Abschied von alten Strukturen
Wer das Pfarrbüro an der Kirche St. Josef in Frankfurt-Bornheim betritt, bemerkt nicht sofort, was sich hier in den letzten zwei Jahren getan hat. Seit dem 1. Januar 2015 ist es das sogenannte Zentrale Pfarrbüro der gleichnamigen Großpfarrei. Doch umgebaut worden ist nichts, jedenfalls nicht im Frontoffice, wie der Bereich für den Publikumsverkehr jetzt heißt. Es sind eher solche Begriffe, die Besuchern auffallen, oder die längeren Öffnungszeiten - und dass sich nun acht Pfarrsekretärinnen das Büro teilen. Martina Göbel ist eine von ihnen. Die Umstrukturierungen hat sie mitgemacht. Sie sagt rückblickend: "Es gab in den zwei Jahren einige Schwierigkeiten, aber ich glaube, wir sind auf einem guten Weg".
So wie in der Großpfarrei St. Josef wurden in den letzten sieben Jahren 29 weitere Zentrale Pfarrbüros im Bistum Limburg eingerichtet - und zwar immer dann, wenn Pfarreien zu sogenannten Pfarreien neuen Typs zusammengelegt wurden. Vier weitere werden zum Jahresende hinzukommen. Ziel ist es nicht nur, die Öffnungszeiten der Pfarrbüros auszuweiten, sondern in Zeiten von weniger werdenden Gemeindemitgliedern Kräfte zu bündeln und zu vernetzen. "Insgesamt sollen es einmal 49 werden", erklärt Annette Karthein. Sie unterstützt die Pfarreien bei der Einführung der Zentralen Pfarrbüros im Bistum Limburg und begleitet sie bei der Umstrukturierung.
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Die Katholiken in Limburg dürften mit Spannung verfolgen, wie ihr neuer Bischof Georg Bätzing nach seinem Amtsantritt die Baustellen in der Diözese angeht. Katholisch.de nennt vier wichtige Herausforderungen. (Artikel von Juli 2016)Dieser Prozess dauert bis zu zwei Jahre. Standardlösungen gebe es nicht: "Zuerst laden wir alle Interessierten zu einer Auftaktveranstaltung ein. Dort werden Projektgruppen gebildet für alle Bereiche der Pfarrei, davon eine für das Sekretariat", erläutert Karthein. Diese Gruppe, in der in St. Josef auch die Pfarrsekretärinnen mitgewirkt haben, kümmere sich dann um die Einführung des Zentralen Pfarrbüros und beantworte Fragen wie: Wo soll dieses Büro sein? Welche Räume, Einrichtung, Technik wird benötigt? Wie werden die Aufgaben und Arbeitszeiten verteilt? Oft treffe das zunächst auf viel Widerstand. "Die Betroffenen sehen vielfach nur den Verlust, den die Veränderungen mit sich bringen", so Karthein.
Von der Einzelkämpferin zum Team
Die eigentliche Herausforderung sei jedoch, die Sekretärinnen zu Kolleginnen zu machen: "Jede war in ihrer Pfarrei Einzelkämpferin, nun muss ein Team gebildet werden", erzählt Karthein. Dafür sei die Beteiligung der Betroffenen wichtig - und eine gute Aufteilung der Arbeitsfelder, die zuvor jede Sekretärin allein bearbeitet hat. "Im Zentralen Pfarrbüro ist sie nur noch auf zwei bis drei Arbeitsfeldern tätig. Da wird dann geschaut, was sie gerne macht, wo ihre Begabungen liegen." Bei all den Veränderungen solle niemand das Gefühl haben, dass er nur verliere. Das scheint gut zu funktionieren, denn viele sähen nach Abschluss des Prozesses auch einen Gewinn: "Sie müssen nun als Teilzeitkräfte zwar auch nachmittags arbeiten, haben aber dadurch freie Tage. Früher haben sie zwar nur vormittags, aber dafür jeden Tag gearbeitet."
So ist es auch in St. Josef: Martina Göbel hat sieben Kolleginnen, die alle wie sie in Teilzeit arbeiten und sich die Arbeitszeiten, aber auch die Dienstorte untereinander aufgeteilt haben. Im Frontoffice nehmen sie zum Beispiel Anmeldungen für Taufen oder Hochzeiten entgegen und beantworten E-Mails und Telefonanrufe. Aufträge, die aufwändiger sind, werden an das Backoffice weitergegeben. Dort erledigen die Sekretärinnen Verwaltungstätigkeiten wie Eintragungen in die Kirchenbücher, die Buchhaltung oder Organisatorisches für das Kirchenjahr, wie zum Beispiel Adventskränze im November zu bestellen. Außerdem kümmern sie sich um die Gremienarbeit, schreiben hier Briefe oder besprechen sich mit dem Pfarrer und pastoralen Mitarbeiter. Diese Arbeitsaufteilung wurde mit einem vernetzten Computersystem ergänzt, mit dem zum Beispiel der Zahlungsverkehr der Pfarrei zentral dokumentiert werden kann.
