Jesuitenschulen wehren sich gegen Vorwurf der sozialen Abschottung

"Der Zustand der Schultoiletten ist eine Zumutung"

Veröffentlicht am 29.11.2016 um 11:00 Uhr – Lesedauer: 
"Der Zustand der Schultoiletten ist eine Zumutung"
Bild: © KNA
Orden

Bonn ‐ Eine Studie wirft Privatschulen vor, sich sozial abzuschotten und Kinder reicher Eltern auszuwählen. Nun wehren sich die Jesuiten gegen die Vorwürfe und weisen auf Mängel im staatlichen Schulwesen hin.

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Mit deutlicher Kritik reagieren die Jesuitenschulen Deutschlands auf eine Studie des "Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung". "Privatschulen sind elitärer als sie sein sollten" und "Freie Schulen nur für Reiche?" lauteten nach deren Veröffentlichung in der vergangenen Woche die Überschriften in den Medien. Die Studie war zum Ergebnis gekommen, an Privatschulen finde die vom Grundgesetz beabsichtigte soziale Durchmischung nicht statt, stattdessen zementierten Schulpolitik und Verwaltungspraxis eine soziale Abschottung.

Unter das Stichwort "Privatschule" fallen auch kirchliche Schulen und Ordensschulen - und diese wehren sich gegen die Vorwürfe. Der Jesuit Klaus Mertes, Direktor des Kolleg St. Blasien im Schwarzwald, nennt dies eine "diffamierende Subsumierung unter Privatschulen für die Reichen und Schönen". Für ihn sind kirchliche Schulen "Freie Schulen", die einen öffentlichen Auftrag wahrnehmen und das Anliegen des Grundgesetzes erfüllen, dass Bildung nicht allein dem Staat obliegen solle. Gemeinsam mit seinen Ordensbrüdern Johannes Siebner (Aloisiuskolleg Bonn) und Tobias Zimmermann (Canisius-Kolleg Berlin) hat Mertes nun eine Stellungnahme zur Studie veröffentlicht.

Jesuiten: Der Staat spart seine Schulen kaputt

Darin betonen die Ordensmänner zunächst den Unterschied zwischen Schulgeld und Internatskosten. So beträfen etwa die teilweise erheblichen monatlichen Unterbringungskosten im Internat nur einen kleinen Teil der Schüler. Laut der Erklärung wohnten von 740 Schülern des Aloisiuskollegs 80 im Internat, in St. Blasien seien es 200 von insgesamt 750 Schülern. Das Schulgeld liege in beiden Schulen unter der vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Obergrenze von 150 Euro pro Monat. Das Bonner Aloisiuskolleg sei kostenfrei, weil in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich kein Schulgeld erhoben werden dürfe.

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Nach Angaben von Erzbischof Hans-Josef Becker, Vorsitzender der Kommission "Erziehung und Schule" der Deutschen Bischofskonferenz, erheben die meisten katholischen Schulen kein Schulgeld. Wo sie es infolge der unzureichenden staatlichen Refinanzierung doch tun müssen, sei es deutlich geringer als bei anderen Privatschulen und könne aus sozialen Gründen ermäßigt werden. Voraussetzung für einen Platz an einer katholischen Schule sei lediglich, das Schulprofil zu bejahen und mitzutragen. Von den 904 katholischen Schulen in Deutschland sind mit 217 die meisten Gymnasien, gefolgt von Förder- (162) und Berufsfachschulen (152).

Laut dem Schreiben der Jesuiten erwartet der Staat von nicht-staatlichen Schulträgern grundsätzlich einen Eigenbeitrag für den Betrieb der Bildungseinrichtung. Er spare an jedem Schüler, der auf eine Freie Schule geht. Zugleich könne er bei seinen eigenen Schulen Kosten vermeiden, die freie Schulträger zu schultern haben. "So bildet der Staat zum Beispiel keine Rücklagen für die Altersversorgung von Beamten/Angestellten, sondern wälzt diese Lasten komplett auf die kommenden Generationen ab", so die Jesuiten-Rektoren. Zudem spare der Staat auch seine eigenen Schulen kaputt: "Allein der Zustand der Schultoiletten ist ein Symptom für das, was jungen Menschen und Lehrenden in diesem reichen Land zugemutet wird." Die Tatsache, dass freie Schulträger sich mit solchen Zuständen nicht abfinden wollten und dagegen vorgingen, dürfe ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Am Ende werden die Eltern verdächtigt

Die drei Ordensmänner bezeichnen es weiter als "Skandal", dass in Deutschland für Bildung viel weniger Geld zur Verfügung gestellt werde als in "vergleichbaren Gesellschaften". "Die Schulgelder und weiteren Zuschüsse der freien Schulträger aus eigenen Mitteln spiegeln wieder, was es wirklich kosten würde, wenn die staatliche Schulpolitik ihren Lippenbekenntnissen endlich Taten folgen lassen würde", schreiben Zimmermann, Siebner und Mertes.

Dossier Katholische Schulen: Für das Leben lernen

Unter den Schulen in freier Trägerschaft sind katholische Schule besonders beliebt. Doch warum ist das so? Und wie sieht überhaupt der Alltag an einer katholischen Schule aus? Katholisch.de hat in einem Dossier alles Wichtige rund um katholische Schulen zusammengestellt.

Mit Blick auf die Studie bezeichnen sie die Behauptung, dass freie Träger die Kinder begüterter Eltern bei der Aufnahme bevorzugten, als "reine Unterstellung". In der Praxis werde das Schulgeld häufig reduziert und gestaffelt. Und nicht wenige Eltern, die an Jesuitenschulen ein vermindertes Schulgeld zahlen, verzichteten auf ihnen zustehende Sozialleistungen des Staates.  Die dazu nötigen hohen Kompensationen der Träger würden in den Statistiken nicht aufgeführt.

Am Ende würden in der Studie die Eltern verdächtigt, sie wollten sich mit der Wahl einer "Privatschule" sozial absondern, kritisieren die Ordensleute. Übersehen werde dabei, dass die Jesuitenschulen und die meisten anderen Freien Schulen voll und ganz das Grundgesetz bejahten, das eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern verbietet. Bildung sei nicht nur eine staatliche, sondern eine zivilgesellschaftliche Angelegenheit. Der Staat müsse begreifen würde, dass er auf zivilgesellschaftliches Engagement angewiesen sei und die Schulen "endlich angemessen ausstatten, statt Studien zu finanzieren, deren Ertrag Zeitungsseiten füllt, aber keiner einzigen Schule nützt".

Von Agathe Lukassek