit sei die Hartherzigkeit dagegen "eine der schlimmsten Krankheiten" der Gegenwart, so der Papst weiter. Die Welt von heute brauche deshalb eine "Revolution der Zärtlichkeit". Hartherzigkeit führe dazu, Menschen als Abfallprodukt zu sehen, so das Kirchenoberhaupt. Als Beispiel verwies er indirekt auf die Bombardierung der syrischen Stadt Aleppo: Bomben würden auch auf Krankenhäuser und Schulen abgeworfen. Mitte Oktober hatte Franziskus zu einem Waffenstillstand in Syrien aufgerufen. Dieser solle mindestens so lange eingehalten werden, dass Zivilisten und vor allem Kinder in Sicherheit gebracht werden könnten.
In dem 40-minütigen Interview des Senders der Italienischen Bischofskonferenz kritisierte der Papst erneut den internationalen Waffenhandel. Für Waffenfabrikanten und Waffenhändler habe ein Leben kaum einen Wert. Ein Deutscher habe ihm einmal gesagt: "Das Billigste heute ist das Leben", sagte der Papst auf Deutsch. (bod/KNA)