Drei der Sekretärinnen sind für einige Stunden in der Woche auch in den Büros ihrer ehemaligen Pfarrei an den Kirchorten, die jetzt Kontaktstellen heißen. "Vor allem viele ältere Gemeindemitglieder warten lieber, bis die Kontaktstelle geöffnet ist, und fahren nicht zum Zentralen Pfarrbüro", hat Göbel beobachtet. Bei der Arbeit dort hilft ihr das neue Computersystem. "Wenn ich in der Kontaktstelle Heilig Geist Riederwald den Computer anschalte, bin ich mit dem Zentralen Pfarrbüro vernetzt und kann zum Beispiel den Kalender einsehen." Auch das Telefon lasse sich nun auf das Zentralbüro umstellen, sodass die Erreichbarkeit höher sei. Bei der Absprache mit ihren Kolleginnen spielt ein dagegen fast altmodisch anmutendes kleines Kästchen eine wichtige Rolle. "Dort hinterlassen wir auf Zetteln Informationen für den nächsten Tag, damit die Kolleginnen Bescheid wissen, wenn man selbst keinen Dienst hat."
Diese Aufteilung war nicht nur für die Sekretärinnen eine schwierige Umstellung. Die wechselnde Besetzung im Zentralen Pfarrbüro hätte anfangs für Befremden gesorgt, erinnert sich Göbel. "Die Leute haben sich erst etwas schwer getan damit, dass immer jemand anderes da saß - aber jetzt wird es so langsam besser." Früher sei ihre Arbeit allerdings persönlicher gewesen. "Man kannte die, die ins Pfarrbüro kamen, man wusste über alles Bescheid." Aber dass der direkte Kontakt zu den Menschen weniger geworden sei, liege auch an den neuen Medien: "Es wird eher mal schnell eine E-Mail geschrieben, als dass jemand vorbeikommt."
Anfänge ohne Computer
Angefangen hat die kaufmännische Angestellte 1981 in einer Pfarrei im Bistum Fulda, zu einer Zeit, in der es noch keine Computer gab: Alle zwei Monate sei sie damals ins Rathaus gegangen, um den Datensatz der Gemeindemitglieder aktuell zu halten. "Ich habe Zugezogene, Verstorbene und Weggezogene aus einer Kartei herausgeschrieben und im Pfarrbüro von Hand den Karteikasten aktualisiert." Auch an Buchhaltung im großen Kassenbuch, Tippen auf der Schreibmaschine und Matrizendruck erinnert sich Göbel noch. In der Pfarrei zu arbeiten hatte sie sich schon immer vorstellen können. Sie sei von Kind auf in der Gemeinde ehrenamtlich tätig gewesen, war Messdienerin und Katechetin, leitete Kinder- und Jugendgruppen. An dem Beruf gefallen habe ihr, "dass man viel mit Menschen zu tun hat, denn als Pfarrsekretärin ist man immer der erste Kontakt".
Dass diese Anlaufstellen vor Ort in den Pfarreien neuen Typs weniger werden, schmerzt viele Gemeindemitglieder. "An den Pfarrbüros wird der Bedeutungsverlust von Kirche allgemein am sichtbarsten", fasst es Annette Karthein zusammen. Aber sie beobachtet auch, dass viele die Zentralen Pfarrbüros schätzen. "Ein Großteil findet es gut, dass sie länger geöffnet haben und dienstleistungsorientierter sind." Zudem sei die Berufszufriedenheit unter den Sekretärinnen groß: "Viele sagen, es habe Vorteile, im Team und mit professioneller Struktur zu arbeiten. So ist jetzt zum Beispiel eine Vertretung im Krankheitsfall möglich, was früher nicht ging."
Ein Fazit kann Martina Göbel nach zwei Jahren noch nicht ziehen. "Es gab viele Schulungen, viele Umstellungen und viele Schwierigkeiten." Für alle sei die Zusammenlegung ein großer Schritt gewesen. "Aber es ist auch eine Chance. Wir müssen eben gucken, wie wir das Beste aus den Veränderungen machen." Sie bereut es nicht, Pfarrsekretärin geworden zu sein: "Ich würde mich auf jeden Fall noch einmal so entscheiden."