Pfarrer: Mehr Gotteshäuser umnutzen
Der Wiener Pfarrer Martin Rupprecht schlägt vor, wenig gebrauchte Kirchengebäude noch häufiger umzunutzen. "Wäre es nicht überlegenswert, den Gebetsort zum Schlafsaal umzugestalten, den Raum des Gottesdienstes zum Indoor-Spielplatz?", schreibt er in einem Gastbeitrag der Wiener Zeitung (Montagsausgabe).
Ruppert fragt, ob es noch ethisch vertretbar sei, "so viel Geld in Gebäude zu investieren, die 'nur' von einer Handvoll Menschen ein paar Stunden die Woche genutzt werden". Währenddessen würden Flüchtlinge auf der Straße schlafen oder Jugendliche wegen fehlender Spielräume in der Stadt Geschäfte ruinieren. Betrachte man die sich leerenden Kirchengebäude aus einer rein nutzenorientierten Perspektive, erblicke man in ihnen "schnell kostspielige Symbole einer Institution, die all ihre Glaubwürdigkeit verloren hat".
Unter dem Vertrauensverlust leide er als Pfarrer "wie ein Hund in der Wüste", schreibt Rupprecht. Doch das Misstrauen sei weder mit persönlichem Bemühen noch mit den besten Gemeindeaktivitäten zu beseitigen. Ein Großteil der 20- bis 30-Jährigen trete einfach aus der Kirche aus. Im besten Fall blieben sie, hätten aber mit kirchlichem Dasein nichts mehr zu tun. Der radikale Schritt einer Kirchenumwandlung könne dagegen einerseits dem Leben sinnvoller dienen, andererseits der Kirche inmitten einer pluralistischen Gesellschaft zu einer neuen Glaubwürdigkeit verhelfen.
Katholikenzahlen in den vergangenen 40 Jahren halbiert
Rupprecht selbst ist für sein Engagement im Religionsdialog bekannt. Der Priester war unter anderem Islamreferent im Erzbistum Wien. In seiner Pfarrei war im Vorjahr für zwei Monate ein Flüchtlingsnotquartier mit 3.000 Plätzen eingerichtet.
In den vergangenen 40 Jahren habe sich die Zahl der Katholiken sowie der Gottesdienstbesucher in Wien halbiert, erklärt Ruppert die Hintergründe seines Vorschlags. So habe es im 15. Wiener Gemeindebezirk 1972 noch 68.700 Katholiken bei insgesamt 74.000 Einwohnern gegeben. 2016 seien es bei gleichbleibender Einwohnerzahl nur noch 21.000 Katholiken, berichtet der Pfarrer, der auch Dechant des Bezirks ist. Das seien die äußere Zahlen einer Umbruchzeit, die den Abschied von der Volkskirche einläuteten.
In seinem Gemeindebzirk habe man deshalb von sieben Pfarrkirchen bereits zwei an orthodoxe Kirchen abgeben, so Rupprecht. Zwar seien es "wunderschöne Kirchen, wahre Wunder der Ästhetik und der menschlichen Leistung". Dennoch blieben sie "nur" Materie, die dem Menschen dienlich sei in seiner Suche nach dem Unendlichen. (bod)