Das adventliche Brauchtum kennt auch wahre Schreckensgestalten

O du schreckliche

Veröffentlicht am 05.12.2016 um 17:15 Uhr – Lesedauer: 
Brauchtum

Bonn ‐ Der liebe Nikolaus und die strahlende Lucia gehören für viele fest zum adventlichen Brauchtum. Doch es gibt auch weniger freundliche Gesellen. Mancherorts wird es vor Weihnachten regelrecht blutrünstig.

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Jährlich am 4. Dezember, dem Gedenktag der heiligen Barbara, steht das Allgäu Kopf. Zum Bärbeletreiben, das dort vielerorts stattfindet, Ziehen junge Frauen – die Bärbele – als alte Weiber verkleidet durch die Dörfer. Ihre Gesichter verdecken sie mit handgefertigten Masken aus Naturmaterialien. Die Frauen tragen lange Röcke, Schürzen, Wolljacken und Kopftücher. Am Gürtel sind Glocken befestigt. Mit ihren Reisig-Ruten fegen sie symbolisch alles Unanständige und Böse aus dem Dorf. Und wehe, ein Mann kommt ihnen dabei in die Quere: Dann wird er laut lärmend mit der Reisig-Rute verfolgt und muss so manchen Hieb einstecken.

Lange Jahre war dieser Brauch in Vergessenheit geraten, bis er Ende des 20. Jahrhunderts im Oberallgäu wieder auflebte. In Sonthofen etwa machen Jahr für Jahr mehrere Dutzend Bärbele den Ort unsicher. Wer sich ihnen in den Weg stellt, bekommt Ärger: eine Mutprobe, der sich vor allem junge Männer gern stellen. Das Bärbeletreiben zieht mittlerweile auch viele Touristen an.

Wer zu nahe kommt, bekommt eine Abreibung

Ähnliches gilt fürs Klausentreiben am Nikolaustag. Diesmal übernehmen junge Männer, die Klausen, das Schreckensregiment. Sie rennen, bekleidet mit Felljacken und Pelzmützen mit Hörnern, durch den Ort und machen mit Schellen einen ohrenbetäubenden Lärm. Auch die Klausen tragen Ruten. Junge Frauen oder allzu vorwitzige Passanten, die den wilden Gesellen zu nahe kommen, riskieren eine Abreibung mit der Rute. Dass dabei niemand über die Stränge schlägt, ist allerdings Ehrensache. Denn sowohl die Bärbele als auch die Klausen sind in Gebirgstrachten- und Heimatvereinen organisiert. Und deren Verantwortliche haben ein wachsames Auge über die wilden Gesellen.

Dossier Weihnachten: Gott wird Mensch

"Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude": So beginnt der Bericht des Evangelisten Lukas über die Geburt Jesu, die Christen alljährlich am 25. Dezember feiern. Das Dossier informiert über die Bedeutung von Weihnachten, bekannte Bräuche sowie spannende Hintergründe rund um das Fest.

Kindern Angst einzujagen ist ein absolutes No-go. Die Kleinen dürfen auch mal mit der Glocke bimmeln oder einem Erwachsenen mit der Rute drohen. Ursprünglich stammt das Brauchtum der Bärbele und Klausen aus germanischer Zeit. In den dunklen kalten Winternächten war die Angst vor bösen Geistern und Dämonen groß. Mit Schellen und Ruten wurden diese aus den Dörfern vertrieben.

Ruprecht droht mit der Rute

In manchen Gegenden wird Sankt Nikolaus auch heute noch von seinem Knecht Ruprecht begleitet – ein schwarz gekleideter rauer Geselle, der in früheren Zeiten ungehorsamen Kindern mit der Rute drohte. Ruprecht begleitet den Nikolaus auch in den Niederlanden. Wenn der heilige Bischof die Kinder am 6. Dezember beschenkt, ist der "Zwarte Piet" traditionsgemäß mit von der Partie. Ruprecht war ursprünglich ein alter Geselle, der die bösen Geister in dunklen Winternächten mit seinem Gepolter vertreiben sollte. Er trägt eine Rute aus immergrünen Zweigen, mit der er den Menschen leicht auf die Schulter schlägt. Damit will er ihnen von der Lebenskraft der Zweige abgeben.

Im Berchtesgadener Land treiben in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember die "Buttnmandln" ihr Unwesen. "Buttn" ist mundartlich und heißt übersetzt "Rasseln". In Stroh gehüllte Männer rasseln mit Kuhglocken und Ketten und ziehen lärmend durch die Straßen. Manch einer macht dabei Bekanntschaft mit der Rute. Dies soll allerdings Glück bescheren. Auch in München versammeln sich allerlei wilde Gesellen beim Krampus-Lauf auf dem Christkindlmarkt am Marienplatz. Die furchterregenden Gestalten in ihren imposanten Kostümen erschrecken, necken und triezen jeden, der ihnen entgegenkommt. Die Truppe führt auch einen Nikolaus mit sich, dem die Krampusse sich fügen müssen – so treiben sie es nicht zu toll.

Krampus drückt kein Auge zu

Der Krampus ist der unheimliche Geselle an der Seite des gütigen Nikolaus. Während letzterer bei unartigen Kindern gerne mal ein Auge zudrückt, rasselt der Krampus mit seiner Kette, um sich den nötigen Respekt zu verschaffen und unliebsame Zeitgenossen zurechtzuweisen. Das Krampuslaufen geht auf eine 500 Jahre alte Tradition aus dem alpenländischen Raum zurück. Der Brauch erfreut sich besonders bei jungen Leuten wieder großer Beliebtheit.

Sechs Frauen in weißen Gewändern und mit Kerzen, die erste in der Reihe trägt zudem einen Kerzenkranz auf dem Kopf.
Bild: ©dpa

So kennt man Lucia: im weißen Gewand mit Kerzen auf dem Kopf. Doch sie hat auch eine dunkle Seite.

Auch die heilige Lucia hat eine dunkle Seite. Die grausige Lucia trug ein langes weißes Gewand und eine angsteinflößende Maske. Zu ihrer Ausstattung gehörten zudem eine mit Blut beschmierte Sichel und ein Korb mit Glasscherben. Sie drohte, Unartigen den Bauch aufzuschlitzen und ihn mit Glasscherben zu füllen. Auch Frau Percht gehört zu den dämonischen Gestalten des Winters. Unsere germanischen Vorfahren verehrten sie als Naturgöttin. Sie ist übrigens identisch mit der Märchengestalt der Frau Holle, kann zugleich gut und böse sein. Deshalb trägt sie zwei Masken – vorne eine Sonnenmaske und hinten eine Teufelsmaske. An Frau Percht erinnert auch heute noch Bräuche in Oberbayern und im Salzburger Land – die Perchtenläufe. Gestalten mit gruseligen Masken ziehen von Haus zu Haus, um die bösen Wintergeister zu vertreiben und die Natur aufzuwecken.

Von Margret Nußbaum