"Wir feiern dreimal Weihnachten"
Frage: Frau Marzouqa-Awad, wie bereiten Sie sich im Hospital auf Weihnachten vor?
Marzouqa-Awad: Wir haben wie jedes Jahr auf allen Klink-Stationen Weihnachtsbäume aufgestellt. Obwohl alle aus Plastik sind, verströmen sie überall im Haus vorweihnachtliche Stimmung. Viele Mitarbeiter sind ja muslimisch, aber auf Weihnachten freuen sich alle. Wir feiern sogar drei Mal Weihnachten, einmal die lateinische Feier am 25. Dezember, dann die orthodoxe am 7. Januar. und die aramäische am 19. Januar. Solange bleiben bei uns auch die Weihnachtsbäume stehen.
Frage: Ist es aufgrund der inneren Spannungen im Land überhaupt möglich in Weihnachtstimmung zu kommen?
Marzouqa-Awad: Was die politische Lage in Bethlehem anbelangt, nein. Die politische Situation ist aussichtslos. Die Realität zeigt, dass es kaum mehr Hoffnung gibt, hier bessere Tage zu erleben. Wir versuchen uns daher auf andere Weise zu motivieren.
Frage: Wie zum Beispiel?
Marzouq-Awad: Wir haben im Moment 62 Kinder im Hospital und die bereiten uns die größte Freude. Zum Beispiel wenn ein Kind nach einer Lungenentzündung oder einem Infekt wieder gesund wird. Oder wenn ein Kind mich anlächelt und seine Familie wieder Hoffnung hat, obwohl einen Tag zuvor alle noch geweint haben. Das sind richtige Erfolgserlebnisse für mich. Es tut einfach gut, wenn wir einer Familie helfen konnten. Das schenkt mir und den Mitarbeitern große Hoffnung. Ich versuche immer mit einem Lächeln durch die Stationen zu gehen, um damit die anderen anzustecken, auch wenn ich manchmal aufgrund der politischen Lage großen Kummer habe.
Frage: Feiern Sie mit den Kindern Weihnachten im Hospital?
Marzouqa-Awad: Wir bemühen uns, dass wir die Kinder für einen Tag entlassen, damit sie Weihnachten bei ihrer Familie zu Hause verbringen können. Das machen wir übrigens auch bei muslimischen Festen, eine Sonderregelung für Feiertage sozusagen. Für die Kinder, die aus gesundheitlichen Gründen bei uns bleiben müssen, haben wir Geschenke vorbereitet. Und natürlich gibt es auch Kinder, die immer wieder bei uns sind, weil sie chronisch krank sind und genau wissen, dass es an Weihnachten Geschenke gibt. Sie versuchen mit Ausreden, an Weihnachten bei uns aufgenommen zu werden, damit sie auch mitfeiern können.
Frage: Nehmen Sie diese Kinder dann auch auf?
Marzouqa-Awad: Wir drücken gerne ein Auge zu und nehmen sie auf. Es sind ja wirklich unheilbar kranke Kinder und ob sie nun fünf Tage früher oder später für ihre regelmäßige Therapie aufgenommen werden, macht keinen großen Unterschied. Es ist schließlich Weihnachten! Alle bekommen dann Geschenke. Wir wollen ihnen ja eine Freude bereiten, damit sie für einen Moment vergessen können, wie krank sie sind.
Frage: Wie haben Sie selbst als Kind Weihnachten erlebt?
Marzouqa-Awad: In Betlehem versammelt sich die ganze Familie erst am 25. Dezember zu Hause und wir wünschen einander "Frohe Weihnachten", auf Arabisch "Kul saneh ento salmin". Bethlehem ist der Geburtsort Jesu, an dem ich auch geboren wurde genauso wie meine Eltern und Großeltern. Ich bin sogar ganz in der Nähe der Geburtskirche aufgewachsen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie meine Mutter und meine Großmutter immer dann, wenn sie auf der Terrasse gestanden haben und die Kirche gesehen haben, das Kreuzzeichen gemacht haben. Meine Mutter hat uns Kindern immer eingetrichtert, dass wir das schätzen sollen, hier geboren worden zu sein, an so einem besonderen Ort.
Frage: Gerade am Geburtsort Jesu herrscht aber auch so viel Unfrieden.
Marzouqa-Awad: Ja, der Unfrieden gehört eigentlich nicht hierher. In Bethlehem ist ja der Frieden durch Jesus Christus geboren. Dennoch möchte ich trotz der schwierigen politischen Lage nicht woanders leben. Ich wäre nicht glücklich im Ausland, - im Gegenteil, ich bin froh, hier zu sein. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, dass wir Christen hier bleiben. Es ist ein Geschenk, hier geboren zu sein. Für mich ist das auch gleichzeitig eine Verpflichtung gegenüber der Stadt. Ich kann nicht alles stehen und liegen lassen und gehen. Ich will mit meinen Geschwistern zusammenleben, ich will hier noch einige Hochzeiten und Taufen erleben. Das bedeutet für mich Zukunft.
Frage: Was ist Ihr größer Weihnachtswunsch für dieses Jahr?
Marzouqa- Awad: Frieden, Frieden, Frieden. Zurzeit bete ich viel für den Frieden. Eigentlich schon seit 30 Jahren, ich kann gar nicht damit aufhören. Beten beruhigt mich und gibt mir Kraft. Aber ich bete nicht nur für den Frieden im Heiligen Land, ich bete auch für meine Arbeit, für meine Familie, für meine Kinder und für die Klinik. Ich wünsche mir, dass ich mich endlich frei bewegen kann in Bethlehem und dass das Caritas-Kinderkrankenhaus hier in Bethlehem bestehen bleibt, damit wir den Kindern hier weiterhin die bestmögliche Behandlung geben können.